Für ein Kreuz ohne Haken

Die katholische Kinder- und Jugendarbeit in Krefeld hisst Banner

vorne Tim von der Heiden, Christel Bähner-Hox, Martina Specker, Jochen Schneller; hinten- Sabine Hundt, Ursula Hakes, Thomas Jansen, Christoph von der Beek, Jürgen Weiland (vlnr) (c) Ann-Katrin Roscheck
vorne Tim von der Heiden, Christel Bähner-Hox, Martina Specker, Jochen Schneller; hinten- Sabine Hundt, Ursula Hakes, Thomas Jansen, Christoph von der Beek, Jürgen Weiland (vlnr)
Datum:
15. Sep. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 37/2021 | Ann-Katrin Roscheck

„Wir schaffen die Orte, an denen Begegnungsräume aufgebrochen werden. Bei uns kommen Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, Nationalitäten und Religionen zusammen und lernen sich kennen“, sagt Martina Specker vom Canapee Krefeld-Süd. „Diese Chance müssen wir nutzen. Wir leisten Bildungsarbeit – auch gegen rechts.“ 

Die zehn offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen in katholischer Trägerschaft in der Region Krefeld haben sich kurz vor der Bundestagswahl zusammengeschlossen, um im Rahmen einer Banner-Aktion eine aktive Haltung für Gleichberechtigung, Vielfalt und Menschenwürde öffentlich zu zeigen und sich damit gegen rechtsextreme Sprüche, provokante Schmierereien oder rechte Beleidigungen zu stellen. „Das entspricht unserem christlichen Menschenbild“, bemerkt Ursula Hakes aus dem Casablanca in Oppum. „Wir leben diese Werte in unseren Einrichtungen, möchten aber auch durch die Banner provozieren und mit den Menschen ins Gespräch kommen.“

Dafür haben sich die Teams der Einrichtungen selbst abgebildet: Von jedem Banner lächeln die Ansprechpartner aus den jeweiligen Einrichtungen die Passanten an. „Für uns ist das ein Türöffner“, unterstreicht Jürgen Weiland vom Jugendzentrum Fischeln. „Ich habe die Hecke geschnitten, und ein altes Ehepaar hat mich gefragt, ob ich das auf dem Banner sei. Danach entstand ein Gespräch, und ich konnte unsere Motive erklären.“ Auch für die Kinder und Jugendlichen seien die Banner Anlass, um in den Dialog zu treten. Ein junger Mann kam aufgebracht ins innerstädtische Café Oje und schmiss Jugendleiterin Christel Bähner-Hox die Worte entgegen: „Seid ihr jetzt für das Hakenkreuz?“ Auch sie nutzte die Chance. „Ich erlebe, dass viele Jugendliche hier überhaupt nicht wissen, was das Hakenkreuz überhaupt ist, und welche Geschichte dahintersteht. Wir können uns in der Jugendarbeit die Zeit nehmen, Politik und Gesellschaft zu erklären und so unserem Auftrag für außerschulische Bildung nachkommen.“ 
Für Thomas Jansen, der mit der mobilen Einrichtung „Mobifant“ im Stadtgebiet unterwegs ist, nimmt dieser Bildungsauftrag eine immer größere Rolle ein. Die Jugendzentren leben nicht nur durch die Schaffung von Bewegungsräumen, Demokratie, Toleranz und Offenheit im Alltag, sie bieten auch besondere Projekte an. Jansen veranstaltete vor rund zwei Jahren einen Workshop zum Thema „Fake News“ mit Jugendlichen. Über Kameraschnitttechniken lernten sie, wie einfach es ist, Zitate aus dem Zusammenhang zu nehmen und sie in einen anderen Sachbezug zu setzen. „Wir brechen damit auch familiäre Strukturen auf“, erzählt er. „Wenn in den Familien Politik nicht vorkommt oder die Eltern selbst noch nie gewählt haben, dann brauchen die Kinder Input, um selbst aktiv werden zu können.“

Einen ähnlichen Ursprung habe das Phänomen des zunehmenden Alltagsrassismus in den Einrichtungen, erklärt Jugendseelsorger Christoph von der Beek. Sowohl in Schulen als auch in Jugendeinrichtungen falle ihm immer wieder auf, dass „Du Jude“ oder „Du Flüchtling“ unbedarft als Schimpfwort unter den Jugendlichen genutzt werde. „Ihnen ist oft nicht bewusst, was sie hier sagen. Sie haben diese Sprüche auf der Straße oder im familiären Kontext aufgegriffen“, erklärt er. „Unsere Aufgabe ist es, den Jugendlichen die Zusammenhänge zu erklären. So stärken wir sie in ihrer Persönlichkeit.“

Diese Stärkung, schließt Ursula Hakes ab, sei das Allerwichtigste, das die offene Kinder- und Jugendarbeit den Besuchern der verschiedenen Jugendhäusern mit auf den Weg geben könne: „Wenn wir es schaffen, dass sie sich selbst als Person wertschätzen, dann können sie auch Menschen, die anders sind, besser annehmen.“ Am Anfang des Tages, schildert die Krefelderin, begegneten sich im Jugendhaus ein Mädchen mit blonden und ein Mädchen mit schwarzen Haaren. „Am Ende des Tages aber“, sagt Hakes, „verlassen die beiden Mädchen das Haus als Freundinnen. Denn sie haben festgestellt, dass, obwohl sie sich vielleicht in manchen Dingen unterscheiden, sie vor allem viele Gemeinsamkeiten haben.“ 

Die Banner der Katholischen Jugendarbeit Krefeld

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