Füreinander dableiben

Corona verändert derzeit das Gemeindeleben vor Ort, schenkt aber auch gute neue Erfahrungen

Pfarrer Michael Datené zeichnet seine Gottesdienste auf und streamt sie über YouTube und die Internetseite der Pfarrei. (c) Andrea Thomas
Pfarrer Michael Datené zeichnet seine Gottesdienste auf und streamt sie über YouTube und die Internetseite der Pfarrei.
Datum:
31. März 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2020 | Andrea Thomas

„Wir bleiben zu Hause“, lautet seit zwei Wochen die Ansage. Wer nicht unbedingt muss, ist angehalten, in den eigenen vier Wänden zu bleiben und Kontakte mit anderen zu minimieren. Die Herausforderung – auch für Gemeinden und Institutionen in den Bistumsregionen Aachen-Stadt und -Land – ist nun, dass aus „sozialer Distanzierung“ keine soziale Kälte wird. Wie kann das aussehen? Wie werden Hilfsangebote angenommen? Welche Erfahrungen machen die, die sich hier engagieren?

Normalerweise ist man in der Aachener Citykirche auch außerhalb einer Veranstaltung selten allein. Menschen schauen rein, um eine Kerze anzuzünden, sich eine der wechselnden Ausstellungen anzuschauen oder eines der hier angedockten Gesprächsangebote zu nutzen. „Zurzeit sind es nur sehr wenige, die kommen“, sagt Pfarrer Timotheus Eller, katholischer Seelsorger in der Citypastoral und derzeit Administrator der Innenstadtpfarrei „Franziska von Aachen“. Was auch gut sei.

„Wir halten die Kirchen in der Innenstadt offen für die, denen es wichtig ist, aber man sollte nur reinschauen, wenn man eh unterwegs ist, und unnötige Gänge vermeiden“, appelliert er an die Besucher. Wer dies beherzige, sei eingeladen, hereinzukommen, auch wenn er das sonst vielleicht nicht tue, um kurz zu beten oder eine Kerze anzuzünden, wenn nicht für sich, dann vielleicht für jemand anderen. „Zum Beispiel einen älteren Angehörigen. Wenn man das dann noch mit einem kurzen Anruf verbindet, schafft das ein Stück Nähe.“ Er selbst zeigt auch weiter Präsenz, aber mit Abstand. „In dem Sich-freundlich-Zunicken liegt so viel drin“, sagt Timotheus Eller. Etwas, dass er in diesen Zeiten als sehr berührend und stärkend empfindet.

Daneben steht sein Telefon in diesen Tagen selten still. Das reicht von der Frage nach Veranstaltungen, die er höflich abbiegt, über Fragen von Gemeindemitgliedern, die zum Glück wüssten, wie das derzeit ist, und auch auf eine E-Mail auswichen, bis zu Menschen, die Rat und Hilfe suchen. Letztere versucht er, wo es geht, weiter zu verweisen, zum Beispiel an das Beratungszentrum für Ehe, Familien-, Lebens- und Glaubensfragen, das telefonische Beratung anbietet. „Mir ist schon wichtig, das nachzuverfolgen, aber es muss nicht einer alles leisten. Da kommt es jetzt auch auf eine gute Vernetzung und gegenseitige Unterstützung an.“ Wichtig sei, im Gespräch zu bleiben, um denen, die es brauchten, Hilfen anzubieten, aber auch Ideen gut zu durchdenken, wie etwas in einer vernünftigen Form gehen kann. So könne man, wenn man sowieso unterwegs sei, zum Beispiel jemanden ganz konkret ansprechen und anbieten, ihm etwas mitzubringen.


„Ansprechbar“ am Telefon

Eines der Gesprächsangebote, das ein festes Zuhause an der Citykirche gefunden hat, ist „Ansprechbar“. Wie so vieles, ist es derzeit nicht in der gewohnten Form möglich. Erreichbar und ansprechbar möchte das Team um Pfarrer Hans-Georg Schornstein gerade aber auch in diesen schwierigen Zeiten bleiben, weshalb es das Angebot nun telefonisch aufrechter hält. Noch stecke das etwas in den Kinderschuhen. „Anrufe auf der Citykirchen-Nummer werden jetzt auf mein Telefon in Richterich umgeleitet. Da will ich noch auf ein Mobiltelefon umstellen, um besser erreichbar zu sein“, erläutert Pfarrer Schornstein.

Die Zahl der Anrufer war zum Start noch ausbaufähig. „Die Telefon-Seelsorge ist bekannter, weshalb viele sich vielleicht zunächst dorthin wenden, oder jetzt, wo viele daheim sind, findet sich auch eher ein Ansprechpartner im privaten Umfeld“, mutmaßt er. Das werde aber, je länger die jetzige Situation andauere und die Isolation vieler Menschen sich auswirke, sicherlich mehr werden. Da müssten sich die verschiedenen Angebote, auch über das Bistum, noch besser vernetzen, damit Hilfesuchende Ansprechpartner finden.

Ganz konkrete Hilfe bieten auch verschiedene Einkaufsdienste und Lieferservices für Menschen, die derzeit nicht selbst hinaus können oder dürfen. Das Angebot reicht von Studierenden der katholischen Hochschulgemeinde über Messdienergruppen oder Jugendeinrichtungen in den Gemeinden bis zur Seniorenhilfe der Malteser in Aachen-Richterich. Letzterer wird von Petra Vonhoegen koordiniert, die einen Einblick gibt, dass das, was so simpel klingt, durchaus mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. 

