Freude liegt in der Luft! Überall in Hasselt, Hauptstadt der belgischen Provinz Limburg, ist etwas in Bewegung, werden Fahnen ausgepackt, wird gepflanzt, poliert, renoviert, dekoriert und geplant, denn in nur wenigen Wochen sind sieben Jahre vorbei: Zeit für die „Virga Jessefeesten“ vom 11. bis 25. August unter dem aktuellen Motto „hecht zijn (stark sein, echt sein)“, ein großes Ereignis zu Ehren der Stadtpatronin, verehrt im Gnadenbild „Virga Jesse“, das in diesem Rhythmus seit 1682 stattfindet und den gesamten Ort – man erwartet rund 150000 Gäste – unter dem Lächeln einer kleinen, nur 100 Zentimeter großen, aus Eichenholz geschnitzten Gottesmutter mit dem Christusknaben auf dem Arm aus dem 14. Jahrhundert, zusammenführt.
Ihre Wangen sind rosig und rund, sie verbindet heitere Frömmigkeit mit Mütterlichkeit. Bei der Bemalung leuchtet auf dem schlichten Kleid ein kostbar gestalteter Stoff – über cremefarbenem Grund verteilen sich goldene Punkte, dahinter bietet der Faltenwurf den Blick auf sattes Rot. Die Statue steht in der Basilika Virga Jesse, nur ein paar Schritte entfernt von der Sankt-Quintinus-Kathedrale in der Innenstadt. Ganz Hasselt bereitet sich vor auf die 47. „Virga Jessefeesten“.
Seit 340 Jahren gibt es das fromme Spektakel. Bereits im Jahr 1334 hat die bis heute bestehende „Bruderschaft Unserer Lieben Frau“ eine Kapelle zur Verehrung der Statue gebaut, die vielfach mit Wundern, mit der Rettung von Menschen in großer Not, in Verbindung gebracht wird. 1740 hat man die heutige Kirche fertiggestellt. Im Krieg 1944 wird das Gebäude durch eine V1-Rakete schwer beschädigt. In den Trümmern finden die Hasselter die Skulptur der Gottesmutter – nahezu unbeschädigt, ein Zeichen der Hoffnung, viele sagen, ein weiteres Wunder.
Aktuell gibt es acht Planungsgruppen mit etwa 1500 Teilnehmern, die sich seit Jahren von Marias Lebensgeschichte inspirieren lassen, und das in Umzügen, den Kern-Ereignissen des Festes, zeigen: in Gesang, Tanz, Theaterbeiträgen, Kostümen und nicht zuletzt durch prächtig geschmückte Wagen – vielfach Leihgaben von den Karnevalisten. Wer zu den Feierlichkeiten kommt, ist hautnah verbunden mit Stolz und Tradition, dem herzlichen Miteinander, künstlerischen Ideen und nicht zuletzt mit der Feierlaune der Einwohner. Denn die „Virga Jessefeesten“ sind Feiern frommer Bürgerlichkeit, wie Luc Smeets (65) betont. Vor dem Ruhestand war er Mitarbeiter des Arbeitsamtes, nun ist er Leiter des Organisationsteams (Comité van de Zevenjaarlijkse Virga Jessefeesten) und inzwischen Vorsitzender der Euregio-Arbeitsgruppe. Smeets: „Wir sind da unabhängig, das kann man mit Strukturen wie einer Heiligtumsfahrt Aachen nicht vergleichen“, betont er. Der Euregio-Arbeitsgruppe gehören Vertreter der Siebenjahresfeiern von Hasselt, Tongeren, Maastricht, Susteren und Aachen an. Den Vorsitz führt jeweils das Komitee, in dessen Stadt das nächste Ereignis stattfindet.
Nachdem man in Tongeren das „Krönungsfest“ gefeiert hat, ist nun Hasselt mit „Virga Jesse“ an der Reihe. Bei der Stabübergabe stellt Smeets bereits fest: „Die Stärke liegt in der Zusammenarbeit zwischen Initiatoren, Bewohnern, Verbänden, Kommune und Regierungen, die gemeinsam diese Feiern der Verbundenheit und Authentizität auf dem neuesten Stand halten.“ Die Feiern von Tongeren und Hasselt gehören seit 2009 zum Immateriellen Kulturerbe Flanderns.
