Gemeinsam für Gerechtigkeit

Wie lebt es sich als Frau in einer multireligiösen Gesellschaft? Ein Stadtrundgang durch Krefeld

Das achtköpfige Vorbereitungsteam: Elisa Rogmann, Aysel Bahci, Meryem Bayrak, Gunda Hagens, Didem Günel, Susanne Brakhane, Lydie Hege und Karin Meinhard (v. l.). (c) Kathrin Albrecht
Das achtköpfige Vorbereitungsteam: Elisa Rogmann, Aysel Bahci, Meryem Bayrak, Gunda Hagens, Didem Günel, Susanne Brakhane, Lydie Hege und Karin Meinhard (v. l.).
Datum:
6. Juli 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 27/2022 | Kathrin Albrecht

Frauen machen rund die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Langsam, aber stetig erkämpfen sie sich auch in Wirtschaft und Gesellschaft einen Platz, werden sicht- und wahrnehmbarer. Doch noch immer treten Benachteiligungen offen zutage, etwa in der Bezahlung oder im Zugang zu Ämtern. Ein Spaziergang durch Krefeld zeigte, wo Frauen in der Stadt sichtbar werden – und wo nicht. 

Bei der Station an der katholischen Pax-Christi-Kirche erinnerte Gemeindereferentin Gunda Hagens an die zwiespältige Situation der Frauen in der katholischen Kirche. (c) Kathrin Albrecht
Bei der Station an der katholischen Pax-Christi-Kirche erinnerte Gemeindereferentin Gunda Hagens an die zwiespältige Situation der Frauen in der katholischen Kirche.

Marianne Rhodius (1814–1902) war eine in ihrer Zeit außergewöhnliche Frau. Als Geschäftsfrau führte sie ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben in einer Zeit, als Frauen viele Lebensbereiche verschlossen blieben. Sie nutzte ihren 
gesellschaftlichen Status auch zum Wohl der Allgemeinheit: rund 4 Millionen Goldmark spendete sie für karitative Zwecke in der Krefelder Stadtgesellschaft, vor allem für arme Kinder. In einer mennonitischen Familie aufgewachsen, setzte sie sich dafür ein, dass andere ihre Religion frei ausüben konnten, und unterstützte den Bau einer jüdischen Synagoge. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Marianne Rhodius, die im Jagdschloss an der Burg Linn aufwuchs, die Schirmherrin dieses Stadtrundgangs war, den ein achtköpfiges Team aus verschiedenen Religionen und Organisationen in Krefeld vorbereitet hat, um auf die Situation von Frauen aufmerksam zu machen. Der Stadtrundgang fand als Vorbereitung auf die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen statt, die – übrigens erstmalig in Deutschland – vom 31. August bis zum 8. September in Karlsruhe stattfindet. Die Eindrücke werden dort einfließen.

In einer Zeit, in der die Welt wieder zunehmend auseinanderdriftet, Rassismus und Nationalismus sich verschärfen, der Klimawandel und die Corona-Pandemie das Leben weltweit bedrohen, stehen grundlegende Fragen auf der Agenda: Wie leben wir als Gesellschaft zusammen? Welchen Sinn geben wir unserem Leben? Wie leben wir auf der Erde? Was im Großen gilt, gilt ebenso in einer mittleren Großstadt wie Krefeld: Hier leben verschiedene Nationen und Religionen zusammen, die Region ist gekennzeichnet von wirtschaftlichen Umbrüchen – was braucht es für eine gerechte Teilhabe und wie nehmen wir alle mit? In acht Stationen lud das Vorbereitungsteam dazu ein, diesen Fragen nachzuspüren. Jede Station stand unter einem eigenen Leitgedanken, Impulse brachten die Teilnehmenden unterwegs miteinander ins Gespräch – über weibliche Vorbilder, darüber, aus welchen Quellen sich Kraft schöpfen lässt, oder wie fürsorglich die Teilnehmerinnen (und einige Teilnehmer) mit sich selbst umgehen.

Streiten für eine Gesellschaft, in der sich kein Mensch erklären muss

Im Garten der mennonitischen Kirche in der Krefelder Innenstadt waren die Teilnehmer zum Blumengießen eingeladen. (c) Kathrin Albrecht
Im Garten der mennonitischen Kirche in der Krefelder Innenstadt waren die Teilnehmer zum Blumengießen eingeladen.

Das Wasser war dabei das verbindende Element. Es nährt, erfrischt, nimmt auf und fließt. Doch es hat auch die Kraft, Mauern zum Einsturz zu bringen. Darauf wies Gunda Hagens, katholische Gemeindereferentin und Frauenseelsorgerin in der Region Krefeld, in ihrem Impuls hin. Sie gestaltete die Station „Selbstermächtigung“ an der katholischen Pax-Christi-Kirche und reflektierte die aktuelle Situation von Frauen in der katholischen Kirche: Vor allem in den Gottesdiensten und im ehrenamtlichen Engagement seien Frauen sehr präsent. Doch in verantwortlichen Positionen sei das noch anders. Hier versuche das Bischöfliche Generalvikariat dort, wo es geht, gegenzusteuern. Hagens hat die Hoffnung, dass der Synodale Weg der Deutschen Bischofskonferenz Denkanstöße gegeben hat, die nun umgesetzt werden. In der jüdischen Gemeinde lud Natalia Wagner zum Dialog ein und führte Interessierte zur Mikwe, dem jüdischen Ritualbad.

Dass vermeintlich sicher geglaubte Rechte immer wieder neu eingefordert werden müssen, daran erinnerte Barbara Schwahn, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen. Erst seit 60 Jahren ist die Frauenordination in der evangelischen Kirche möglich. Und auch, wenn Frauen in der evangelischen Kirche sehr präsent seien, sei es wichtig, darauf zu achten, dass Frauen das allgemeine Priestertum auch wahrnähmen, denn „einige Länder machen die Frauenordination wieder rückgängig, andere hatten sie noch gar nicht“.

Wie schwierig es ist, sich oft entgegenstehende Positionen zusammenzubringen, zeigte die Station beim Frauenpolitischen Forum. Hier flochten drei Frauen symbolisch einen Zopf, standen sich dabei immer wieder im Weg. Im frauenpolitischen Forum engagieren sich Frauen verschiedener Konfessionen und Religionen zu politischen Themen. Ein Krefeld bauen, das für alle passt, ist die Vision von Leiterin Susanne Brakhane.

Auch Aysel Bahci und Meryem Bayrak aus der muslimischen Gemeinde wünschen sich eine „Gesellschaft, in der sich kein Mensch erklären muss“. Mit der Gründungsgeschichte der Stadt Mekka, die von Haga, der Magd Abrahams, gegründet wurde, erinnerten sie daran, dass nur etwas entstehen kann, wenn wir etwas aktiv tun. Aysel Bahci ist dabei auch wichtig, dass es eine Frau war, die Gottes Plan umsetzte.

Didem Günel aus der alevitischen Gemeinde geht auch aktiv ihren Weg als Geistliche in ihrer Gemeinde.

20 000 Schritte zeigte am Ende des Tages der Schrittzähler einer Teilnehmerin, jeder Schritt brachte neue Erkenntnisse.