Für eine klare Einwanderungspolitik

Stimmen aus Kommunalpolitik und Kirche

(c) Daniel Schludi/unsplash.com
Datum:
6. Nov. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2024

Sibylle Keupen ,Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen

(c) Bistum Aachen/Andreas Steindl

Wir brauchen Fachkräfte, und es wird immer deutlicher, dass wir unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft nur sichern können, wenn wir offen und aktiv auf qualifizierte Menschen zugehen – Menschen, die bereit sind, hier zu leben, zu arbeiten und sich in unsere Gesellschaft einzubringen.

Deshalb ist es entscheidend, dass wir Integration als eine zentrale Aufgabe begreifen. Das bedeutet nicht nur Unterstützung beim Ankommen, sondern auch niedrigschwellige Zugänge zum Arbeitsmarkt. Wir wollen, dass Menschen schnell die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten und Talente einzubringen, um eigenständig zu werden und eine Perspektive für sich und ihre Familien zu entwickeln. Unsere Stadt wird alles daransetzen, Hürden abzubauen und Integration zu fördern.

 

Das Recht auf Schutz und Asyl ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie und Ausdruck unserer humanitären Verantwortung. Dieses Recht gilt es zu schützen. Gleichzeitig brauchen wir eine klare und geordnete Einwanderungspolitik.

Wir setzen uns daher für ein modernes Einwanderungsgesetz ein, das es Menschen ermöglicht, in geregelten Verfahren zu uns zu kommen – mit gesicherter Perspektive und unter fairen Bedingungen. Ein solches Gesetz ist nicht nur im Interesse derjenigen, die ein neues Zuhause suchen, sondern auch im Interesse unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Es schafft Transparenz, Planungssicherheit und Ordnung.

Frank Peter Ullrich, Bürgermeister der Stadt Düren

(c) Stephan Johnen

Das gesamte Asylverfahren in seiner derzeitigen Form leidet darunter, dass wir in Deutschland gar nicht darauf achten, welche Ressourcen wir dort haben, wo die Menschen versorgt werden. Der Bund lässt die asylsuchenden Menschen rein, sie werden auf die Bundesländer verteilt und dann weiter auf die Städte und Gemeinden. Die Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) schaffen dabei eine gewisse Entlastung und Verteilungssicherheit. Das verschafft uns Luft und Zeit.

Aber auch für eine Stadt wie Düren, auf deren Gebiet es eine ZUE gibt, bleibt das Thema Flucht eine große Herausforderung. Bisher ist es mit einer großen Solidarität in unserer Stadt gelungen, beispielsweise die Hälfte der 1400 ukrainischen Kriegsgeflüchteten in privatem Wohnraum unterzubringen. Die andere Hälfte konnten wir als Stadt versorgen. Aber Solidarität alleine wird nicht reichen. Sollten je nach Verlauf des Krieges weitere Flüchtlingswellen kommen, wird es ganz schwierig. Viele umliegende Städte und Gemeinden sind jetzt schon überfordert, ohne eigenes Verschulden. Es werden Busse mit Menschen geschickt , ohne dass wir sicherstellen können, dass diese Menschen auch ordentlich untergebracht werden können. Das schafft Spannungen. Unsere Aufgabe ist es, Asylberechtigte zu schützen, ihnen eine angemessene Unterkunft zu geben und ihnen zu helfen. Wenn das nicht mehr gelingt, dann müssen wir in Deutschland sagen, es geht nicht mehr.

Andreas Funke, Leiter der Abteilung Diakonische Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat

(c) Bistum Aachen/Andreas Steindl

Aus christlicher und diakonischer Perspektive liegen die drängendsten Probleme bei der Unterbringung und Versorgung, Traumatisierung und psychischer Unterstützung, rechtlichen Unsicherheiten und langwierigen Asylverfahren.

Viele Kommunen und Hilfsorganisationen sind überlastet, und es fehlen angemessene Unterkünfte. Dies führt oft zu überfüllten Einrichtungen und beengt lebenden Menschen, was das soziale und psychische Wohlbefinden stark beeinträchtigt.

Viele Geflüchtete haben traumatische Erlebnisse hinter sich und sind auch während der Flucht Misshandlungen, Gewalt oder extremer Not ausgesetzt gewesen. Die psychologische und soziale Betreuung ist oft unzureichend, und der Bedarf an Traumatherapie und Unterstützung im Alltag ist groß.

Lange Bearbeitungszeiten und unsichere Rechtslagen belasten viele Geflüchtete zusätzlich. Rechtliche Hürden erschweren es den Betroffenen, sich eine Existenz aufzubauen, die sie am neuen Ort tatsächlich integriert.

Aber: Vielerorts leisten kirchliche Gruppen, Ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Organisationen großartige Arbeit zur Unterstützung Geflüchteter. Kirchliche Initiativen schaffen Begegnungsmöglichkeiten, Sprach- und Bildungsangebote und bieten sozialen Rückhalt, der den Geflüchteten hilft, sich in einer fremden Kultur zu orientieren und anzukommen.

Die politische Debatte wird derzeit häufig von polarisierenden Tönen geprägt, was oft zu Abschottungspolitik und Vereinfachungen in der Darstellung der Fluchtursachen führt. Kirchliche Stimmen fordern hier einen ausgewogenen, menschenwürdigen Umgang mit Migration und eine Sachpolitik, die weniger Ängste schürt und mehr auf Integration setzt. Die Instrumentalisierung von Migration in der Politik führt oft zu Maßnahmen, die Geflüchtete in die Unsichtbarkeit drängen oder ihre Rechte einschränken.

Wir brauchen aber eine sachliche Auseinandersetzung über Grenzen der Migration. Es gibt aus physischer und logistischer Sicht eine Grenze der Kapazitäten in den Bereichen Unterbringung, sozialer Infrastruktur und Integrationsressourcen. Allerdings muss eine solche Debatte, die auf einer christlichen Grundlage geführt wird, stets die unantastbare Würde eines jeden Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die christliche Perspektive erinnert daran, dass Solidarität und Nächstenliebe keine Obergrenze haben. Eine pauschale Begrenzung der Migration ohne Rücksicht auf Einzelschicksale widerspricht dieser Haltung.