Geprägt vom „Öcher Spirit“

Philipp Fiala, Andreas Hahne und Marco Lennartz bereiten sich auf ihre Priesterweihe vor

er Pastoralkurs: Sie verstehen sich als Gemeinschaft, die angehenden Priester und ihre Mit-Auszubildenden für den Dienst als Pastoral- und Gemeindereferenten. (c) privat
er Pastoralkurs: Sie verstehen sich als Gemeinschaft, die angehenden Priester und ihre Mit-Auszubildenden für den Dienst als Pastoral- und Gemeindereferenten.
Datum:
5. Mai 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 17/2022 | Dorothée Schenk

Eine neue Generation von Priestern wird ihren Dienst aufnehmen. Erstmals wurden die Diakonandi gemeinsam mit Frauen und Männern auf den Weg geschickt, die sich als Pastoral- oder Gemeindereferenten ausbilden lassen. Ein Zukunftsmodell.

„Es gibt kein Etablierungsmuster mehr. Wir sind alle auf dem Weg. Es ist unser Kurs“, stellt Marco Lennartz fest und erntet bei Andreas Hahne und Philipp Fiala zustimmendes Nicken. Die drei Männer, derzeit in Gemeinden zwischen Eifel und Niederrhein in der praktischen Ausbildung, bereiten sich auf ihre Priesterweihe im Juni vor und planen fest ein, dass ihre vier Mitauszubildenden in den pastoralen Berufen auch in diesem festlichen Akt eine wichtige Rolle spielen sollen und Aufgaben in der Liturgie übernehmen sollen. „Wir müssen uns vieles genehmigen lassen. Das war früher nicht üblich, weil wir einen anderen Weg gehen möchten“, erklärt Andreas Hahne. „Partizipation und Communio finden noch einmal in einem anderen Umfeld statt. Das wollen wir behalten – auch in Zukunft.“ Die siebenköpfige Ausbildungsgruppe fühle sich nicht nur kollegial, sondern vielmehr freundschaftlich-familiär verbunden. Philipp Fiala hat dafür einen Begriff geprägt, den er schmunzelnd zum Besten gibt: „Ich nenne es den ,Öcher Spirit‘.“ „Es ist eine gewisse Art von Lebensweise“ bestätigt Marco Lennartz.

Ein klares Bekenntnis zu einem veränderten Verständnis. „Weil wir so unterschiedlich sind und unterschiedliche Rollen haben, ist es wichtig, dass wir voneinander lernen“, betont Philipp Fiala. „Davor kannte ich nur die Monokultur, das Priesterseminar. Das war auch eine schöne Zeit. Aber diese Vielfalt macht  mehr Freude. Es ist wichtig, dass wir jetzt diese Konstellation haben, um zukunftsfähig zu sein. Der Pastor im Pfarrhaus ist kein Zukunftsmodell mehr. Das geht nur im Team, nur wenn wir voneinander lernen und jeder seine Charismen und Talente einbringt und das in aller Unterschiedlichkeit und Einheitlichkeit.“ 

Von Miteinandergemeinden, dem „Herrn Pastor“ und dem Blick für die Realität 

Philipp Fiala bei der Bibelschulung für Ehrenamtlerinnen der Pfarrei St. Remigius, Viersen. (c) privat
Philipp Fiala bei der Bibelschulung für Ehrenamtlerinnen der Pfarrei St. Remigius, Viersen.

Der Start in den neuen Lebensabschnitt wird auch ein Start in die neue große Struktur des Bistums Aachen durch den „Heute-bei-Dir“-Prozess. Eine Veränderung, die alle drei Kandidaten begrüßen und als Notwendigkeit ansehen. „In unserem Studium kam tatsächlich öfter die Frage auf: Werden wir eigentlich zu Priestern oder zu Pfarrern ausgebildet?“, erzählt Andreas Hahne. Konkret: Geht es um Leitung und Führung von Teams, Projektmanagement oder Seelsorge? Diese organisatorischen Aspekte wären jetzt in der Ausbildung als ergänzende Elemente dazugekommen, „weil erkannt wird: Es reicht nicht aus, ein guter Seelsorger zu sein.“ Aber der Weg sei ja auch mit der Weihe nicht zu Ende. Fortbildungen seien immer möglich.

Marco Lennartz glaubt, dass die neue Struktur auch Chancen und ein „Mehr“ an Gestaltungsfreiheit bietet, denn er selbst sieht seinen Schwerpunkt eher in der gemeindlichen Arbeit vor Ort. Er sieht die Aufgabe nicht als „Pastor auf der Kanzel“, sondern als Befähiger von Gemeindemitgliedern. „Glaube ist ja nicht exklusiv für den geweihten Mann, sondern ist ein Allgemeingut. Auch der nichtgeweihte Mensch – Mann, Frau, Divers – ist ja kompetent, braucht vielleicht nur einen anderen Anstoß als wir, die wir Theologie studiert haben. Wir brauchen keine Vorstehergemeinden, sondern Miteinandergemeinden. Man steht weder vor noch dahinter, sondern miteinander da und blickt im Zweifelsfall in die gute Richtung.“ Dafür muss auch der Gläubige vor Ort sich verändern. Philipp Fiala erzählt von einem jüngsten Ereignis, in dem er neu in der Pfarre St. Remigius für den Pfarrer die Krankenkommunion austeilte und ihm gesagt wurde: „Schade, dass der Herr Pastor kommt!“ Seine Erkenntnis: „Wir haben immer noch eine klerikale Mentalität. Nicht nur im Klerus, sondern auch im Volk Gottes.“

Darum sei die Interimszeit zwischen Studium und Weihe so wichtig, findet Fiala. Sie schärfe den Blick für die Realität: „Es ist wichtig zu sehen, dass viel vom Priester abhängig gemacht wird, was nicht sein müsste.“ Andreas Hahne stimmt zu und ergänzt: „Was bei den Gemeinden oft ankommt, ist: Der Pastor ist nicht mehr da. Das ist für mich genau das Gegenteil, was der Heute-bei-Dir Prozess ermöglichen soll: Dass die Seelsorge, die viel in Verwaltung eingebunden ist, entlastet werden soll, um mehr Zeit für Seelsorge am Menschen zu haben.“
 

Gestalter, nicht Nachlassverwalter

Eins ist klar: Alle drei Priesteramtskandidaten sehen sich als Gestalter und nicht „Nachlassverwalter“. Gestartet in Zeiten vieler Krisen von Pandemie über den Vertrauensverlust in das Bild der Kirche bis zum aktuellen Ukraine-Krieg sei die Rückbindung an die persönliche Basis – den Glauben – von großer Bedeutung. Das gelte für sie persönlich, aber auch für die Menschen in den Gemeinden. Genau dann sieht Marco Lennartz Kirche gefordert, die Stimme zu erheben: „nicht moralisierend, aber hinweisend. Nächstenliebe ist kein Wort, auch kein geflügeltes Wort, es ist eine Einstellung, zu der wir alle als Christen in der Lage sind, und ich finde, zu der wir auch verpflichtet sind.“

Philipp Fiala nennt es den „Reality-Check“ für die Richtigkeit der Entscheidung fürs Priesteramt: „Ich würde sagen, dass diese Krisen mich noch einmal in meiner Entscheidung bestärkt haben. Dass ich gemerkt habe, wie wichtig mir mein Glaube ist und wieviel Hoffnung er mir gibt.“