Gemeinsam auf einem Planeten

Was Eine-Welt-Arbeit den Menschen des Südens und des Nordens bringt

Wir haben nur diesen einen Planeten. Aber wie sind wir verbunden? (c) www.pixabay.com
Wir haben nur diesen einen Planeten. Aber wie sind wir verbunden?
Datum:
5. Juni 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 23/2018 | Andrea Thomas
Der Verkauf von fair gehandelten Produkten nach der Messe, der Informationsstand beim Pfarr- oder Schulfest, das Fastenessen oder der Sponsorenlauf – wer sich in und für die Eine-Welt-Arbeit engagiert, kennt die Sinnfrage.
Sina und Annika sind 2017 über die Senegal-Partnerschaft ihrer Schule  in das afrikanische Land gereist. Für beide eine bereichernde Erfahrung. (c) Andrea Thomas
Sina und Annika sind 2017 über die Senegal-Partnerschaft ihrer Schule in das afrikanische Land gereist. Für beide eine bereichernde Erfahrung.

Lohnt sich das und verändert das wirklich etwas für die Menschen vor Ort? Können unsere kleinen Aktionen die große Welt ein wenig gerechter machen? Für Sina Ahrens und Annika Völker stellt sich die Frage so nicht, denn einfach wegschauen ist für die 16-Jährigen auch keine Lösung. Beide besuchen die Q1 des Heilig-Geist-Gymnasiums (HGG) in Würselen-Broich. Gegründet als Schule der Spiritaner für ihren Nachwuchs, fortgeführt als Gymnasium zunächst in deren Trägerschaft und seit einigen Jahren in der der Spiritanerstiftung, weht der Geist des Missionsordens immer noch durch die Schulflure. Verbunden ist damit ein christliches Werteverständnis, zu dem auch gehört, sich für Gerechtigkeit und Frieden gerade auch für die Ärmsten einzusetzen.

 

Selbst ein Bild gemacht, wofür sie sammeln

Seit 22 Jahren engagiert sich das HGG für Projekte im Senegal und unterhält eine Partnerschaft mit der Diözese Thiès. Ein Schwerpunkt sind Schulprojekte und Patenschaften, damit Kinder zur Schule gehen können. In den vergangenen Jahren hat das Gymnasium aber auch schon den Brunnenbau, eine Produktionsstätte für Hühnerfutter oder die Neugeborenenstation im katholischen Krankenhaus von Thiès unterstützt. Gesammelt wird dafür unter anderem jedes Jahr im Rahmen eines Senegal-Aktionstages mit einem Lauf („Sponsored-Walk“) und einem Konzert („Sponsored-Rock“). Auch Sina und Annika sind seit der fünften Klasse Spendensammlerinnen aus Überzeugung.

Im vergangenen Jahr sind sie dann den nächsten Schritt mitgegangen. Mit einigen Mitschülern, Lehrern sowie der stellvertretenden Schulleiterin Maria Foerster, die die Partnerschaft betreut, reisten sie in den Senegal. Eine Erfahrung, die sie nicht missen wollen. „Die Bilder und Berichte fand ich immer schon faszinierend und die Möglichkeit, eine so andere Lebensweise und Kultur kennenzulernen“, sagt Annika. Der Senegal habe sie auf eine Weise gereizt, wie es China, wohin das HGG auch eine Partnerschaft unterhält, nie tun könne. Auch für Freundin Sina war die Reise eine Gelegenheit zu sehen, „wo unser gesammeltes Geld hingeht“, und ihren Horizont zu erweitern. Letzteres gelingt vor allem in der direkten Begegnung mit den Menschen, bei Besuchen in den unterstützten Schulen und Projekten sowie beim Gottesdienst. „Die Menschen sind sehr herzlich, wir wurden zum Beispiel von jemandem in einen Garten eingeladen, um sein Obst zu probieren“, erzählt Annika. Besondere Momente seien auch die Gottesdienste gewesen, in denen eine echte Gemeinschaft zwischen Priester und Gemeinde spürbar sei. Oder die Kinder, denen sie schon mit einfachen Seifenblasen eine riesige Freude hätten machen können. Beeindruckt hat sie, wie sehr junge Menschen dort den Schulbesuch als Privileg und Zukunftschance empfinden. „Das verändert auch die eigene Sichtweise“, sagt Sina. Eigentlich müsse jeder das mal sehen und erleben, um sich mehr zu engagieren.

 

Das ist so viel mehr als Spenden zu sammeln

Sich in die Senegalarbeit ihrer Schule einzubringen – auch, wenn das Spendensammeln manchmal frustrierend sei, wenn man zum dritten Mal ein „Nein“ bekomme – macht für Annika und Sina daher Sinn. Weil es eben nicht nur den Menschen in dem afrikanischen Land „Unterstützung, Hoffnung und Mut“ bringe, sondern sie auch selbst bereichere.

