Gedankenschleife

Eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen hat Kreuze und Bildstöcke rund um Venwegen neu sichtbar gemacht

Für Cordula Kanera-Neumann (vorne) und alle, die daran mitgewirkt haben, ist es ein Herzensprojekt. Rechts das Kreuz „Ausgeschlossen“. Durch Spiegelelemente scheint es in der Umgebung zu verschwinden, Jesus ist allein und ausgeschlossen. (c) Andrea Thomas
Für Cordula Kanera-Neumann (vorne) und alle, die daran mitgewirkt haben, ist es ein Herzensprojekt. Rechts das Kreuz „Ausgeschlossen“. Durch Spiegelelemente scheint es in der Umgebung zu verschwinden, Jesus ist allein und ausgeschlossen.
Datum:
31. Mai 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 22/2023 | Andrea Thomas

Die Pandemie hat viele vielversprechende Projekte ausgebremst. Nicht alle sind danach wieder in Fahrt gekommen. Das Projekt „Gedankenschleife“ schon. Jüngst konnte die Route, die kreativ überarbeitete Wegekreuze und Bildstöcke rund um Venwegen verbindet, eingeweiht werden. 

Die Liste der Menschen, denen Cordula Kanera-Neumann an diesem Nachmittag danke sagt, ist lang und am Ende ist die Gemeindereferentin sichtlich gerührt. Ohne all die Genannten, von den Schülerinnen und Schülern der Fachoberschule Gestaltung im Berufskolleg für Gestaltung und Technik und ihren beiden Lehrkräften über ihre drei Mitwirkenden im Team „Gedankenschleife“, Claudia Baumann, Birgit Neuner und Helmut Nießen, bis zu den ausführenden Handwerkern wäre ihr „Herzensprojekt“ vielleicht nur eine Idee geblieben, zumindest aber nicht so kreativ und stimmig umgesetzt worden.

Aber der Reihe nach: Cordula Kanera-Neumann, Gemeindereferentin in der GdG Himmelsleiter, ist gerne draußen in der Natur unterwegs. Dabei sind ihr die vielen Wegekreuze, die es zwischen Kornelimünster und Roetgen noch gibt, aufgefallen, und sie hatte den Wunsch, sie wieder etwas mehr in den Blickpunkt zu rücken. Eine Idee, mit der sie andere in der GdG ansteckte. Ursprünglich hätten sie rund um Oberforstbach anfangen wollen, doch dann sei Helmut Nießen mit seinem großen Wissen zu den Kreuzen rund um Venwegen zu ihnen gestoßen. „Also haben wir entschieden, dort zu beginnen“, erzählt sie. Auf die Anregung einer Kollegin hin entstand der Gedanke, Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Gestaltung und Technik in Aachen einzubinden. Junge Menschen, nicht unbedingt kirchennah oder sehr religiös, aber kreativ und mit einem Blick von außen auf die Kreuze am Wegesrand. Das war noch vor der Coronapandemie.

Im Frühjahr 2020 begann dann die Umsetzung – zwischen Abstand halten und Schulschließungen. Wovon sich die rund 40 beteiligten Jugendlichen und ihre beiden Lehrkräfte, Sascha Wullen und Dorette Christfreund, jedoch nicht abschrecken ließen. Für Sascha Wullen, der Religionslehre unterrichtet, war die erste Frage: Wie bringe ich meine Klasse in Verbindung mit dem Projekt? „Kreuzwege sind weit weg für Jugendliche und für unsere Schülerinnen und Schüler besonders.“ Also hat er ihnen zu vermitteln versucht, was Wegkreuze für gläubige Menschen waren und bis heute sind: Orte des stillen Gebets, an denen sich Kraft schöpfen lässt. Mit „Kraftorten“ in ihrem Leben hätten die jungen Menschen durchaus etwas anfangen können. Darüber sind sie zur Auseinandersetzung mit Transzendenz, unter anderem in der Kunst, gelangt und zu Spiritualität und Glauben. „Für die Jugendlichen stand das Kreuz zunächst für Tod und damit für Niederlage. Aber es ist ja aus christlicher Sicht mehr und steht auch für den Sieg über den Tod“, sagt Sascha Wullen. Auch wenn der christliche Glaube vielen nicht so nah sei, stecke in ihnen doch Entdeckergeist und die Neugier auf Spirituelles.