„Virga Jesse“? Gemeint ist die „Wurzel Jesse“, die in der Heiligen Schrift beim Propheten Jesaja (Jes 11,1–10) benannt wird und von der Abstammung Jesu aus dem Hause König Davids erzählt. Urvater „Jesse“ (Isaï) wird bei Altärbildern gern schlafend in der Wurzel des Stammbaums Jesu gezeigt.
Die „Virga Jessefeesten“ sind ein bürgerliches Ereignis nah an den Menschen. „Natürlich wird unser Bischof Patrick Hoogmartens kommen, beten wir und feiern Gottesdienste, aber finanziert wird alles durch Spenden, es gibt nur kleine Zuschüsse, die Stadt Hasselt hilft uns sehr, schließlich braucht man ein umfangreiches Sicherungskonzept, Straßensperren und mehr“, erklärt Smeets. Im Vordergrund stehen das Engagement, die Freude, alle sieben Jahre eine facettenreiche und gegenwärtige Gestaltung zu entwickeln, die mit frischen Ideen auf die Patronin blickt, die so viel Ausstrahlung hat. „Es tut mir gut, sie anzuschauen, man wird irgendwie zufriedener, ruhiger“, schildert Smeets seine Faszination.
Willkommen ist jedermann bei den Umzügen, dem „Virga Jesseommegang“ am 15. und 18. August (Beginn jeweils 14 Uhr) sowie am Samstag, 24. August, mit Lichterprozession ab 19.30 Uhr. Die Straßen werden von den „Rotten“, Hasselter Straßenkomitees, mit Fahnen, Blumen und Kunstwerken geschmückt. An jedem Abend gibt es eine Andacht zur Verschließung der Kirche mit dem Gnadenbild (etwa 22.30 Uhr).
Beliebtes Highlight ist der Umzug am Montag, 19. August, 10 Uhr, an dem ein mit etwa fünf Metern extrem hochgewachsener Ehrengast teilnimmt: Don Christoph, der „Langeman“, Reus (Riese), von Hasselt, in silbern glänzender Rüstung, der seine Holz(-Schlaf)kiste im Stadtmuseum verlässt und die Menschen nach dem Umzug mit Erbsensuppe an der Basilika stärkt. Die Legende sagt, ein spanischer Adeliger habe im 16. Jahrhundert bei einer Hungersnot Erbsensuppe unter der Bevölkerung verteilt, es soll sich aber um das Vermächtnis eines in Zonhoven ansässigen Bürgers namens Hendrik Dries handeln. Den „Riesen“ Don Christoph, der bei keiner Prozession fehlen darf, schuf 1810 der belgische Hofkünstler Melchior Tieleman (1784–1864).
„Virga Jessefeesten“ verbindet die Generationen. So gibt es nicht nur ein Gymnasium in der Stadt, das den Namen Virga Jesse trägt, die Organisatoren haben eine umfangreiche Themenmappe erstellt, mit der an Schule und Universität gearbeitet wird – historisch und gegenwärtig, denn die Fragestellungen beschäftigen sich mit sozialen Themen und den „modernen Wundern“ unserer Zeit unter dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Wichtig ist gleichfalls die Brücke zur Kunst, sagt der Künstler Koen Lemmens, Jahrgang 1963, aus Lommel, der die Wallfahrtskerzen mit seinen Bildern zu den acht Themengruppen des Organisationsteams modern gestaltet.
Ganz Hasselt feiert die „Virga Jessefeesten“ – auch das Stadtmuseum (Het Stadsmus, Guido Gezellestraat 2), untergebracht in zwei Patrizierhäusern aus dem 17. und 19. Jahrhundert, das die kostbare Krone der Marienstatue aufbewahrt, sowie das Fashion Museum Hasselt (Gasthuis-straat 11). „Dort denken wir an die Mütter der Welt und deren Kleider in Verbindung zur Gottesmutter von Hasselt“, freut sich Smeets.
Wer sich einen nummerierten Sitzplatz auf dem Kolonel Dusartplein wünscht, sollte zeitig online buchen (shop.virgajessefeesten.be).
Alle Informationen: Virga Jessesecretariaat, Guffenslaan 27A, B-3500 Hasselt, Tel. 00 32/11/35 07 15, E-Mail: 2024@virgajessefeesten.be, Internet: www.virgajessefeesten.be.