Geheimnisvolle Geschichte

Frisch restauriert kehrt das Scheibenfragment aus dem 14. Jahrhundert nach Hasselsweiler zurück

Diakon Manfred Kappertz und Kirchenvorstand Hiltrud Liedgens haben sich für die  Sicherung des Fragments eingesetzt. (c) Dorothée Schenk
Diakon Manfred Kappertz und Kirchenvorstand Hiltrud Liedgens haben sich für die Sicherung des Fragments eingesetzt.
Datum:
17. Aug. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 33/2022 | Dorothée Schenk

100 Jahre lag es auf dem Schrank in der Sakristei der Kirche Heilig Kreuz in Hasselsweiler. Im Dornröschenschlaf war es ungeschützt der Patina der Zeit ausgesetzt. Vor 20 Jahren wurde es wiederentdeckt, gesichert und dann wieder vergessen. Erst Diakon Manfred Kappertz erinnerte sich 2018 wieder an das Fragment und sorgte dafür, dass es jetzt an den Ursprungsort zurückkehren wird. Die wechselvolle Geschichte eines der wohl ältesten „Kirchenfensterstücke“ der Region. 

Es ist eigentlich ein kleines Wunder. „Da war doch einmal ein Stück Glasscheibe.“ Wäre bei Diakon Manfred Kappertz nicht diese Erinnerung aus den Tiefen aufgetaucht, wäre der schmucke Zeitzeuge vermutlich im Depot des Deutschen Glasmalerei-Museums Linnich verborgen geblieben. Durch Gespräche mit Kirchenvorständlern in Hasselsweiler hatte Kappertz erfahren, dass nach der Restaurierung der Kirche in den 1990er Jahren das Fragment gefunden und zur Glaswerkstatt Oidtmann nach Linnich gebracht worden war.

110 Jahre, nachdem Heinrich Oidtmann, Urvater der renommierten Glasmalwerkstatt in Linnich, im Buch „Die Rheinischen Glasmalereien vom 12. bis 16. Jahrhundert“ das Fragment als ältestes Stück der Region würdigte und beschrieb, unterstützt der gleichnamige Nachfahre Heinrich Oidtmann, der bis heute die Familienunternehmenstradition mitträgt, die Spurensuche von Diakon Manfred Kappertz.

Der Weg führt ins Deutsche Glasmalerei-Museum Linnich zur damaligen Leiterin Myriam Wierschowski, die im Depot das Scheibenstück findet. In desolatem Zustand: „Es war furchtbar instabil. Die Bleie waren gebrochen“, berichtet Kathrin Wittstadt, wissenschaftliche Leitung der Glasrestaurierungswerkstatt von der Dombauhütte zu Köln, an die Wierschowski die Kirchengemeinde vermittelt. Am 2. März 2018 wurde es in einer Holzkiste persönlich in Köln abgegeben. Es ging um Erkenntnisgewinn und Untersuchung. Und das „kostenneutral“. In „Amtshilfe“, erklärt Wittstadt, da Hasselsweiler dereinst zum Erzbistum Köln gehörte und hierhin auch seine Abgaben zahlte, und wegen des großen Engagements der Gemeinde habe man sich der Aufgabe angenommen. 

Historische Spuren bewahren

Vor der Restaurierung waren die Scheiben in desolatem Zustand. (c) Dombauhütte Köln
Vor der Restaurierung waren die Scheiben in desolatem Zustand.

Die Restauratoren Peter Berkenkopf und Mayre Maquiné beschäftigten sich intensiv mit dem Fragment: Erst galt es, die „Krusten“ der Zeit abzutragen. Zutage kamen „schöne mittelalterliche Farbfenster“. Nachdem klar war, dass die Scheibe letztlich präsentiert werden sollte, entschieden sich die Restauratoren erst einmal für das Notwendige – die Stabilisierung durch neue Bleiruten – und dann für das Optische. Es wurden als sogenannte kopistische Ergänzung fehlende Gläser und Bemalungen ergänzt. Jedes ergänzte Stück ist mit der Signatur Dombauhütte 2022 versehen. So dass zwar für den Kenner, nicht aber für den Laien sofort ersichtlich ist, dass es sich um eine Restaurierung handelt.

Es ist übrigens nicht die erste Überarbeitung, wie Luzia Schlösser beisteuert. Als „fast mystisch und symbolisch“ bezeichnet die Leiterin des Deutschen Glasmalerei-Museums Linnich, „dass die Scheibe immer in gute Hände gekommen ist – zu Menschen mit Herzblut“ und sie dadurch erhalten blieb. Nicht die „erste Garnitur der Glasmalerei“ ist dieses Fragment, aber es habe einen hohen ideellen Wert für die Kirchengemeinde und museal in der Vermittlungsarbeit. „Wir müssen historische Spuren bewahren, damit wir sie in der Gegenwart verstehen können und wir sie in die Zukunft tragen“, sagt die Museumsleiterin. Sowohl die kunsthistorische wie theologische Disziplin müsse sich Gedanken machen, was es für die Vermittlung heiße, wenn dem Betrachter die biblischen Hintergründe fehlten, denn „die Motive haben eine Botschaft“.

Vier Jahre lang hat Manfred Kappertz – während die handwerkliche Restaurierung fortschritt – neben den vielen Gesprächen mit Oidtmann in den diözesanen Archiven in Köln und Aachen dazu recherchiert und das örtliche Pfarrarchiv durchstöbert. Ohne durchschlagenden Erkenntniserfolg. Sicher ist heute, das nichts sicher ist: Die Herkunft nicht, wo es ursprünglich als Teil eines großen Fensters den Abschluss bildete, wer es gemacht hat oder gar, wer es bezahlt hat. Alles Unbekannte. Aber es gibt Rekonstruktionsversuche und grundsätzliche Überlegungen. „Wir sind im Bereich der Spekulation“, sagt Diakon Kappertz. „Wir gehen davon aus, dass es der Abschluss einer Heiligendarstellung ist.“ Hierzu wurde als Vergleichsstück in Machart, Motivik und Entstehungszeit eine Scheibe aus dem Kölner Dom herangezogen. Vorstellbar wäre nach Überlegungen von Kappertz, dass es der heilige Lupus gewesen sein könnte, denn eine Kapelle war diesem Heiligen auf Geheiß des Kölner Bischofs gewidmet worden.

Präsentation schon fest terminiert

„Die leitende Idee war, dass sich das Tageslicht durch die bunten Scheiben in ein vielfarbiges Licht verwandeln und der Kirchenraum und das religiöse Geschehen buchstäblich in einem anderen Licht erscheinen sollte“, sagt Manfred Kappertz und freut sich, dass durch die Präsentation der Scheibe nun ein Stück ihrer Funktion zurückgegeben werden kann. In diesen Tagen werden Diakon Kappertz und  Hiltrud Liedgens vom Kirchenvorstand das Fragment nach vierjähriger Restaurierungszeit aus Köln abholen.

Die Flyer sind gedruckt, die Einladungen werden geschrieben und die Dorfgemeinschaft zu diesem besonderen Moment eingeladen. Als Ehrengäste und Vortragende kommen Vertreter der Dombauhütte Köln ebenso wie Luzia Schlösser  vom Linnicher Glasmalerei-Museum. Das Fragment wird am Sonntag, 23. Oktober, ab 14 Uhr vorgestellt und in einem beleuchteten Ausstellungsrahmen unter der Orgelempore in der Kirche Heilig Kreuz installiert. 

Die Restaurierung des Fensterfragments

3 Bilder