Geht es so weiter, geht’s nicht mehr weiter

Den Kindergärten geht das Geld aus. Die Träger fordern eine zeitnahe und auskömmliche Anpassung der Finanzierung. Auch Fachkräfte werden knapp.

Wie hier in der Kita St. Barbara in Schophoven des Trägers profinos beteiligten sich im ganzen Bistum Einrichtungen, Kinder, Erzieher*innen und Eltern am Aktionstag „NRW bleib sozial!“. (c) Stephan Johnen
Wie hier in der Kita St. Barbara in Schophoven des Trägers profinos beteiligten sich im ganzen Bistum Einrichtungen, Kinder, Erzieher*innen und Eltern am Aktionstag „NRW bleib sozial!“.
Datum:
24. März 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 12/2024 | Stephan Johnen

Eins vorweg: Dass Erzieherinnen und Erzieher bei den jüngsten Tarifverhandlungen ein deutliches Plus zugesprochen wurde, steht nicht zur Debatte. Im Gegenteil, schließlich geht es auch um Wertschätzung für die täglich in den Einrichtungen geleistete ebenso gute wie wichtige Arbeit. 

Thomas Pick, Profinos GmbH (c) Stephan Johnen
Thomas Pick, Profinos GmbH

Doch wenn die Personalkosten steigen, die für die Finanzierung einer Kita im Kinderbildungsgesetzt „KiBiZ“ festgeschriebenen „Kindpauschalen“ diesen Schritt aber nicht entsprechend mitgehen, ist auch ohne Mathe-Diplom klar: Die Finanzierung ist nicht auskömmlich. Es fehlt Geld, und zwar eine Menge – und das nicht erst seit gestern. Langsam wird es kritisch.

„Seit August 2020 greift die Neuauflage des Kinderbildungsgesetzes, in welchem die Finanzierung der Kitas geregelt ist“, erklärt Thomas Pick, Geschäftsführer der profinos gGmbH, die 42 katholische Kindertagesstätten in den Kreisen Düren und Euskirchen und in der Städteregion Aachen betreibt. Damals wurden die Pauschalen, die abhängig vom gebuchten Betreuungsumfang sind, neu festgesetzt, weil die Finanzierung der Kitas nicht auskömmlich war. Nach einer kurzen Zeit der finanziellen Entlastungen stiegen seit 2022 jedoch die Personal- und auch Sachkosten wesentlich schneller, als die Pauschale, deren Anpassung erst im Verzug von einem bis anderthalb Jahren erfolgt, dies aufzufangen vermochte.

So stieg im Kita-Jahr 2021/22 die Pauschale beispielsweise um 0,83 Prozent, die Personalkosten aber um 1,45 Prozent. 2022/23 stieg die Pauschale um 1,02 Prozent, die Personalkosten jedoch legten 6,8 Prozent zu. Im aktuellen Kita-Jahr stiegen die Personalkosten um 8,3 Prozent, die Pauschale jedoch nur um 3,46 Prozent. Die Erhöhung der Zuschüsse für das Jahr 2024/25 um 9,65 Prozent klingt gut – allein die Tariferhöhung ab März 2024 beträgt jedoch 11,42 Prozent (EG S 8a). „Wenn das so weitergeht, werden kleine Träger ums Überleben kämpfen. Die soziale Infrastruktur in NRW wird kaputtgespart“, fordert Thomas Pick eine ebenso zeitnahe wie auskömmliche Anpassung der Kita-Finanzierung. Selbst wenn es eine Anpassung gab – die freien Träger blieben stets auf einem nicht unerheblichen Teil der gestiegenen Kosten sitzen. Im ganzen Land fehlen rund 500 Millionen Euro – angekündigt wurde ein Rettungsschirm in Höhe von 100 Millionen.

Vor anderthalb Jahren schrillten in der Dürener profinos-Geschäftsstelle die Alarmglocken angesichts der sich abzeichnenden finanziellen Schieflage, die auch alle anderen katholischen Träger von Kindertageseinrichtungen im Bistum trifft. „Seit einem Jahr gehen wir an unsere Rücklagen“, sagt Thomas Pick. 90 Prozent aller Kosten entfallen auf das Personal – angesichts des sich stetig verschärfenden Fachkräftemangels und der gesetzlichen Vorgaben gibt es an dieser Stelle keine Stellschraube, an der gedreht werden konnte. Also stellte der Träger – wenn möglich – manche geplanten Erneuerungen und Sanierungen erst einmal zurück. Ließ die Qualität es zu, wurden beispielsweise Spielgeräte, die turnusgemäß erneuert worden wären, erst einmal nur überholt und bei Bedarf repariert. Bauliche Maßnahmen wurden gestreckt oder geschoben.

„So kann man eine kurze Zeit überbrücken, aber auf Dauer wird so ein Sanierungsstau produziert“, appelliert Pick an die Landespolitik, hier nachzubessern. Etwa 250.000 bis 300.000 Euro geplanter Ausgaben wurden so „eingespart“. Vor dem Hintergrund, dass eine nicht durch Zuschüsse gedeckte Personalkostensteigerung von jeweils einem Prozent bei der profinos aber 320.000 Euro Verlust bedeutet, ist schnell klar: Die Luft wird trotz erheblicher Einsparbemühungen immer dünner. Steuert das Land nicht gegen, befürchten auch andere Träger beispielsweise Einschnitte bei den Angeboten für Kinder und Familien, die nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind und Abstriche bei der Qualität.

