Gelebte Nächstenliebe

Viele engagieren sich in der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Zwei Beispiele aus Krefeld

Familie Demchenko ist froh über die Hilfe, die sie auch von Seelsorger Thomas Guntermann erfahren hat. (c) Dirk Jochmann
Familie Demchenko ist froh über die Hilfe, die sie auch von Seelsorger Thomas Guntermann erfahren hat.
Datum:
3. Aug. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 31/2022 | Chrismie Fehrmann

In den Kirchengemeinden ist Nächstenliebe nicht nur ein Wort, sie wird gelebt. Zwei aktuelle Beispiele gibt es hierfür aus Krefeld: In St. Josef in Traar, Pfarrei St. Christophorus, findet eine schwangere Mutter mit ihren fünf Kindern aus der Ukraine eine Bleibe in einem leerstehenden Pfarrhaus. In Maria Waldrast in Forstwald, Pfarrei St. Michael, können ukrainische Frauen in der Küche einer ehemaligen Altentagesstätte ihre landestypischen Gerichte kochen und ein wenig Heimat genießen. Es ist unbürokratische Hilfe am Nächsten – und die Menschen sind dankbar.

 Leben im Pfarrhaus

Im Pfarrhaus herrscht mehr als reges Leben. „Kein Wunder, wir sind eine große Familie“, sagt Tochter Margarita, die fließend englisch spricht. Sie lacht. Neben Mutter Lubor Demchemko, die jetzt bald ihr Baby bekommt, sind da noch die Kinder Anna, Veronika, Daria und Bogdan.

Die 17-Jährige ist auf dem Weg zum Sport. Sie spielt ziemlich gut Tischtennis – bisher in der zweiten ukrainischen Liga – und möchte liebend gerne einmal den deutschen Profis zusehen. „Sport spielt in meinem Leben eine große Rolle“, sagt die 17-Jährige. „Ich bin dankbar, dass ich jetzt im Sportclub Bayer 05 trainieren kann.“

Die Demchemkos leben seit März in Deutschland. Von ihrer Flucht berichtet Margarita, die eigentlich bald ihr Universitätsstudium in der Heimat beginnen wollte: „Der Krieg verhindert das“, erklärt sie. Der russische Angriffskrieg begann am 24. Februar, die Flucht der Familie am 2. März. „Bis wir uns endgültig entschlossen haben, die Heimat zu verlassen, saßen wir im Keller unseres Hauses in der Nähe von Bucha. Wir flohen vor der Hölle in der Heimat zur Bahnstation.“

Die Großmutter lebt schon länger in Krefeld. Zu ihr wollten sie fahren. „Es war nicht leicht, gemeinsam mit der großen Familie im Zug unterzukommen. Normalerweise dauert es zehn Stunden bis zur rumänischen Grenze. Während unserer Reise wurde der Zug angegriffen, rechts und links schlugen die Bomben ein. Wir brauchten zwei Tage und bekamen dort nach 48 Stunden erstmals etwas zu essen.“ Die Angst war allgegenwärtig.
Nachdem sie eine Übernachtungsmöglichkeit bei einer rumänischen Familie gefunden hatten, half diese auch, einen kostenlosen Bus für die Weiterfahrt zu finden, denn Geld hatte die Familie nicht. „Die Grenzen waren offen für die Flucht über Ungarn und Österreich. Die ungarische Grenze durften nur Menschen mit gültigen Pässen passieren.“ Nach vier Tagen waren sie in Nürnberg. Dort wartete die Großmutter im Auto und nahm Tochter und Enkel mit nach Krefeld.

Margarita: „Ich habe dann bewusst keine Nachrichten mehr gehört und gesehen. Immer denken wir an unseren Vater, der nicht mitkommen durfte und zur Verteidigung des Landes eingesetzt ist, oder an die Menschen, die das Land nicht verlassen wollen. Wenn ich erfahre, was in der Ukraine passiert, und ich an meine Freunde, meine Schule und meinen Sportclub in der Heimat erinnert werde, muss ich weinen.“
Zuerst fanden sie bei einer Familie in Traar Unterschlupf. „Wir bekamen Decken, Kleidung, Spielzeug und Fahrräder geschenkt, um zur Schule zu kommen. Wir haben uns sehr gefreut, denn wir hatten nichts.“ Dann konnten sie das Gemeindehaus beziehen und ihr Leben neu ordnen.

