Gebraucht statt neu kaufen

Secondhand-Ware schont die Haushaltskasse und die Umwelt. Das hilft auch den Sozialkaufhäusern

Gebrauchte Kleidung ist nicht mehr nur bei Haushalten beliebt, die ein kleines Budget haben. (c) Garnet Manecke
Gebrauchte Kleidung ist nicht mehr nur bei Haushalten beliebt, die ein kleines Budget haben.
Datum:
26. Jan. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2022 | Garnet Manecke

Wie gehen wir mit den Ressourcen unseres Planeten um? Eine Frage, die sich angesichts des Klimawandels drängender denn je zuvor stellt. Hitzewellen und Flut in den vergangenen Sommern, hohe Berge von Müll und Elektroschrott, ein immer höher werdender Energiebedarf: Die Situation zwingt zum Umdenken. Das zeigt sich auch in der Nachfrage in Secondhand-Läden und bei Repair-Cafés.

Wenn Johannes Eschweiler an die Anfänge des Amos-Secondhand-Shops in Oberbruch zurückdenkt, hat sich der Kundenkreis doch sehr verändert. „Am Anfang war für die Menschen aus der Mittelschicht klar, dass sie gerne Sachen spenden“, sagt er. „Aber hier einzukaufen, war nur etwas für arme Menschen.“ Inzwischen beobachtet der Vorstand der Amos eG, dass sich der Kreis der Kunden in den Mittelstand erweitert hat. „Wir haben ein höheres Aufkommen an Kunden, und auch der Umsatz ist gestiegen“, sagt Eschweiler.

Gut erhaltene Kleidung, Geschirr und Gläser, Haushaltsgeräte, Dekorationsartikel oder Möbel: Der Handel mit Waren aus zweiter Hand boomt. Auf Online-Plattformen werden sogar Luxusartikel wie Designermode und Accessoires angeboten. Gerade während der Lockdowns in den vergangenen Jahren haben viele die Zeit genutzt, ihre Wohnungen auszumisten. Was noch zu gebrauchen war, wurde verkauft oder gespendet.

Das haben auch die Sozialkaufhäuser im Bistum Aachen gemerkt. „Auch nach der Flut, als viele Spenden in die betroffenen Gebiete gegangen sind, hat die Spendenbereitschaft für uns nicht nachgelassen“, sagt Eschweiler. Die Wiederverwertung ist ein großer Trend.
Gründe dafür gibt es mehrere. Mit dem Wachstum der Armut wächst auch die Zahl derjenigen, die mit einem kleinen Budget auskommen müssen. Diejenigen, die sich den Neukauf leisten könnten, haben oft ein anderes Motiv, hier einzukaufen: Ihnen ist bewusst, dass die Herstellung jedes Teils wieder Ressourcen erfordert, die eigentlich nicht zur Verfügung stehen. 2021 lag der „Earth Overshoot Day“ der Umweltorganisation „Global Footprint“ am 29. Juli. An diesem Tag hatte die Gesamtbevölkerung der Erde so viele Ressourcen des Planets verbraucht, wie die Welt selbst regenerieren kann.

Ressourcen von 2,9 Erden verbrauchen die Deutschen jedes Jahr mit ihrem Lebensstil

Der Retro-Boom hilft auch den Sozialkaufhäusern. Die Wiederverwendung hilft der Umwelt. (c) Garnet Manecke
Der Retro-Boom hilft auch den Sozialkaufhäusern. Die Wiederverwendung hilft der Umwelt.

Dabei ist der Ressourcenverbrauch weltweit unterschiedlich verteilt. An der Spitze des Verbrauchs stehen die USA und Australien. Würden alle Länder so leben wie diese beiden Länder, würden fünf  (USA) oder viereinhalb (Australien) Erden benötigt, hat die Umweltorganisation berechnet. Der Lebensstil der Deutschen erfordert 2,9 Erden pro Jahr. Dass die Wiederverwendung da ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, zeigt der Zeitpunkt des „Earth Overshoot Days“ 2020, der auf den 22. August fiel – drei Wochen später als 2019. Durch die weltweiten Lockdowns war sparsamer mit den Ressourcen umgegangen worden.

Der achtsame Umgang mit den Ressourcen auf der einen Seite, die Konsum- und Wegwerfmentalität einer Wohlstandsgesellschaft auf der anderen Seite: In den Sozialkaufhäusern treffen beide Seiten aufeinander. So habe die Qualität der gespendeten Kleidung abgenommen, sagt Johannes Eschweiler. „Es ist viel preiswerte Kleidung, die qualitativ nicht so hochwertig ist, dabei. Wir müssen mehr Sachen aussortieren, die nicht mehr verkäuflich sind.“

In den Sozialkaufhäusern lassen sich auch Schätzchen aus den 1950er Jahren finden

Das hat auch Gottfried Küppers, Vorstand des Caritasverbands Region Heinsberg, festgestellt. Der Anteil von Fast Fashion (Mode, die nur für eine Saison hergestellt wird) hat zugenommen. Zwei Sozialkaufhäuser betreibt die Caritas im Kreis Heinsberg: eines in der Stadt Heinsberg und eines in Übach-Palenberg. „In Übach-Palenberg kaufen überwiegend Familien mit kleinem Budget, die froh sind, günstig Kleidung zu bekommen“, sagt Küppers. Das Geschäft in Heinsberg wird wie ein ganz normales Einzelhandelsgeschäft von Kunden aller Schichten frequentiert.

