Gingkos setzen Zeichen

„Gib dem Leben Raum“: 300 Teilnehmer kommen zu Projekttagen ins Haus Overbach

Wasserschloss Overbach (c) Olaf Kiel
Wasserschloss Overbach
Datum:
15. Okt. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 42/2019 | Dorothée Schenk

Das klingt ganz schon „hip“: Welcome-Area, Escape-Room und Migrationscafé. Es gibt einen roten Teppich, Kurzfilm-Festspiele und eine Persönlichkeitsolympiade. Das englische „Workshop“ wird durch den Begriff „Aktionsbündnis“ abgelöst. Die zweiten politischen Projekttage des Christlichen Jugenddorfs Deutschland (CJD) vom 6. bis 9. November im Haus Overbach in Jülich-Barmen werfen ihre Schatten voraus. 300 Teilnehmer werden erwartet.

Noch ehe in der Bewegung „Fridays for Future“ (FFF) junge Menschen als Aktivisten im besten Sinne wahrgenommen wurden und die allgemeine Meinung, dass die Jugend uninteressiert sei, Lügen gestraft wurde, hatte das CJD diese Altersgruppe als Mitentscheider, Mitdenker und Gestalter im Blick. Und – das ist sicher etwas ganz Außergewöhnliches – berücksichtigt werden die Sichtweisen in einer Altersspanne vom Kleinkind bis zu jungen Erwachsenen, die in der berufsbildenden Ausbildung sind. Eine Herausforderung, wie Jörg Tranelis vom christlichen Jugend-, Bildungs- und Sozialwerk, das seit 2018 gemeinsam mit den Oblaten des heiligen Franz von Sales Träger des Ensembles „Haus Overbach“ ist, einräumt. Dass es funktioniert, wurde 2016 in Braunschweig beim ersten Jugendkongress bewiesen.

Im Fokus der Tagung ist die „Persönlichkeitsbildung des Menschen“ und die entspinnt sich um „das ,Kernkurrikulum des Lebens‘: die Religiösität“. So formuliert es Andreas Schreib, CJD-Geschäftsführer im Haus Overbach. Wie bei FFF gilt: Erwachsene sind nur Begleiter, die treibenden Kräfte und inhaltlichen Gestalter sind Jugendliche. Das Ergebnis der ersten Projekttage war ein so genanntes „Jugendmanifest“. Unter den Oberthemen Verantwortung, Aufklärung, Solidarität und Chancengleichheit wurden 14 Thesen formuliert zu Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung, der  Berücksichtigung von Menschen mit Handicap, Tierschutz, Friedenspolitik, demokratischem Grundverständnis und Glaubensfragen.

Ein Beispiel: „Wir mahnen an, dass die verschiedenen Religionen, insbesondere die Weltreligionen, sich um Gemeinschaft untereinander bemühen und miteinander Wege suchen, um zum gegenseitigen und zum Wohlergehen der Schöpfung zu handeln.“ Diese 14 Thesen bilden nun die Grundlage der zweiten politischen Projekttage. Konkret folgt dem Leitmotiv „Gib dem Leben Raum“ die klare (Auf-)Forderung: „Jetzt bist Du dran.“ Drei Tage lang geht es um Weichenstellungen für das eigene und gesellschaftliche Verhalten in der Zukunft.

Der Erkenntnisgewinn wird fantasiereich und spielerisch zwischen den Projekteinheiten auf Aktionsflächen erprobt, geben Fiona Plum und Florian  Kunert, Marie Franken und Michèle Lindstrot vom Organisationsteam eine Vorschau auf das Programm. Bei der Persönlichkeitsolympiade sollen die Akteure in Wortgewandtheit und sportlichem Wettkampf in Konkurrenz treten. Hier geht es ganz real um Bares. Den Mannschaften stehen je 250 Euro zur Verfügung. Der erspielte Gewinn wird vier gemeinnützigen Jülicher Vereinen zugute kommen. 

