Gemeinsamkeiten entdecken

Über 140 Gäste beim interreligiösen Fastenbrechen in Düren

Mit dem Iftar, dem gemeinsamen Abendessen, wurde nach Sonnenuntergang das Fasten beendet. Zu Beginn gab es ein Glas Wasser und eine Dattel (auch „Brot der Wüste“ genannt). Diese Tradition geht auf den Propheten Mohammed zurück. (c) Stephan Johnen
Mit dem Iftar, dem gemeinsamen Abendessen, wurde nach Sonnenuntergang das Fasten beendet. Zu Beginn gab es ein Glas Wasser und eine Dattel (auch „Brot der Wüste“ genannt). Diese Tradition geht auf den Propheten Mohammed zurück.
Datum:
26. März 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2025 | Stephan Johnen

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Egal, ob aus muslimischer oder christlicher Sicht: Fasten ist weit mehr als Verzicht. Das wurde beim interreligiösen Fastenbrechen im Saal der Evangelischen Gemeinde zu Düren schnell klar. Fasten ermögliche es, eine innere Freiheit zu gewinnen, sich demütig selbst zurückzunehmen, Dankbarkeit für Gottes Gaben zu zeigen und einmal innezuhalten. Mindestens genauso wichtig: das gemeinsame Fastenbrechen. „Miteinander-Essen stärkt das Miteinander-Leben“, brachte es Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, auf den Punkt. 

Zum zweiten Mal hatten der Verein GIVE (Gesellschaft für interkulturelle Verständigung) und die Evangelische Gemeinde zu Düren das Fastenbrechen mit über 140 Gästen im Gemeindesaal organisiert. An den festlichen geschmückten Tafeln saßen bunt gemischt Moslems, Atheisten, Protestanten und Katholiken und kamen miteinander ins Gespräch. „Wir bauen Brücken, keine Mauern. Wir wollen uns kennenlernen und Vorurteile abbauen“, erklärte GIVE-Geschäftsführer Murat Gök.

„Ab dem dritten Mal ist es dann Tradition“, sagte er mit Blickkontakt zum „Hausherrn“, Pfarrer Dr. Dirk Christian Siedler. „Wir können heute Miteinander erleben, dass unsere Religionen uns nicht trennen, sondern eine starke Energie sein können, die uns alle zusammenführt“, betonte Siedler.

Bereits seit über zehn Jahren organisiert der Verein GIVE solche interkulturellen und interreligiösen Fastenbrechen im Ramadan. Kooperationspartner sind meist Kirchengemeinden, Kommunen und Schulen. Der Verein erhält Fördermittel, aber einen Großteil der Kosten übernehmen Spender – und viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich – sei es bei der Zubereitung der Speisen oder mit kulturellen Beiträgen – vom Derwisch-Tanz über osmanische Flötenmusik bis zum Auftritt eines interreligiösen Chors. Der Verein ist vor allem im Rhein-Erft-Kreis aktiv, aber GIVE hat in diesem Jahr bereits mehrere Fastenbrechen im Kreis Düren organisiert – beispielsweise in Jülich, in Nörvenich und am Nelly-Pütz-Berufskolleg in Düren. Im Pfarrheim von St. Andreas und Matthias in Lich-Streinstraß kamen beispielsweise rund 130 Menschen aller Konfessionen zusammen, um das Fastenbrechen zu feiern.

„Wir erleben gerade einen ganz großen Moment. Freie Menschen begegnen sich, um sich kennenzulernen und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Das kommt in unserer Gesellschaft gerade zu kurz“, bedankte sich Dürens Bürgermeister Frank Peter Ullrich bei den Organisatoren. Ullrich: „Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, um Vorurteile abzubauen. Wir sind alle Menschen, die in Frieden und Freiheit glücklich leben wollen. Das muss das vorrangige Ziel bleiben. Lassen Sie uns positiv auf den nächsten Tag zugehen, das Gute betonen, das Trennende bekämpfen.“

Kurz nachgefragt

(c) Stephan Johnen

Sarah Egal, Muslima aus Düren
Solche Abende wie heute sind wichtig, damit wir zusammenkommen, uns kennenlernen, verschiedene Menschen, Kulturen und Religionen. Wenn man sich begegnet, kann man einander auch vertrauen, sich aufeinander verlassen, Berührungsängste abbauen. Ich bin als minderjährige Jugendliche aus Somalia nach Deutschland gekommen. Gerade weil wir hier so lange leben, kennen sich viele nicht. Das ist schade, denn es gibt so viele Migrantinnen und Migranten, die etwas in der Stadt bewegen. 

(c) Stephan Johnen

Katharina Feldmann, Pastorale Mitarbeiterin in der Region Düren 
Wenn wir als Menschen Vielfalt leben wollen, müssen wir uns mit Vielfalt vertraut machen. Nur, wenn ich den anderen kenne, brauche ich keine Angst vor ihm zu haben. Und indem ich mir die Welt im Dialog erobere und meine Mitmenschen kennenlerne, kann ich Teil dieser Vielfalt sein, die sich mit Respekt, Miteinander und Verständnis ausprägt. 

(c) Stephan Johnen

Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
Wir brauchen als Gesellschaft mehr Begegnung miteinander als Reden übereinander – gerade nach einem Bundestagswahlkampf, in dem Migration verzerrend immer nur als Problem thematisiert wurde. Beim Fastenbrechen in Düren konnte man in berührender Weise an der Frömmigkeit muslimischer Mitbürger teilnehmen: vom Kinder-Derwisch-Tanz über gesungene Koran-Suren bis zum gemeinsamen Essen. Zugleich gab es wichtige interreligiöse Impulse, etwa zur Bedrohung christlicher Gemeinden in Syrien durch den dortigen Islamismus. Miteinander-Essen stärkt das Miteinander-Leben. Dass sich in diesem Jahr christliche Passionszeit und muslimischer Ramadan vier Wochen überschneiden, ist dafür ein schöner Anlass. Im Fasten geht es christlich wie muslimisch letztlich um innere Freiheit, Zuwendung zum Mitmenschen, um Dank und Demut vor Gott.

(c) Stephan Johnen

Nahren Youssef, Christin aus Syrien 
Am Beispiel von Syrien sehen wir gerade, dass die Vielfalt der Religionen eine Bedrohung zu werden scheint. Heute sensibilisieren wir dafür, dass sich die Religionen solidarisieren und Frieden untereinander schaffen. Niemand darf wegen seiner religiösen Zugehörigkeit ausgegrenzt, diskriminiert oder gar getötet werden. Es wird oft im Namen der Religionen die Macht missbraucht. Das darf nicht passieren.  

das zweite interreigiöse Fastenbrechen in Düren

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