Positive Resonanz der Venwegener

Stelen mit dem Titel der Station  weisen den Weg und bieten per QR-Code  weitere Informationen. (c) Andrea Thomas
Stelen mit dem Titel der Station weisen den Weg und bieten per QR-Code weitere Informationen.

Im August 2020 waren die jungen Leute einen Tag in Kleinstgrüppchen unterwegs, um „ihr“ Kreuz kennenzulernen und Ideen zur Gestaltung zu entwickeln. Sascha Wullen hatte sie per App zu den jeweiligen Kreuzen geleitet und sie mit Informationen dazu versorgt. Dorette Christfreund, für den kreativ-gestalterischen Part zuständig, ließ sie die Kreuze und Bildstöcke von drei Seiten zeichnen, denn: „Nur was du gezeichnet hast, hast du wirklich gesehen.“ So haben sie sich immer intensiver mit den Kreuzen am Wegesrand beschäftigt, damit, was sie mit ihren eigenen Lebenserfahrungen zu tun haben. Wichtig sei gewesen, sagt Sascha Wullen, zu verstehen, „dass die Kreuze Menschen aus dem Dorf aufgestellt haben, die mit den Orten etwas verbinden, und nicht der Pfarrer.“

Die Jugendlichen haben Ideen zur Neugestaltung der Kreuze entwickelt. „Ganz frei davon, ob und wie sich ihre Entwürfe umsetzen lassen“, erklärt Cordula Kanera-Neumann. Die Umsetzung sei dann ihr Problem gewesen, sagt sie mit einem Schmunzeln. In einer Ausstellung in der Kirche haben sie die Ideen den Menschen in Venwegen vorgestellt. Die sollten mit roten und grünen Punkten zeigen, was ihnen gefällt und was nicht. „In der Mehrheit gab es grüne Punkte“, sagt Cordula Kanera-Neumann. Die Menschen im Ort seien sehr aufgeschlossen gegenüber ihrem Projekt. Geht es bei aller Kreativität der jungen Leute doch vor allem darum, die Kreuze und Bildstöcke rund um Venwegen wieder sichtbar zu machen und so ein Stück Volksglauben lebendig zu erhalten.

Jedem der Kreuze haben die Jugendlichen ein Schlagwort als Titel gegeben, das noch einmal einfangen soll, worum es ihnen geht. So hat zum Beispiel das Missionskreuz neben der Kirche St. Brigida den Titel „Seele“ erhalten und ist um einen Korpus ergänzt worden. „Mit der Figur aus Metall soll die Seele eines Menschen dargestellt werden“, schreiben die vier Jugendlichen dazu, die für den Entwurf verantwortlich sind. Andere Kreuze heißen „Umwuchert“, „Geborgenheit“ oder „Ausgeschlossen“. Der Weg entlang der Kreuze ähnelt einer liegenden Acht, dem Zeichen für Unendlichkeit, woraus sich der Titel „Gedankenschleife“ für den gesamten Kreuzweg ergab. 

Begleitheft zur „Gedankenschleife“

Im nächsten Schritt haben ortsansässige Handwerker die Entwürfe mit viel Engagement und Kreativität ausgeführt. Nicht jede Idee ließ sich eins zu eins in die Wirklichkeit übertragen. Einige Kreuze mussten angepasst werden. Was aber in einer sehr schönen Form gelungen sei, meint Cordula Kanera-Neumann. Zehn Kreuze von 15 sind inzwischen fertig. Mit Hilfe aller Beteiligten sei das Projekt immer mehr gewachsen und habe sich entwickelt. So hat Grafikerin Birgit Neuner ein Heft zur „Gedankenschleife“ gestaltet, in dem jedes Kreuz im Original, dazu der Entwurf sowie Gedanken und Informationen zu den Kreuzen festgehalten sind und das Interessierte an Stationen entlang des Weges mitnehmen können. Denn die „Gedankenschleife“ möchte entdeckt und erwandert werden.

https://gdg-himmelsleiter.de

Kreuze der Gedankenschleife

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