Ihr tatkräftiger Helfer war hier Seelsorger Thomas Guntermann als pastoraler Ansprechpartner. „Nachdem wir die Einwilligung von Kirchenvorstand, Pastoralteam und Referenten hatten, legten wir mit der Renovierung des Pfarrhauses los. Ich habe Teppichboden verlegt, und die Kinder halfen fleißig mit. Die Wohnfläche passt genau. Nun hat jedes Kind ein Zimmer, das in seiner Lieblingsfarbe gestrichen ist“, berichtet Guntermann und fragt: „Wo sollen die Flüchtlinge hin, wenn nicht in ein Pfarrhaus?“
Margarita erklärt: „Wir wollen, solange der Krieg tobt, auf jeden Fall in Krefeld bleiben.“

 Freude in der Küche

Die wöchentlichen Treffen zum Kochen bringen die Teilnehmenden ein Stück Heimat ins Pfarrheim Maria-Waldrast. (c) Dirk Jochmann
Die wöchentlichen Treffen zum Kochen bringen die Teilnehmenden ein Stück Heimat ins Pfarrheim Maria-Waldrast.

In Forstwald leben mehr als 300 Frauen, Männer und Kinder aus der Ukraine in der Unterkunft am Stockweg. Im Stadtteil haben sich viele Menschen bereiterklärt, den Geflüchteten das Leben angenehmer zu machen. Edith Furtmann, Mitglied des Leitungsteams, erzählt: „Bei einem Runden Tisch zum Thema Flüchtlinge hatten wir erfahren, dass das gelieferte Essen den ukrainischen Gaumen nicht so richtig schmeckt. Selbst kochen dürfen sie dort nicht.“

Schnell sei die Idee entstanden, den Frauen die Möglichkeit zu geben, selbst den Kochlöffel zu schwingen. Sie waren interessiert bis begeistert. Der Kochabend war geboren.
Furtmann: „Einmal in der Woche können Geflüchtete in der großen Küche der früheren Altentagesstätte im Pfarrheim Maria-Waldrast die ukrainischen Gerichte zubereiten, auf die sie Lust haben.“ Die Ehrenamtlichen vor Ort wechseln sich ab. Mittlerweile gibt es fünf Teams.

Die Frauen schreiben zuvor eine Lebensmittelliste. „Wir kaufen mit Spendengeldern für sie ein. Dann können sie gemeinsam kochen und anschließend gemeinsam essen. Wir haben alle zusammen immer viel Spaß.“ Diesmal hat Kurt Furtmann die Einkaufsliste aufs Handy bekommen und berichtet von Kohlköpfen, Rinderhack, Pute, Reis, saurer Sahne, Knoblauch und ganz viel Gemüse.

Die Freude am Herd ist den Frauen anzumerken. Die Gesichter strahlen. „Die Frauen leben hier auf“, weiß auch Edith Furtmann. Darunter sind Svetlana Kutsyna und Tochter Tanja. Letztere zeigt auf einen Kirschkuchen, der noch nicht ganz fertig ist. An diesem Abend stehen außerdem Pelmini und Borschtsch auf dem Speisezettel.

„Wir kommen aus Kharkiv, der Stadt, die eines der Hauptangriffsziele Russlands darstellte“, berichtet Kutsyna. „Wir haben 24 Stunden mit dem Bus gebraucht.“ Seit Ende Mai sind sie in Krefeld. Die Frau ist Lehrerin und denkt mit Schaudern an ihre Universität, die nach einem Bombentreffer in Schutt und Asche liegt.

Und dann geht es wieder an den Herd. Kunstvoll werden die Pelmini, die kleinen Teigtaschen, geformt, die später im heißen Wasser garen. Der ukrainische Borschtsch, der Eintopf, wird mit Rindfleisch zubereitet. Es duftet total lecker, und natürlich werden alle Anwesenden eingeladen, an den großen Tischen im Freien mitzuessen. Es schmeckt köstlich.

Wer diese Aktion unterstützen möchte mit Zeit oder auch mit einer Spende, 
die ohne Umwege direkt dort ankommt, wo sie gebraucht wird, bei den Lebensmitteln und Getränken, der melde sich im Pfarrbüro an der Hermann-Schumacher-Straße 48.  

Info

In der GdG Brüggen/Niederkrüchten organisiert ein ehrenamtliches Team aus der Weggemeinschaft Brüggen/
Bracht/Born ein Ukraine-Café. 

Das Ukraine-Café, heißt es im Juli-Pfarrbrief, sei ein Anker für die Geflüchteten. Man komme miteinander ins Gespräch, höre sich die Sorgen an und biete Unterstützung mit praktischer Hilfe an. So ist auch der „Wunschbaum“ entstanden, an den die Geflüchteten Dinge heften können, die sie sich wünschen oder benötigen und die im Gegenzug von denen abgenommen werden können, die den Wunsch erfüllen möchten. Nach der Sommerpause öffnet das Café jeweils im vierzehntägigen Wechsel wieder seine Türen.

Ab 11. August von 15 bis 16.30 Uhr im Pfarrheim Bracht, am 18. August von 14.30 bis 16.30 im Pfarrheim Brüggen. Potenzielle Unterstützerinnen und Unterstützer können mit Beate Schmitz (Bracht), Tel. 02157/90456, oder Ingrid Graw (Brüggen), Tel. 0 21 63/69 94, Kontakt aufnehmen.