Gemeinsame Wurzeln

Gemeinden vor Ort nutzen Reformationsgedenken, um die ökumenische Zusammenarbeit zu vertiefen

Luther_Nachricht (c) www.pixabay.com
Luther_Nachricht
Datum:
10. Jan. 2017
Von:
Andrea Thomas
Im Jahr 2017 blickt nicht nur die evangelische Kirche auf 500 Jahre Reformation zurück. Auch viele katholischen Gemeinden nehmen das Gedenkjahr zum Anlass, sich mit den gemeinsamen historischen Wurzeln zu beschäftigen und die ökumenische Zusammenarbeit zu vertiefen.
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So auch in den Aachener Regionen, wo es unter anderem Vorträge zum Thema, gemeinsame Studienfahrten mit den evangelischen Nachbargemeinden, ökumenische Gottesdienste und einen Stadtkirchentag auf dem Aachener Katschhof geben wird.

Schon aus historischem Interesse gab es für den Geschichtskreis St. Sebastian kein Vorbeikommen am Thema „500 Jahre Reformation“. Die Möglichkeiten, die sich daraus außerdem für das ökumenische Miteinander ergaben, taten ein Übriges. So initiierte der Kreis bereits 2016 gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde Würselen die Vortragsreihe „Auf dem Weg zum Reformationsjahr 2017“. „Wir wollten die Hintergründe und die geschichtliche Basis vorstellen und so Grundlagen schaffen für Gespräche im Reformationsjahr“, erläutert Hubert Wickerath die Intention des Geschichtskreises. So ging die Frage an Wilfried Egerland, aktives Mitglied sowohl im Geschichtkreis von St. Sebastian als auch der evangelischen Kirchengemeinde, die großen Schriften Luthers näher vorzustellen. „Da habe ich erst mal geschluckt und mich dann intensiver damit auseinandergesetzt. Mit jeder gelesenen Seite war ich mehr fasziniert“, erzählt er.

Eine Begeisterung, die sich bei seinen durchweg gut besuchten Vorträgen („Der Ablasshandel und die 95 Thesen Luthers“, „An den christlichen Adel deutscher Nation“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“) übertrug. Die „katholische Perspektive“ steuerte Andreas Möhlig, Kaplan in St. Sebastian, bei, mit einem Vortrag über „Reformation und katholische Reform“. „Die Reformation – so wie sie letztlich Realität geworden ist – trägt natürlich ganz entscheidend die Handschrift Martin Luthers. Dennoch lagen viele Fragen zur damaligen Zeit in der Luft, die nicht nur Martin Luther aufgegriffen hat“, erläutert er. Er habe daher katholische Persönlichkeiten dieser Zeit, wie Ignatius von Loyola (1491–1556, Gründer des Jesuitenordens) und Teresa von Avila (1515–1582, Gründerin der „unbeschuhten“ Karmelitinnen) und ihre Reformbestrebungen vorgestellt. Ihm war wichtig aufzuzeigen, dass der Verlauf der Reformation nicht nur ein Nacheinander (auf evangelische Aktion erfolgt katholische Reaktion) war, „sondern auch auf katholischer Seite die Kirche als reformbedürftig angesehen wurde und einige Reformen auch umgesetzt wurden“. Aus allen Veranstaltungen, sowie auch einem gemeinsamen ökumenischen Gottesdienst am Reformationstag, hätten sich interessante Gespräche, aber vor allem auch „freundliche Begegnungen“ zwischen den Kirchen entwickelt, sind Wickerath und Egerland zufrieden. Daran sollen 2017 weitere Veranstaltungen anknüpfen, so am 14. Februar Egerlands vierter Vortrag zu Luthers reformatorischer Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ sowie ein Vortrag zu Drucken von Gutenberg bis Luther.

