Heute jedoch lebt die 69-jährige als freie katholische Nonne, schreibt Bücher und Fachaufsätze über spirituelle Themen und unterrichtet als Dozentin das Fach „Weltreligionen“.
Sie hätte gerne Philosophie studiert, sich das dann aber doch nicht getraut, erzählt sie. Stattdessen folgt sie ihrem Interesse für Technik, studiert in Aachen Maschinenbau und arbeitet als Dozentin und Beraterin für Mitarbeiterführung und Betriebspsychologie. Jahrelang berät sie große Unternehmen, reist viel, hält Vorträge – bis sie nicht mehr vor Menschen stehen will, die ihr nur zuhören, weil sie zuhören müssen. Sie eröffnet ihr eigenes Büro, um ihre Kunden besser begleiten zu können. Mit Mitte 40 beginnt Helene Etminan sich nach einer persönlichen Krise für Religion zu interessieren, sucht nach den zentralen Fragen und Antworten. Sie liest viel und arbeitet sich tief in die Materie ein. Die Hinwendung zum christlichen Glauben entsteht erst aus dem Bedürfnis heraus, sich katholisch taufen zu lassen. „Ich komme aus einem atheistischen Elternhaus, hatte keine Ahnung vom Christentum und musste erst einmal lernen, dass man nicht so einfach Christ werden kann.“ Ihr Weg zu Glaube und Religion geht zum einen über das Aneignen von Wissen – 1994 beginnt sie an der katholischen Universität von Nimwegen ein Studium der Religionswissenschaften, später absolviert sie noch die Ausbildung zur Sakristanin im Bistum Aachen. Zum anderen orientiert sie sich an Menschen, die sie in ihrem Glauben als authentisch empfindet.
Einer davon ist Pfarrer Wilhelm Zimmermann, Seelsorger an der Aachener Rheumaklinik, mit dem sie anderthalb Jahre lang intensive Gespräche über den christlichen Glauben führt. Eine für beide bereichernde Erfahrung. Als sie sich in der Kapelle Eschberg bei Vaals taufen lässt, wird er ihr Pate. In der kleinen Kapellengemeinde findet sie auch ihre kirchliche Heimat und übernimmt den Dienst als Küsterin. Was zur erwähnten Sakristanausbildung führt, um mehr über Liturgie und den Dienst in der Sakristei zu erfahren. Über die einfachen Gläubigen, denen sie hier begegnet, habe sie bei all ihrem Wissen, das sie sich über Religion angeeignet habe, erst richtig erfahren, was es heißt, gläubig zu sein. „Sie haben mich demütig werden lassen“, sagt sie. Als sie sich für ein Leben als freie Nonne entscheidet, legt sie hier ihre Gelübde ab. Die Entwidmung „ihrer“ Kapelle vor einigen Jahren ist ein sehr emotionaler Moment für sie. Sie übernimmt eine Stelle als Dozentin für „Religionen der Welt“ an der Fachhochschule Sittard und später im gleichen Fachgebiet am Theologischen Institut Rolduc in Kerkrade, schreibt Bücher und Fachartikel zu spirituellen Themen. Und auch in ihre Tätigkeit als Betriebsberaterin fließt das immer mehr ein. Kunden sprechen sie auch auf spirituelle Fragen an, nach dem eigenen Weg, der eigenen Berufung und auch nach Gott. Diese Verschmelzung ihrer Berufe mündet 2015 schließlich in ihre Promotion zum Thema „Vertrauen entwickeln“. Für sich selbst beschreibt sie das so: „Für einfaches Gottvertrauen habe ich zu viel Wissen, aber ich habe Vertrauen in den Weg und da- rüber auch in Gott.“ Wohin der sie noch führen wird, darauf ist sie selbst gespannt.