Gemeinsam in die Zukunft

Der Diözesanrat der Katholiken tritt für eine weltoffene, demokratisierte Kirche im Bistum Aachen ein

Inspiriert als Team unterwegs: der Vorstand des Diözesanrats der Katholiken. Von links: Karl Weber, Simon Hinz, Dieter Spoo, Simon Winkens, Marie-Theres Jung, der geistliche Assistent Rolf-Peter Cremer, Heribert Rychert und Geschäftsführerin Mechtild Jansen. (c) Thomas Hohenschue
Inspiriert als Team unterwegs: der Vorstand des Diözesanrats der Katholiken. Von links: Karl Weber, Simon Hinz, Dieter Spoo, Simon Winkens, Marie-Theres Jung, der geistliche Assistent Rolf-Peter Cremer, Heribert Rychert und Geschäftsführerin Mechtild Jansen.
Datum:
26. Nov. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 48/2019

Karl Weber ist in katholischen Kreisen kein Unbekannter. Der Historiker und Theologe engagiert sich im Kirchenvorstand seiner Heimatgemeinde in Eilendorf und war Mitbegründer des dortigen Bündnisses für Integration. Hauptberuflich leitet er einen bundesweit tätigen Bildungsverband. Und neuerdings ist er Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Aachen. Er versteht sich dort als Teamplayer, wie er im KiZ-Interview unterstreicht. 

·Der frisch gewählte Vorsitzende des Rates, Karl Weber, möchte mit seinem Team Zeichen setzen. (c) privat
·Der frisch gewählte Vorsitzende des Rates, Karl Weber, möchte mit seinem Team Zeichen setzen.

Sie sind mit Ihrem Job, bei dem Sie viel herumkommen, gut ausgelastet. Warum haben Sie sich noch den Vorsitz des Diözesanrats als Paket draufgesattelt?

In meiner Eilendorfer Gemeinde St. Severin fühle ich mich beheimatet. Die Menschen dort haben, wie auch ich, viele Fragen an die Kirche, wie sie sich heute darstellt. Wie kann das Evangelium auch künftig das Leben der Menschen bereichern und inspirieren? Wir befinden uns an einer historischen Weggabelung. Wohin entwickelt sich die Kirche? Ich bin gefragt worden, ob ich im Vorstand mitmache, und da fühlte ich mich in der Pflicht, für eine begrenzte Zeit diesen Übergang mitzugestalten, mit meiner Kollegin und meinen Kollegen im Boot. 

 

Wie würden Sie die Weggabelung beschreiben, vor der die Kirche steht?

Die Missbrauchskrise hat die Kirche tief ins Dunkel geführt. In einem kurzen Zeitfenster wird sich jetzt zeigen, ob sie daraus lernt. Das Drama in diesem Dunkel war und ist ja, dass man im Namen Gottes statt der Betroffenen eher die eigenen Leute schützen wollte, und das heißt im Fall dieser männlichen Klerikerkirche  die eigenen Männer. Diese systemische Kälte und Empathielosigkeit auf der einen Seite und die Botschaft von einem menschenliebenden Gott zerreißt mich derzeit wie viele Katholikinnen und Katholiken. Deshalb die Forderung nach massiven Veränderungen, weil wir Christsein als Suchende, Mitfühlende und gesellschaftlich Engagierte leben wollen und die christliche Botschaft auch so verstanden haben. 

 

Laut Satzung gehört der Diözesanrat zu den Beratungsgremien des Bischofs. Wie werden Sie diese Aufgabe wahrnehmen?

Jemanden beraten, heißt gerade nicht, zu allem Ja zu sagen, was das Gegenüber sagt. Das wäre auch ein schlechter Rat. Und: Unsere Beratungsfunktion ist Spiegelbild einer Öffnung, welche die Kirche vor mehr als 50 Jahren begonnen hat. Der Diözesanrat ist zwar auf einer schmalen Basis, aber immerhin demokratisch  legitimiert. Sehr gerne unterstützen wir den Bischof in seinem Ringen um Verbindlichkeiten in unserem Bistum. Als  katholische Laien bringen wir andere Erfahrungen ein als zum Beispiel die Mitglieder des Priesterrats. Unsere Haltung ist: Wir möchten eine weltoffene, den Menschen zugewandte Kirche, die in demütiger Bescheidenheit in einer pluralen Gesellschaft christliche Werte mitlebt und weiterentwickelt. 

