Lange sah es so aus, als ob der Rechtsruck in Deutschland immer größer und heftiger wird. Doch mit seiner Veröffentlichung über geheime Treffen von Rechtsextremisten und deren Deportationsphantasien hat das Recherche-Netzwerk Correctiv eine Welle an Demonstrationen für die Demokratie ausgelöst.
Mit der Zahl hatte das Bündnis „Mönchengladbach stellt sich quer“ nicht gerechnet: 350 Teilnehmende wurden bei der Polizei für die Demonstration angemeldet. Aber dann warben Vereine, Organisationen, Kirchen und Unternehmen für die Teilnahme. Vermutlich auch angeregt durch die Teilnehmerzahlen an den Demos in Hamburg und München, die die 100000er-Marke knackten. So zogen zwischen 5000 (nach Polizeiangaben) und 7000 Teilnehmende (laut Veranstalter) durch die Straßen von Mönchengladbach und artikulierten laut, was sie von dem rechten Gedankengut halten.
„Das B in AfD steht für Bildung“ hieß es auf einem Plakat, „AfD ist so was von 1933“ auf einem anderen. Aber auch Botschaften, die zeigen, das Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Nationalitäten in Deutschland zusammenleben und -arbeiten. „In diesem Theater arbeiten Menschen aus 39 Nationen gegen Antisemitismus, Diskriminierung, Rassismus und jedwede Bedrohung von Frieden, Freiheit und Demokratie.“, ließ das Team der Vereinigten Bühnen Krefeld und Mönchengladbach auf einem Banner verlauten.
„Ich habe Angst, dass sich in der nächsten Zeit auf widerwärtige Weise wiederholt, was sich nicht wiederholen darf: Dass freie Wahlen Teile unseres Landes in die Unfreiheit führen“, sagte Pfarrer Christoph Simonsen bei seiner Rede während der Kundgebung auf dem Sonnenhausplatz in Mönchengladbach. „Ich habe Angst, dass wir die Gefahr nicht ernst genug nehmen, die ausgeht von den menschenverachtenden Parolen rechtsradikaler Gruppierungen.“
Von seinem Standpunkt am Mikrofon sah er über die Menschenmenge, die den Platz weit in die umliegenden Straßen hinein füllte. Auch auf dem Balkon des benachbarten Einkaufszentrums standen Demonstranten. „Das war ein berauschendes Gefühl“, sagt Simonsen später im Gespräch mit der KirchenZeitung. „So viele Menschen zu sehen und vor allem so viele junge Menschen. Ich habe mit einer Gruppe junger Schüler zusammengestanden und die waren so authentisch in ihrer Ablehnung der rechten Strömungen. Das war sehr ermutigend.“
Die Menge setzte sich aus Menschen aus allen Altersklassen zusammen. Aber besonders Jugendliche fielen auf. Schülerinnen und Schüler der Theo-Hespers-Gesamtschule trugen ein Plakat mit dem Porträt des von den Nazis im September 1943 hingerichteten Widerstandskämpfers. „Theo würde nicht schweigen. Wir auch nicht“, steht auf dem Banner. Ein paar Reihen vor den Schülerinnen und Schülern steht auf einer schlichten Pappe die Botschaft „Pfadis gegen Nazis“.
Die Pfadfinder sind eine von mehreren kirchlich geprägten Gruppen unter den Demonstranten: Mitarbeitende des Caritasverbands ziehen mit, der Diakonie und die Gemeinschaft Sant’Egidio ist auch dabei. Letztere zeigt, wie einfach es ist, im Alltag mit kleinen und großen Gesten Frieden zu schaffen und Freundschaften zu schließen. In der Regenbogenschule bekommen Kinder, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, Zuwendung. Menschen in Altenheimen werden regelmäßig besucht und Geflüchtete integriert. Das alles macht Menschen wie Christoph Simonsen Mut – genau wie die vielen leisen Menschen, die jetzt im ganzen Land laut werden.
Im Bistum Aachen finden in dieser Woche weitere Demonstrationen statt:
Viersen, Freitag (2. Februar), 16 Uhr auf dem Remigiusplatz
Erkelenz, Samstag (3. Februar), 15 Uhr auf dem Konrad-Adenauer-Platz
Krefeld, Samstag (3. Februar), 14 Uhr auf dem Platz der Wiedervereinigung
Schwalmtal, Sonntag (4. Februar), 16 Uhr am Schulzentrum Waldniel