Seit diesem Jahr erinnert ein Pflaumenbaum auf dem Gelände des Hauses St. Josef in Eschweiler an eines der dunkelsten Kapitel in der Vergangenheit des früheren Kinderheims und der heutigen Einrichtung für Kinder-, Jugend-und Familienhilfe, aber auch daran, dass Versöhnung möglich ist.
Wo sie eigentlich einen sicheren Hafen finden sollten, sind vor allem zwischen 1951 und 1971 Heimkinder misshandelt und missbraucht worden. Geleitet wurde das Kinderheim in dieser Zeit und noch bis 1992 von Schwestern der Kongregation „Arme Dienstmägde Jesu Christi“ (Dernbacher Schwestern). Lange wollten weder der Orden, die Einrichtung noch die Pfarrei St. Peter und Paul Eschweiler als Träger das Geschehene wahrhaben.
Dass das unermessliche Leid, das Kindern dort geschehen ist, nicht mehr geleugnet, sondern anerkannt wird, ist Hermine Schneider zu verdanken. Die Aachenerin war selbst bis 1971 Heimkind in Eschweiler und hat Schlimmes gesehen und selbst erlebt. Vor zwanzig Jahren hat sie mit Protestaktionen vor Ort auf das Geschehene aufmerksam gemacht und dafür gekämpft, dass ihr und den anderen Opfern Gerechtigkeit und Anerkennung des erlittenen Unrechts zuteil wird. Es war ein kräftezehrender Kampf. Man glaubte ihr nicht, Pfarrei und Schwestern gingen juristisch gegen sie vor, bezichtigten sie der Verleumdung. Erst als ihre Geschichte in den Medien Gehör fand und sich weitere ehemalige Heimkinder meldeten, die die Vorwürfe bestätigten, wendete sich das Blatt. 2006 kam es zu einem „Friedensvertrag“, wie Hermine Schneider es ausdrückt. Zu diesem Zeitpunkt sei deutlich gewesen, juristisch „gewinnt keiner mehr“. Sie selbst hat dafür mit ihrer Gesundheit bezahlt. „Das ist an die Substanz gegangen genauso wie die Reisen und Besuche bei den anderen Opfern.“
Heute hat sie einen guten Kontakt zu den Dernbacher Schwestern ebenso wie in die Pfarrei St. Peter und Paul und zum Leitungsteam des ehemaligen Kinderheims, das inzwischen eine anerkannte Einrichtung der Kinder-, Jugend-und Familienhilfe ist mit einem Schwerpunkt auf Traumapädagogik.
Darüber ist im vergangenen Jahr auch die Idee zur Pflanzung eines Pflaumenbaums auf dem Gelände des Hauses St. Josef entstanden, den Pfarrer Michael Datené als Leiter der Pfarrei eingesegnet hat. Der Baum ist Mahnung, nicht zu vergessen, aber auch Zeichen der Versöhnung. „In meiner Zeit hat es auch Pflaumenbäume gegeben. Die reifen Pflaumen pflücken zu dürfen, gehört zu meinen schönen Erinnerungen“, sagt Hermine Schneider.
Auch über die Schwestern heute lässt sie nichts kommen. „Es gab Schwestern, die Sadistinnen waren, aber der Orden hat mich unterstützt, auch finanziell, und mit ins Gebet genommen“, erzählt sie. Trotz allem, was sie in einer kirchlichen Einrichtung erlebt hat, ist sie sehr gläubig.
Das hat ihr auch die Kraft gegeben, ihr Leben, das von dem, was ihr geschehen ist, geprägt wurde, zu meistern. Mit der Reparatur elektronischer Geräte baute sie sich eine bescheidene Existenz auf, hatte bis 2022 ein kleines Elektrogeschäft am Aachener Bushof. Daneben hat sie eine Landwirtschaft als Nebenerwerb. Mit der Pflanzung des Pflaumenbaums kann sie nun auch das düsterste Kapitel ihres Lebens für sich versöhnlich abschließen: „Der Kampf um Gerechtigkeit war nicht vergebens! Meine Seele hat nun Frieden gefunden.“