Die zweite große Baustelle der Kita-Träger ist die Suche nach Fachkräften. Auch hier müsse im KiBiZ den Umständen Rechnung getragen werden, dass mit dem Besuch immer jüngerer Kinder sich auch das Aufgabenspektrum der Mitarbeitenden ändert, dass viel mehr kinderpflegerische Aufgaben hinzugekommen. So dürfen keine Kinderpflegerinnen auf Fachkraftstellen eingesetzt werden, auch wenn ein Großteil der Tätigkeit eher pflegerischer als erzieherischer Natur ist. Ebenfalls Mangelware (weil nicht ausreichend gegenfinanziert) sind unterstützende Kräfte. Die zunehmende Belastung im Arbeitsalltag wirke sich auch auf die Gesundheit der Mitarbeitenden aus. „Zur Corona-Hochzeit hatten wir weniger Krankheitstage als jetzt. Aus den Auswertungen auch der Krankenkassen zeigt sich, dass die psychischen Erkrankungen zunehmen“, macht sich Pick Sorgen um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Trend, den Beschäftigungsumfang zu reduzieren, nehme – wie in fast allen Berufen – zu. „Viele Menschen verzichten lieber auf Geld – auch um sich selber zu schützen“, sagt Pick.

Die Nachfrage nach einer Ausbildung sei übrigens hoch, stellt der Geschäftsführer klar. Doch auch hier klaffe eine große Lücke zwischen den Ausbildungskosten für einen Träger und die Gegenfinanzierung seitens des Landes. „Große Träger bilden noch aus, den kleinen fällt das finanziell immer schwerer“, befürchtet Pick, dass die wirtschaftliche Abwägung zwischen dem, was auch mit Blick auf den steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen eigentlich sinnvoll wäre und dem, was unter den ohnehin schon schweren Rahmenbedingungen noch finanzierbar ist, das Problem des Fachkräftemangels wohl kaum entschärfen wird.

Aktionstag „NRW bleib sozial“

„Wir stehen auf und werden laut!“ – unter diesem Motto hat sich der Caritasverband für das Bistum Aachen im Rahmen der Aktion „NRW bleib sozial!“ der Freien Wohlfahrtspflege an die Kitaträger gewandt und einen Aktionstag ausgerufen. Am 5. März machten bistumsweit viele Kitas und Familienzentren auf die Unterfinanzierung der Kitas und die Herausforderungen für das Kita-Personal aufmerksam. Mit den Aktionen in Kitas vor Ort sollten auch die Eltern mit ins Boot geholt werden.  

Standpunkt

Horizonte gGmbH (Krefeld-Kempen/Viersen)

Auf der einen Seite haben wir einen enormen Bedarf an Betreuungsplätzen, auf der anderen Seite den Personalmangel, der jährlich steigt. Das vorhandene Personal arbeitet an der Belastungsgrenze, wegen der Ausfälle können die Fachkräfte derzeit den Bildungsanspruch nicht so umsetzen, wie es ihr Anspruch ist. Versprechungen, die den Eltern seitens der Politik gegeben wurden, wie Flexibilität, lange Öffnungszeiten und die damit verbundene Randzeitenbetreuung, können in der Praxis nicht (mehr) umgesetzt werden. Diese Bedingungen belasten sowohl die Familien als auch die Fachkräfte.

 

pro futura gGmbH (Aachen Stadt und Land)

Die Arbeit im pädagogischen Bereich ist sinnstiftend und sehr abwechslungsreich, Erzieherinnen und Erzieher und pädagogische Kräfte vermitteln Werte und tragen dazu bei, Kindern einen Ort zu schenken, an dem sie im Alltag Sicherheit und Halt finden. Die Hürden zur Einbindung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern, dabei sprechen wir beispielsweise von ausländischen Fachkräften, von im Ausland erworbenen Studienabschlüssen aber auch von therapeutischen Kräften, sind weiterhin hoch und mit langwierigen Anerkennungsprozessen verbunden. Wir haben seit 2017 die Ausbildungskapazitäten verdreifacht und investieren weiter in die Qualifikation von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern.

 

pro multis gGmbH (Mönchengladbach)

Die Finanzierung von Kitas ist seit Jahren relativ knapp bemessen, aber jetzt hat sich die Lage nochmals verschärft. Es muss sich etwas ändern – und zwar schnell. Ansonsten wird diese Unterfinanzierung massive Auswirkungen auf unseren Kita-Alltag und die Kita-Vielfalt allgemein haben. Für uns würde das beispielsweise bedeuten, dass wir herunter auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbesetzung müssten. Und das hätte wiederum zur Folge, dass es zu deutlich mehr Notbetreuungen beziehungsweise reduzierten Betreuungszeiten in unseren Kitas kommt, besonders in den Wintermonaten, in denen uns die Krankheitswellen mit voller Wucht treffen.