 

Menschliche Nähe trotz Distanz

Vor dem ersten Einkauf klärt sie mit den Senioren zunächst die Formalitäten, nimmt ihre Daten auf, informiert zum Datenschutz und vereinbart mit ihnen die Ausstellung eines Sepa-Mandats. „Was selbstverständlich auf die Coronazeit beschränkt bleibt. Aber da wir das über Rechnung machen, ist das der einfachste Weg“, sagt sie. Viele Ältere hätten das gerne etwas formloser, würden aber auch verstehen, dass dies ihrem und dem Schutz der ehrenamtlichen Helfer diene. Außerdem sei der Papierkram mit dem ersten Einkauf zum größten Teil geregelt, danach werde es einfacher.

Bislang funktioniert das so, dass sie die Anfragen sammelt und zwei Mal in der Woche (mittwochs und freitags) in die Metro fährt. Ehrenamtliche bringen die Einkäufe dann bis zur Haustür, stellen sie dort ab, mit gebührendem Abstand kontrollieren beide Seiten, ob alles in Ordnung ist, der Kunde bekommt eine Inforechnung und später dann Bescheid, wenn der Betrag abgebucht wird. Eventuell müssten sie das mit steigender Nachfrage noch etwas anpassen, aber mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen sei das schon eine gute Sache. Überhaupt sei es schön zu sehen, wie viel Dinge im Moment vor Ort entstünden. „Das einzig Gute an der Situation ist, dass Leute sich besinnen und rechts und links um sich schauen, wo sie sonst dran vorbeigeschaut hätten“, sagt Petra Vonhoegen. Das mache Freude und Mut gleichermaßen.

Sozialer Distanzierung entgegenzuwirken, das bedeutet für einige Pfarreien auch, sich in einen Bereich zu wagen, mit dem sie sich bislang eher weniger beschäftigt haben: die sozialen Medien und ihre Möglichkeiten. So zeichnet Pfarrer Michael Datené seit Kurzem seine Gottesdienste mit seinem Tablet auf, um sie dann bei Youtube und auf der Internetseite einzustellen. Allein Gottesdienst zu feiern, sei ihm nicht fremd, sich dabei aufzunehmen noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch ein gutes Gefühl: „Das ist schon besonders, im Gedanken bei den Menschen zu sein, die ich nicht vor meinen Augen, aber in meinem Herzen habe.“ Neuland hat in der Coronakrise auch die Pfarrei St. Willibrord betreten, die jetzt bei Facebook ist. „Die Resonanz hat uns total überrascht“, erklärt Gemeindereferent Mario Hellebrand, einer der Administratoren. Schon nach kurzer Zeit zählte die Seite gut 380 Abonnenten, wurden die Beiträge mehrere hundert Mal angeklickt. So macht die Krise auch Mut, einfach mal was zu wagen, muss ja nicht perfekt sein – nur von Herzen kommen.

Unterstützung

Beispiele für Hilfsangebote in den Aachener Regionen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Weitere, neue Angebote auf den Seiten der Pfarreien im Netz.


Öcher Einkaufsdienst: Studierende der katholischen Hochschulgemeinde in Aachen übernehmen Einkäufe und Besorgungen. Um Menschen aus der Risikogruppe zu schützen, werden die Einkäufe sowie evt. Wechselgeld vorsorglich gewaschen. Wer nicht selbst aus dem Haus kann, kann sich per E-Mail (sommerfest.h15@gmail.com) oder Telefon (01 73/8 03 44 07) melden.


Einkaufsdienst der Malteser Seniorenberatung: Für Menschen in Richterich, Horbach und Laurensberg, die die eigenen vier Wände nicht verlassen können und keine familiäre oder sonstige Unterstützung haben, bietet die Seniorenberatung der Malteser in Aachen einen Einkaufs-Service an. Interessierte können sich montags und dienstags von 8.30 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 17 Uhr melden unter Tel. 02 41/ 99 73 84 00.


Coronahilfe des Mobilé Aachen-Brand: Junge Menschen aus St. Donatus und einige erwachsene Freiwillige bieten ihre Dienste an. Sei es, dass jemand, der nicht aus dem Haus kann, etwas eingekauft haben muss oder jemand einen guten Rat oder jemanden zum Reden braucht – ein Anruf genügt. Die Helfer im Mobilé St.Donatus sind montags bis freitags von 11 bis 13 Uhr unter der Rufnummer 02 41/52 19 65 erreichbar.


Einkaufsdienst der Messdiener St. Peter und Paul Eschweiler: Das Angebot richtet sich insbesondere an ältere Menschen oder solche mit einer Vorerkrankung, die das Haus nicht verlassen sollen. Interessierte können sich täglich zwischen 9 und 18 Uhr unter Tel. 0 24 03/8 30 91 44 melden. Die Jugendlichen vereinbaren einen Termin und bringen die Einkäufe an die Haustür. 


„Zack und Pack“ der KOT und der Messdiener St. Castor Alsdorf: Die jungen Leute übernehmen Einkäufe und Besorgungen im Supermarkt, in der Apotheke oder beim Bäcker. Absprachen sind möglich montags bis freitags zwischen 12 und 14 Uhr unter der Rufnummer 0 24 04/2 15 15.


„Ansprechbar“ am Telefon: Wer in diesen schwierigen Zeiten jemanden zum Reden braucht, dem steht das Angebot „Ansprechbar“ auch telefonisch mit einem offenen Ohr zur Seite. Wünsche nach einem Gespräch können über die E-Mail: kontakt@ansprechbar.ac oder telefonisch unter 0241/4015445 (Anrufbeantworter) angemeldet werden. Hans-Georg Schornstein und sein Team rufen zurück.

So sind Menschen für andere da

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