Dabei haben die Kaufhäuser noch einen Trumpf, der bei Kunden beliebt ist: Da die Ware oft aus Haushaltsauflösungen stammt, haben sie immer wieder wahre Schätzchen aus den 1950er und 1960er Jahren im Angebot. „Die sind aber immer schnell weg“, sagt Küppers. „Da spielt uns der Retro-Boom in die Hände.“ Auch der Volksverein Mönchengladbach bekommt immer wieder solche Kostbarkeiten, nach denen auch Sammler suchen. „Solche Dinge verkaufen wir meist über unsere Ebay-Plattform“, sagt Peter Settele, Leiter der Secondhand-Abteilung beim Volksverein. Da lasse sich auch ein höherer Preis erzielen, was wieder der Finanzierung der Bildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose zugute kommt.

Nicht nur der Wiederverkauf steht für ein klima- und ressourcenschonendes Umdenken. Immer lauter werden die Stimmen, die fordern, dass Elektrogeräte reparierbar sein müssen. Viele sind so konstruiert, dass sie nicht geöffnet werden können. Eine Reparatur ist damit ausgeschlossen. Hersteller argumentieren, dass Entsorgen kostengünstiger ist als Reparieren. Die Ampelkoalition ist mit Plänen angetreten, das zu ändern. Zustimmung bekommt sie von Verbraucherschützern. Die Verbraucherzentrale gibt Tipps, woran man beim Kauf der Geräte erkennt, ob sie repariert werden können.

Auch in der Europäischen Union wurde mit der EU-Ökodesign-Richtlinie ein Schritt auf dem Weg zur besseren Reparierbarkeit gegangen. Seit 1. März 2021 gelten neue Regeln. So müssen Ersatzteile für Waschmaschinen zehn Jahre erhältlich sein, für Kühlgeräte gilt eine Frist von sieben Jahren. Die Reparaturen müssen mit herkömmlichem Werkzeug umsetzbar sein. Auch dass die Reparaturanleitungen frei zugänglich sind, regelt die Richtlinie.

Reparieren hat nicht nur einen praktischen Nutzen: Die Cafés sind beliebte Treffpunkte

Das Repair-Café in Erkelenz ist nicht nur Ort für Reparaturen aller Art, sondern auch ein beliebter Treffpunkt. (c) Garnet Manecke
Das Repair-Café in Erkelenz ist nicht nur Ort für Reparaturen aller Art, sondern auch ein beliebter Treffpunkt.

Dass Reparaturen nicht nur einen praktischen Nutzen, sondern auch eine soziale Komponente haben, nutzen Repair-Cafés wie das in Erkelenz. Ehrenamtlich tätige Frauen und Männer reparieren hier vom Kissenbezug über Fotoapparate bis hin zum Fahrrad fast alles, was die Gäste mitbringen.

Bevor Corona die Treffen zeitweise auf Eis legte, entwickelten sich die Repair-Cafés zu beliebten Treffpunkten, an denen es neben der Reparatur, Kaffee und Kuchen auch das eine oder andere Gespräch gab. Für die Reparierer waren die Café-Tage auch Inseln, um Neues auszuprobieren oder Fertigkeiten gezielt zu lernen. „Wir sind sehr froh, dass unser Team in der Corona-Krise nicht geschrumpft, sondern gewachsen ist. Und der Reparaturbedarf ist unverändert deutlich vorhanden“, freute sich Mitgründer Michael Kock in der Ankündigung des Café-Termins im vergangenen Oktober.

Frieda: Schwein haben

(c) Stautenhof

 Ferkel Frieda fühlt sich sauwohl auf dem Stautenhof in Willich, einem Biohof. Das Ferkel, das die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und die Katholiken-räte der Regionen Mönchengladbach und Heinsberg gekauft haben, um seinen Lebensweg lehrreich zu begleiten, bringt inzwischen fast 40 Kilo auf die Waage. Bei seiner Geburt am 23. September war es ein Winzling von 1,5 Kilo. Mit ihren elf Geschwistern ist Frieda längst aus dem Ferkelnest in den Vormaststall umgezogen. 24 Tiere leben hier. Ihre Brüder mussten inzwischen die Kastration über sich ergehen lassen. Auf dem Biohof werden die Schweine dafür narkotisiert. Auch der Speiseplan hat sich verändert. Statt Kleinschwein-Nahrung aus Milch mit Haferflocken und Getreide gibt es nun etwas Richtiges in den Trog: Ackerbohnen, Futtererbsen, Weizen und Gerste, angereichert mit Mineralfutter. Und wenn es besonders gut schmeckt, ist auch Sojakuchen dabei.


 www.projekt-schwein-haben.de