Der Blick fällt vom Hauptportal der Kirche St. Matthias nach rechts, über die Mauern des kleinen gepflegten Friedhofs hinweg, auf die in der Sonne glitzernden Wellen des Rheins. Es ist ruhig an diesem heißen Nachmittag in Krefeld-Hohenbudberg – beinahe zu ruhig rund um die gotische dreischiffige Basilika mit dem dreigeschossigen Turm. Sie wurde 1150 zum ersten Mal erwähnt.
Das relativ kleine Gotteshaus, das der frühere Pastor Josef Müllers als das älteste in Krefeld bezeichnete, steht dort ziemlich einsam in der Nähe des großen Stroms. Es ist aber keineswegs alleine. Brautpaare lieben es, die Menschen besuchen es rege und die Hüter des Hauses verteidigen es, komme, was da wolle. Und das war im Laufe der knapp 900 Jahre alten Geschichte nicht gerade wenig.
Heiner Schmitz, Kirchenvorstand der GdG St. Nikolaus, zu der St. Matthias gehört, ist einer der Männer, die sich ein Leben ohne diese Kirche mit ihren Reliquien ihres Heiligen und ihrer lebendigen Geschichte nicht vorstellen können. Der Arzt ist in Hohenbudberg groß geworden und hat die Anekdoten und vor allem die Schlüssel und Informationen zum Gotteshaus parat, das mit seiner Familiengeschichte eng verwoben ist. Ein Beispiel: „Mein Ururgroßonkel Hermann Jakob Schmitz war hier über 50 Jahre Priester.“
Eigentlich habe er auch römische Wurzeln, meint der 73-Jährige und lächelt. Der Grund: Einige begründete Vermutungen gehen dahin, dass an der Stelle von St. Matthias bereits zuvor eine Kapelle gestanden haben mag, womöglich bereits um 700. „Beim Neubau des inzwischen ersten maroden Gotteshauses 1852 wurden Reste eines römischen Wachturmes, Mauern und Münzen aus dieser Zeit gefunden.“ Wie viele Kirchen war auch St.Matthias im Laufe seiner langen Geschichte immer wieder eine Baustelle. Auch im Krieg.
Schmitz: „Auf jeden Fall ist der Turm von 1150 bis heute noch weitgehend erhalten.“ Möglicherweise wurde er nach einem Hochwasser um 1190, das damals den Krefelder Nordosten überschwemmte und die gerade 40 Jahre alte Kirche überflutete, neu errichtet. Er ist aus Tuff gearbeitet, romanisch, dreistöckig, mit vier Giebeln versehen und mit Rhomben eingedeckt. St. Matthias ist ein prächtiges Bauwerk im Sinne der damaligen Zeit – eine eher schlichte Kirche im heutigen Vergleich.
Beim Betreten des Gotteshauses fallen die vielen brennenden Kerzen auf. Die Kirche wird tagsüber oft besucht. Dann ist die Tür offen. „Das Besondere dieser Kirche sehe ich darin, dass es ein lebendiger, funktionierender Ort ist; schön, anheimelnd, klein und überschaubar, auch in den Zeiten, als ich selbst jung war und Messdiener sein durfte.“
Was die Anekdoten angeht: „Der Neubau der Kirche ging zügig voran. Dass Gemeindemitglieder damals fast ihren kompletten Geldsegen aus einem Lottogewinn spendeten, ist überliefert.“ Und zur Orgel: „Ein Hohenbudberger wollte seine Liebe aus Amerika heiraten. Da keine Orgel zur Verfügung stand, griff der Brautvater in die Geldbörse.“
Zurück in die Kirche: Der Hochaltar, der als Marien- oder Dreikönigsaltar bezeichnet werde, sei das wichtigste Kunstwerk in der Kirche, berichtet der Kirchenvorstand weiter. „Er stammt aus der ehemaligen Stiftskirche St. Marien in Lippstadt, die seit 1819 nur noch Ruine ist, und datiert aus dem Jahr 1471. Zentrum des Schreins ist die gekrönte Gottesmutter, die ihrem Kind eine Frucht reicht, vielleicht einen Pinienzapfen, der als Symbol der Fruchtbarkeit, der Auferstehung und der Unsterblichkeit verstanden wurde.“
Der Kreuz- oder Passionsaltar in der nördlichen Chorkapelle stammt ebenfalls aus Lippstadt. Die zentralen drei oberen Szenen stammen hingegen aus Lohne bei Soest. Sie wurden wohl in westfälischen Werkstätten nach dem Vorbild flämischer Altäre geschnitzt – wahrscheinlich um 1520.
Der Apostelaltar hat eine ähnliche Geschichte wie die beiden anderen. „Der Kirchenpatron St. Matthias, der Schutzengel und der heilige Stephanus wurden hingegen in Kempen neu geschaffen, wie auch drei oder vier Apostel, die mit einem segnenden Heiland in der Mitte die untere Reihe bilden.“ Stolz sind die Gläubigen auf das spätromanische Kreuz links an der Wand, in der Nähe des Altars. „Der Korpus stammt aus der Zeit um 1280.“
Heute ist St. Matthias eine Kirche ohne Dorf. „Nach dem Zweiten Weltkrieg dehnten sich die Bayer-Werke immer weiter aus, sodass 1978 die Pfarrei St.Matthias Uerdingen aufhörte, zu bestehen. Jedoch ist das Gemeindeleben so lebendig wie in früheren Zeiten.“
Trotz der drohenden Schließung von St.Matthias in der jüngeren Vergangenheit. „Das Gotteshaus wird infolge des KIM-Prozesses nicht mehr finanziell gefördert. Gut, dass vorher bereits umfangreiche Sanierungen abgeschlossen waren“, meint Schmitz. Und kämpferisch: „Es soll keiner auf die Idee kommen, die Kirche aufzugeben. Sie ist für die Ewigkeit.“
Anschrift: Kirchstraße 1, heilige Messe sonntags um 18 Uhr.
Weitere Öffnungszeiten der Kirche St. Matthias: Von 10 bis 17 Uhr ist das Kirchenportal täglich geöffnet, der Zugang zum Vorraum möglich. Es finden regelmäßig Konzerte statt.