Stadt und Kirche sind seit Jahrhunderten eng miteinander verbunden – in guten wie in schlechten Zeiten. Hinter der Geschichte der Annakirche und ihrer Vorgängerbauten stecken auch viele ganz persönliche Geschichten von Glaubensbekundungen. Wie sehr der Glaube stets von den Menschen getragen wurde, ist der rote Faden der Ausstellung „1300 Jahre gelebter Glaube“, die zur Anna-Oktav am Vorabend der Erhebung des Hauptes (Freitag, 28. Juli, 19.30 Uhr) in der Annakirche eröffnet wird und die Entwicklung von der kleinen merowingischen Hofkapelle zur modernen Annakirche aufzeigt.
Als Papst Julius II. 1506 per Bulle entschied, dass das zuvor je nach Sichtweise und Überlieferung aus Mainz „gerettete“ oder gestohlene Annahaupt in Düren verbleiben durfte, erlebten Kirche und Stadt eine wahre Belebung. „Diese lange, hochinteressante und reiche Geschichte ist bislang nirgendwo dargestellt“, sagt Ulrich Flatten, Vorstandsmitglied der Stiftung Annakirche Düren. Bis zur Oktav werden vier hochwertige Vitrinen in der modernen Annakirche installiert – dort, wo das aus der am 16. November 1944 zerstörten Kirche gerettete Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert nach dem Wiederaufbau einen Platz fand: vis-à-vis zum Altar. „Uns geht es auch darum, einen weiteren Begegnungspunkt in der Kirche zu schaffen“, ist Ulrich Flatten überzeugt, dass die Ausstellung perfekt in die „Werktagskirche“ hineinpasst – mit großzügigen Öffnungszeiten und freiem Eintritt.
„Die Idee für eine Ausstellung haben wir schon länger. Sie stammt aus dem Innovationsprojekt der Pfarrei“, blickt Ulrich Flatten auf die Anfänge zurück. Es dauerte etwas, aus einer Idee ein Projekt zu machen, Geld anzusparen, Unterstützer zu finden, eine Ausstellung zu entwickeln, Archive zu durchstöbern und aus der Idee etwas Handfestes zu machen. Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Düren, dem Leopold-Hoesch-Museum, der Denkmalpflege und dem Bistum entwickelt worden. Allen Projektpartnern unterbreitet die Pfarrei das Angebot, den neu gestalteten Raum innerhalb der Kirche als Forum für eigene Veranstaltungen zu nutzen. Gebaut wird die von der Stiftung initiierte und finanzierte Ausstellung von der Pfarrei St. Lukas.
Die Ausstellung ist auch eine Einladung an Menschen, in die Kirche zu kommen und sich mit dem Bau, der Geschichte der Stadt und dem Glauben zu beschäftigen. Dort, wo heute die moderne Annakirche steht, gibt es schließlich schon seit Jahrhunderten kirchliches Leben. Das erste Gotteshaus wurde im achten Jahrhundert errichtet. Krieg und Zerstörung suchten die Stadt in ihrer Geschichte gleich mehrfach heim. Die verheerende Bombardierung Dürens am 16. November 1944 ließ im Zweiten Weltkrieg die gotische Annakirche mit ihrem 100 Meter hohen Turm in Schutt und Asche versinken. Ein Schicksal, das auch die Innenstadt ereilte.
Die Gestaltung der vier Vitrinen, die über Schubladen mit Exponaten, Bildschirme und Kopfhörer für Audio-Beiträge verfügen, ist an den Spitzgiebel des Annaschreins angelehnt. In der ersten Vitrine werden 1300 Jahre Stadt- und Kirchengeschichte beleuchtet. Modellbauer Hardy Keymer hat in viel Arbeit und mit viel Liebe für Details alle Vorgängerkirchen im Maßstab 1:160 in Szene gesetzt. Ausgrabungen vor dem Start des Neubaus haben 1951/52 die Fundamente aller Kirchen ans Tageslicht gebracht – der Altarraum war von 700 nach Christus bis heute immer an exakt der gleichen Stelle. Eine Münze aus dem achten Jahrhundert, die bei diesen Ausgrabungen gefunden wurde und die damalige Kirche zeigt, wird ebenfalls zu sehen sein.
Die zweite Vitrine widmet sich der seit über 500 Jahren lebendigen Anna-Verehrung an der Rur. Die Stiftung hat eine Abschrift der päpstlichen Bulle aus den vatikanischen Archiven erhalten (das Original ist im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen). Zu sehen sind neben einer digitalen Rekonstruktion des Anna-hauptes die 1510 gegossene Anna-Glocke mit Pilgermedaille sowie Teile des Annaschatzes und ausgegebene Pilgermünzen. Die vierte Vitrine widmet sich dem Neubeginn des Lebens in der Stadt und dem Neubeginn der pastoralen Tätigkeiten in der Pfarre. Auszüge des Tagebuchs eines Pfarrverwalters zeigen das damalige Leben mit allen Schwierigkeiten. Dass der Neubau der Annakirche mittlerweile architektonischen Weltruhm erlangt hat, aber seit jeher nicht unumstritten war, zeigen Dokumente aus der Zeit der Ausschreibung und des Baubeginns. Auch der Film „Eine mütterliche Umarmung“ über den Bau der Kirche wird zu sehen sein. „Es ist gar nicht so bekannt, wie viele Menschen nach Düren kommen, um die Kirche anzuschauen.” Eingeweiht wurde die moderne Kirche 1956, Turm und Sakristei folgten 1961.
„Insbesondere seit der Verehrung der Reliquie in Düren ist die Verbindung zwischen Stadt und Kirche sehr eng. Sie wird bis heute getragen vom Glauben der Menschen an die heilige Mutter Anna“, weiß Ulrich Flatten. Jeden Tag kämen Menschen in die Kirche, um eine Kerze zu entzünden. Flatten: „Die Menschen waren und sind bereit, sich für die Kirche und die Anna-Verehrung einzusetzen.“ Die Annakirmes entwickelte sich aus dem Annamarkt heraus. Die Notgeld-Scheine aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ziert das Annahaupt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich Spender, um wieder ein Glockenspiel zu erbauen sowie eine neue Orgel im Jahr 2010. Düren und Anna gehören ganz offensichtlich zusammen.
Die Ausstellung kann ab dem 28. Juli zu den Öffnungszeiten der Kirche besichtigt werden. Im Rahmen der Anna-Oktav gibt es drei Führungen: Samstag, 29. Juli, ab 11 Uhr; Donnerstag, 3. August, ab 17 Uhr; und Samstag, 5. August, um 11 Uhr. „Wir wollen in Zukunft monatlich einen festen Termin für eine Führung anbieten und die Ausstellung auch als Forum für weitere Veranstaltungen nutzen“, kündigte Ulrich Flatten weitere Angebote an.