Auf historische Spurensuche begeben sich auch die Eschweiler Pfarrei Heilig Geist und die benachbarte evangelische Kirchengemeinde (mit der sie sich bereits die Barbarakirche in Pumpe-Stich teilen) sowie die Aachener Pfarrei St. Gregor von Burtscheid und die dortige evangelische Gemeinde. Sie bieten im Sommer jeweils eine ökumenische Studienfahrt auf den Spuren Luthers und der Reformation an. 2017 findet erstmals in der Geschichte ein Reformationsjubiläum in einem ökumenischen Zeitalter statt, erklärt Hannokarl Weishaupt, Pfarrer in Heilig Geist. „Die gemeinsame Fahrt greift dankbar die in den letzten Jahrzehnten gewachsene ökumenische Verbundenheit unserer Gemeinden auf. Dabei sollen die unterschiedlichen konfessionellen Ausgangspunkte beim Gedenken an die Reformation nicht verdeckt, sondern bewusst wahrgenommen und neu allgemein miteinander ins Gespräch gebracht werden. Die gemeinsame Fahrt ist eine Gelegenheit dazu, denn Jesus Christus ist Grund und Mitte des Glaubens.“ Auch Frank Hendriks, Pfarrer in Burtscheid, geht es vor allem um das Verbindende und das, was sich daraus in das ökumenische Miteinander von heute einbringen lässt. „Beide Kirchen haben ihre Wurzeln in der hochmittelalterlichen Theologie und sich daraus zu unterschiedlichen Zweigen entwickelt.“ Dem und der Geschichte der Reformation will die Studienfahrt (die in nur wenigen Tagen ausgebucht war) nachspüren. Stationen sind unter anderem das Benediktinerklosters Huysburg und das Zisterzienserinnenklosters Helfta, die Lutherstädte Eisleben und Wittenberg sowie Erfurt und Halberstadt.

 

Gutes ökumenisches Miteinander nicht nur im Reformationsjahr

Die Fahrt ist eine Möglichkeit zur Begegnung zwischen den beiden Konfessionen, die auch sonst in Burtscheid intensiv gepflegt wird. „Wir feiern regelmäßig ökumenische Gottesdienste, haben zweimal im Jahr ein ökumenisches Dienstgespräch und eine sehr intensive gemeinsame Bildungsarbeit“, zählt Hendriks auf. Gutes ökumenisches Miteinander wird in Stadt und Land vielerorts gepflegt. Das Reformationsjahr bietet einen Anlass, dies noch einmal bewusster und intensiver zu tun. „Wir hatten einen sehr gut besuchten Gottesdienst im evangelischen Lukas-Gemeindezentrum am Reformationstag, bei dem ich gepredigt habe und Luther aus katholischer Sicht dargestellt habe“, berichtet Pfarrer Rainer Thoma aus „Christus unser Friede“ Herzogenrath-Kohlscheid. Ein weiterer ökumenischer Gottesdienst sei für den Pfingstmontag geplant sowie zum Stadtteilfest im Herbst oder an Buß- und Bettag. Des weiteren bieten Pastoralreferentin Hannelore Peters und der evangelische Pfarrer Frank Ungerathen einen ökumenischen Bibelkreis sowie einen Glaubenskurs an. Ökumenische Bibelabende gibt es auch in Aachen-Eilendorf und Rothe Erde, wo die Pfarrei St. Severin ebenfalls ein gutes Miteinander mit der evangelischen Gemeinde pflegt. „In der Fastenzeit bieten wir fünf solche Bibelabende an, drei organisieren wir, zwei die evangelische Gemeinde“, sagt Pastoralreferentin Katrin Hohmann. Außerdem teilten sie das Friedenslicht, machten bei der Fronleichnamsprozession auch an der evangelischen Kirche Station und feierten einen ökumenischen Gottesdienst zum Bürgerfest im Stadtteil. „Wir hatten auch überlegt, aus Anlass des Reformationsjahres ein gemeinsames Gemeindefest zu feiern, doch das ist Pfarrer Johnsen, der das auf evangelischer Seite alleine stemmen müsste, etwas zuviel“, sagt sie. Zumal die evangelische Gemeinde sich auch beim Stadtkirchentag im Juni auf dem Katschhof einbringe wolle. Der wird organisiert vom Arbeitskreis christlicher Kirchen in Aachen, der damit in geschwisterlicher Form das Reformationsjahr feiern und die Aachener über die gelebte Ökumene in ihrer Stadt informieren und sie zusammenbringen will.