Auch das Migrationscafé lässt ganz körperlich spüren, worum es den Organisatoren geht. Es ist ein Spiel, das Sprachbarrieren und Verständigungsprobleme ganz praktisch aufzeigt. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Migranten und dürfen sich darum nur gestisch verständigen. Das politische Kurzfilm-Festival, angelehnt an „Cannes“ oder die „Berlinale“ mit rotem Teppich, Glanz und Glamour, beginnt mit den Vorführungen und gipfelt in einem persönlichen Austausch und moderierter Diskussionsrunde über das Gesehene. Aus ganz Deutschland werden Referenten erwartet – aus der nahen Umgebung kommt etwa Patrick Dohmen. Der Linnicher wird über „Integration körperlich und geistig Behinderter“ sprechen. Aus der Ferne schaltet sich in einem Webinar zum Thema „Risiken im Internet“ zum Schwerpunkt „Digitalisierung“ ein Referent aus Rostock zu. 

Aber nicht nur im „Elfenbeinturm“ der idyllischen Wasserburg-Anlage Overbach sollen die Erkenntnisse für alle sichtbar sein: Ehe am Samstag, 9. November, zwischen 9 und 11 Uhr in einer „Messe“ für Jedermann die Ergebnisse im Haus Overbach vorgestellt werden, kommen die  300 Teilnehmer am Freitag, 8. November, zwischen 14.30 und 16.30 Uhr auf dem Markt in Jülich zusammen, um die Stadt von Zigarettenstummeln zu befreien. Jede weggeworfene „Kippe“ verseucht rund 40 Liter Grundwasser. Bewusstsein soll geschaffen werden, aber auch ein sichtbares und bleibendes Zeichen. Darum soll für eine festgelegte Menge an Stummeln je ein Gingko-Baum gesponsert werden. Im Frühjahr 2020 sollen die Bäume in der Stadt Jülich und am Haus Overbach gepflanzt werden.  

Nachgefragt bei Marie, 15 Jahre, und Michèle, 16 Jahre, vom CJD – Haus Overbach, Jülich

In Vorbereitung auf die Projekttage sind (v.l.) Jörg Tranelis, Michèle Lindstrot, Fiona Plum, Marco Maria Emunds, Marie Franken, Florian Kunert und Andreas Schreib (c) Dorothée Schenk

Warum bist Du dabei?

Marie   Weil ich mich gerne kreativ in einer Gruppe, die die gleichen Ziele wie ich verfolgt, austobe. 

Michèle   Ich finde es wichtig, dass vor allem junge Leute an der Politik teilhaben, und wir die Chance haben, unsere Zukunft zu gestalten, da wir ganz neue Ansichten, neues Potenzial und auch neue Forderungen mitbringen.

 

Wo kommst Du mit Politik in Berührung?

Marie   Oftmals laufe ich an politischen Plakaten vorbei und informiere mich im Nachhinein über die Inhalte. Ich diskutiere auch gerne mit meinem Opa über Politik.

Michèle   Eigentlich in allen Bereichen des Lebens. Politik betrifft uns auf allen Ebenen, ob regional oder international.

 

Welche Thesen des Jugendmanifestes findest Du am interessantesten?

Marie   These 8 zum interreligiösen Dialog, weil ich selbst einer Religionsgemeinschaft angehöre (Alt-katholisch), die nicht so bekannt ist, und ich deshalb oft anfangs komische Blicke ernte.

Michèle   These 12, denn auch beispielsweise behinderte Menschen haben eine Meinung und Existenzberechtigung, und gerade diese Vielfalt und Sensibilität tut unserem Alltag gut.

 

Worauf freust Du Dich am meisten bei der Jugendkonferenz?

Marie   Ich freue mich darauf, den 300 Teilnehmenden das Jugendmanifest so nahe zu bringen, dass sie nach der Jugendkonferenz nach Hause fahren und dort selbst aktiv werden.

Michèle   Ich freue mich darauf, meinen Horizont durch die Konfrontation mit anderen Standpunkten zu erweitern.