Geborgen in schwerer Zeit

In der Trauergruppe für Kinder „Düne Düren“ darf man auch laut sein, lachen und toben

Kuschelige Trauerbegleiter. (c) Andreas Drouve
Kuschelige Trauerbegleiter.
Datum:
23. Nov. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 47/2022 | Andreas Drouve

Der Gruppenraum gibt gleich beim Zutritt ein Gefühl der Geborgenheit, Wärme. Sitzkissen und gepolsterte Bänke laden ein, Platz zu nehmen. Überall liegen Plüschtiere: Bären verschiedener Größen, Elefanten, ein Hase, ein Dinosaurier. Auf dem Boden steht eine Schale, in der bei den Treffen der Kindertrauergruppe entzündete Teelichter wie Schiffchen übers Wasser treiben. 

„Bei uns darf man auch laut sein, lachen und toben, Wünsche äußern“, beugt Edeltrud Behr, die Koordinatorin des Angebots, einer eingefahrenen Vorstellung vor: „Wenn Kinder ‚Trauergruppe‘ hören, verbinden sie damit: Da weint man viel.“ Natürlich dürfen ungehemmt Tränen fließen, aber Bewältigung und Ansätze sind viel komplexer. 

Geschulte Ehrenamtler

Edeltrud Behr (rechts) ist die Koordinatorin des Projekts, Ulrike Müller (links) eine Trauerbegleiterin aus dem ehrenamtlichen Team. (c) Andreas Drouve
Edeltrud Behr (rechts) ist die Koordinatorin des Projekts, Ulrike Müller (links) eine Trauerbegleiterin aus dem ehrenamtlichen Team.

„Düne Düren“ heißt das Angebot zur Trauerbegleitung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kreis Düren. Die Kindertrauergruppe für Jungen und Mädchen von fünf bis zwölf Jahren trifft sich zwei Mal im Monat; parallel dazu die Angehörigengruppe, in der es um persönlichen Austausch, gegenseitige Unterstützung und Information über Kindertrauer geht.

Warum der Name „Düne Düren“, der irgendwie Sonne, Meer und Strand verheißt? „Eine Düne hat auch etwas Schützendes, etwas Weitläufiges. Da hat man Zeit, bei sich zu sein, zu sich zu kommen – und ist trotzdem verbunden mit der Welt“, sagt Ulrike Müller, die als Trauerbegleiterin zum Team der Ehrenamtlichen zählt. Hinter ihr und den Kollegen liegt eine intensive Schulung, die über den Zeitraum eines Jahres neun Wochenenden, Hausaufgaben und eine Abschlussarbeit umfasste. Die Qualifikation entspricht den Richtlinien des Bundesver- bandes für Trauerbegleitung.

Durch ihre Mitarbeit will Müller (68) trauernden Kindern die Unterstützung anbieten, die sie vor Jahrzehnten selbst nicht erfahren hatte. Als Vierjährige verlor sie den Vater. „Ich habe ihn lange gesucht und gedacht, er kommt wieder“, erinnert sich die pensionierte Sonderschullehrerin. Klare, offene Worte, wie man sie heute in der Kindertrauergruppe beherzigt, waren damals fremd. Als Anstoß und Ansporn für ihre Tätigkeit sieht Müller ein Zitat der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, wie es auch auf dem Flyer zur „Düne Düren“ steht: „Lange saßen sie dort und hatten es schwer. Doch sie hatten es gemeinsam schwer. Und das war ein Trost.“

Abfolge an „Ritualen“

Im Gruppenraum der Kindertrauergruppe – die Kerzen in der Bodenschale sind entzündet. (c) Andreas Drouve
Im Gruppenraum der Kindertrauergruppe – die Kerzen in der Bodenschale sind entzündet.

Eckpunkte der Treffen sind das, was Edeltrud Behr „Rituale“ nennt, beginnend mit dem Teelichtritual in der wassergefüllten Bodenschale. „Jeder sagt, für wen er die Kerze anzündet“, erklärt die 54-jährige Sozialpädagogin. Dann folgt die Erzählrunde. „Die einen erzählen viel, die anderen schweigen, weil jedes Kind mit Trauer anders umgeht“, erläutert Behr. Gut kommen die Obstrunde, bei der es Früchte und etwas zu trinken gibt, und ein kreatives Angebot an. Da kann man Steine bemalen oder eine Erinnerungskiste basteln und alles hineinstecken, was an die verstorbene Person erinnert.

Ein Ortswechsel führt vorübergehend hinab in die Turnhalle. Die Bewegung, das Herumtoben hilft, Blockaden zu lösen. „Die Kinder erzählen dann“, sagt Behr, die weiß, dass diese anders trauern als Erwachsene. Kinder katapultieren sich von einem Moment auf den nächsten aus der Trauer heraus, legen den Schalter komplett um, wollen plötzlich ein Eis essen oder etwas anderes machen. Das sind unbewusste Schutzmechanismen. „Kindern trauern solange, wie sie es ertragen können“, erklärt Behr, die als Mutter von Sternenkindern selber erfuhr, wie unterschiedlich sich Trauer bei Erwachsenen und bei Geschwisterkindern zeigt. Im Vorfeld von „Düne Düren“ hatte sie mit einer Kollegin versucht, eine Kindertrauergruppe ins Leben zu rufen. Doch ohne eine Institution im Rücken, so wie jetzt das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung Düren und Eifel, stieß sie bald an ihre Grenzen.

Wünsche und Stärkung

Zurück im Gruppenraum endet jedes Treffen mit einem Wünscheritual. Dann gibt man die Wünsche symbolisch in eine Schale und lässt das Gesagte himmelwärts steigen. Das Ziel, irgendwann die Trauergruppe zu verlassen, formuliert Pädagogin Behr so: „Ich habe Beistand und Trost erfahren, aber nun das Gefühl, stark genug zu sein, es alleine zu schaffen.“ 
Neben der Trauergruppe für Kinder bietet „Düne Düren“ eine Jugendtrauergruppe und ein Jugendtrauercafé an. Diese Gruppen sind bislang im Aufbau begriffen.

Info

(c) Düne Düren

Bildungsforum Düren, Holzstraße 50, 52349 Düren, Tel. 0 24 21/9 46 80, 
E-Mail: trauer@bildungsforum-dueren.de, Internet: www.bildungsforum-dueren.de. 
Treffen für die Kindertrauergruppe ist an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat von 17 bis 18.30 Uhr; parallel trifft sich die Angehörigengruppe. Für die Jugendtrauergruppe ist ein regelmäßiges Treffen an jedem zweiten Mittwoch im Monat von 18 bis 19.30 Uhr geplant, für das Jugendtrauercafé an jedem vierten Mittwoch im Monat von 18 bis 19.30 Uhr. 
Alle Angebote sind kostenlos.