 

Auch der Bistumsprozess „Heute bei dir“ widmet sich diesen Fragestellungen. Welche Rolle sehen Sie für den Diözesanrat der Katholiken in dieser Suchbewegung?

Einige Mitglieder unserer Vollversammlung engagieren sich aktiv in diesem Prozess, etwa in der Lenkungsgruppe, in Teilprozessgruppen, bei Themenforen. Als Diözesanrat haben wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fragen gelenkt, die im Prozess nur wenig vorkommen. Es geht um die drängenden Themen wie Strukturwandel, Braunkohle, Zukunft der Arbeit und Solidarität mit Flüchtlingen, das Miteinander der Religionen. Dahinter steht aber noch eine ganz andere Frage: Nimmt die Kirche den Auftrag an, den ihr das Zweite Vatikanische Konzil mit auf die Reise durch die Zeit gegeben hat, und nimmt sie ihre Verantwortung in der Welt wahr? Oder begibt sie sich auf den schmalen Pfad einer „Entschiedenenkirche“, die sich auf traditionelle Dogmen und Riten reduziert? Die Antwort auf diese Frage ist im Bistum Aachen derzeit offen.

 

Wie stehen Sie zu den Themen, die man nun auf Bundesebene im Synodalen Weg erörtert? 

Sie entspringen im Kern den Schlussfolgerungen aus der sogenannten MHG-Studie zum Missbrauch. Rechte von Frauen, Zugang zu Weiheämtern, Pflichtzölibat und die Machtstrukturen werden ab sofort bundesweit beraten. Wir meinen aber, dass dies nicht nur weit weg besprochen werden darf. Viele Menschen wollen schon heute hier im Bistum Auskunft. Und dafür gibt es einen guten Grund: Die Ergebnisse des Synodalen Weges können qua Satzung nur von jedem einzelnen Bischof in seinem Bistum in Kraft gesetzt werden. Da wäre es natürlich schon gut, wenn der Bischof wüsste, was eine große Mehrheit in seinem Bistum denkt. Und anders herum natürlich wäre es auch gut, wenn der Bischof sagt, wofür er sich einsetzen will. 

 

Wie gehen Sie das konkret an?

Ein erster Schritt, der uns viel Arbeit gekostet hat, war eine Positionierung zu Fragen der Zukunft der Kirche. Dass wir diese bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrates verabschiedet haben, hat mich wesentlich mehr gefreut als meine Wahl zum Vorsitzenden. Es war der Schlusspunkt einer demokratischen Beratung, wie wir sie für die Kirche im Bistum Aachen insgesamt wünschen. Wir haben die ersten Entwürfe in die Räte und Verbände gegeben, und dort wurde wirklich gerungen, auch gestritten, um zu einer Haltung zu kommen, die von deutlichen Mehrheiten getragen wird. Was herausgekommen ist, kann sich sehen lassen. Der Beratungsweg wurde gemeinsam mit den Beteiligten festgelegt. Darin sehe ich das Vorbildliche. Wenn die Leute sich auf dem Weg nicht ernstgenommen fühlen, hat man verloren, selbst wenn man die besten Absichten und Ergebnisse hat.

 

Papier ist bekanntermaßen geduldig. Was passiert nun damit? 

Das stimmt. Man denkt ja immer, das Wichtigste sei die Entscheidung und die Verabschiedung. Ist es aber nicht. Die katholische Kirche, auch in Aachen, hat in der Vergangenheit ohne große Konsequenzen viele gute Papiere verabschiedet. Zum Beispiel zu einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, dem ersten kleinen Schritt zur Gewaltenteilung. Passiert ist dann gar nichts. Es geht nicht um Papier – es geht um die Motivation für die Umsetzung! Wir haben mit unseren Mitgliedern aus regionalen Katholikenräten und Verbänden verabredet, die Erklärung im Bistum Aachen bekanntzumachen und sich für deren Verwirklichung einzusetzen. Und wir wollen das außerdem nicht nur jeder für sich tun, sondern bei einer diözesanweiten Veranstaltung am 18. Januar 2020 in der Citykirche Mönchengladbach. Dazu laden wir als Vorstand zusammen mit der Vollversammlung des Diözesanrats sehr herzlich ein.

 

Das Gespräch führte Thomas Hohenschue.