Sätze, die Maria Foerster unterstreichen kann: „Das ist so viel mehr als Spenden sammeln. Wir wollen als Schule Persönlichkeiten formen, und ich baue darauf, dass das Erfahrungen sind, die sie für ihr Leben prägen. Nur gute Worte helfen nicht, ebenso wie nur Brot zu geben, aber sie lernen, dass kleine Dinge eine große Wirkung haben.“ Eine-Welt-Arbeit ist manchmal dicke Bretter bohren, wie auch die Mitglieder der Eine-Welt-Kreise in der GdG Aachen-Nordwest wissen. Insbesondere, wenn es darum gehe, Inhalte zu vermitteln. „Auf dem Pfarrfest möchten die Leute lieber unterhalten werden“, sagt Rita Buchmüller, die sich seit den 80er Jahren in dem Bereich in St. Martinus Richterich engagiert. Zu den Schwerpunkten der Gruppen zählen außerdem der faire Handel und seit einigen Jahren verstärkt die Flüchtlingsbegleitung. Im Nachgang auf den Katholikentag haben einige Mitglieder die Möglichkeit genutzt, sich über ihr Engagement und was sie damit bewirken können, mit jemandem auszutauschen, der die Situation der Menschen in den Ländern des Südens kennt. Nidia Arrobo Rodas arbeitet seit vielen Jahren für die „Fundación Pueblo Indio del Ecuador“. Die von Bischof Leonidas Proaño („Ein Hirte nach Papst Franziskus’ Geschmack, der nach Schaf gerochen hat“, wie sie über ihn sagt) gegründete Stiftung setzt sich für die sozialen, politischen und ökologischen Belange der indigenen Bevölkerung ein. „Solidarität“ ist für die engagierte Katholikin eine der Grundvoraussetzungen für das Leben in einer Welt. Doch die Spanne zwischen dem Leben der Menschen in Deutschland und ihrer Heimat sei groß und werde eher noch größer als kleiner. „Wenn wir Jesus folgen wollen, dürfen wir nicht unterstützen, dass die Kluft zwischen den Ländern des Nordens und des Südens weiter wächst.“

Der Norden baue Mauern auf, um die Menschen aus dem Süden fernzuhalten. Sie begrüßt und schätzt daher, was Menschen, wie auch die Mitglieder der Eine-Welt-Kreise, hier bei uns für Flüchtlinge tun, ihnen mit offenen Armen zu begegnen. „Jesus war selbst ein Geflüchteter“, erinnert Nadia Arrobo Rodas. Auch der faire Handel setze wichtige positive Zeichen, um das Verhältnis zwischen den Menschen in der einen Welt zu verbessern. Für sie stecken wir in unzähligen Krisen von Finanzen über Klima und Energie bis zu Lebensmitteln und Werten, die sich alle in dem Begriff „Zivilisationskrise“ bündeln lassen. Welche Alternativen gibt es zu dieser Welt? „Als Christen müsste die Antwort eigentlich leicht sein. Wir sind dazu berufen, das Reich Gottes aufzubauen.“ Das sei nicht gleichzusetzen mit „der Kirche“.

Das Reich Gottes gehe nicht ohne Werte wie „Solidarität, Gerechtigkeit, Freiheit und Geschwisterlichkeit“, die Kirche als Institution schon. Papst Franziskus habe genau das erkannt und fordere es von uns. Für das Volk der Quechua (das in Ecuador, Bolivien, Peru, Kolumbien, Chile und Argentinien lebt) sei, so berichtet Nadia Arrobo Rodas, das Konzept des „guten Lebens“ wichtig, das in Europa jedoch häufig nicht richtig übersetzt werde. „Sie beziehen das nicht nur auf die Menschen, sondern auf Gottes gesamte Schöpfung mit all ihren Lebewesen.“ Daraus leite sich ab, dass wir unser Verhältnis zu „Mutter Erde“ verändern müssten, die uns wie eine Mutter das Leben gebe. „Wir sind ein Teil von ihr, sie besitzt uns, nicht wir sie.“ Der Kapitalismus sehe die Erde nur als Quelle für Finanzen und als Ware. Mit dieser Sicht zerstören wir ihrer Auffassung nach unseren Planeten – und zwar für alle Menschen, im Süden wie im Norden. Sie ermutigte alle in der Eine-Welt-Arbeit Aktiven, nicht locker und im Engagement nicht nachzulassen und auch politisch zu werden. Nur so könnten wir zu einem anderen Demokratieverständnis finden und zu einer Welt der Gleichberechtigung.

Nadia Arrobo Roda (c) Andrea Thomas