Friede braucht Zuversicht

Ohne Gerechtigkeit ist Friede in der Welt nicht möglich. Ein Interview über Chancen und Träume

In Acomanba in Peru (3700 Meter hoch in den  Anden gelegen) präsentieren Schülerinnen einer Sekundarschule stolz ihre in ökölogischem Landbau gezogenen Gemüsepflanzen. (c) Aktion Friedensdorf MG
In Acomanba in Peru (3700 Meter hoch in den Anden gelegen) präsentieren Schülerinnen einer Sekundarschule stolz ihre in ökölogischem Landbau gezogenen Gemüsepflanzen.
Datum:
17. Dez. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 51-52/2019

Seit 1969 hilft die Aktion Friedensdorf Mönchengladbach Kindern und Familien in Entwicklungsländern und Krisengebieten, sich eine Zukunft aufzubauen. Im Interview sagen Gründer Helmut Göbels und seine Frau Franziska Suffenplan-Göbels, die neue Vorsitzende des Vereins, was ihr Engagement mit Frieden zu tun hat.

Franziska Suffenplan-Göbels und Helmut Göbels mit einem Modell des Hauses, in dem alles begann: 1969 wurden Kinder aus Vietnam nach Mönchengladbach geholt, um ihre Kriegsverletzungen zu heilen. (c) Garnet Manecke
Franziska Suffenplan-Göbels und Helmut Göbels mit einem Modell des Hauses, in dem alles begann: 1969 wurden Kinder aus Vietnam nach Mönchengladbach geholt, um ihre Kriegsverletzungen zu heilen.

Der Frieden steckt schon im Namen ihres Vereins. Wie kam es dazu?

Helmut Göbels  Obwohl es beruflich mit unserem Einkommen bescheiden war, haben meine erste Frau und ich uns als Familie mit unseren drei Kindern beschenkt gefühlt. Wir sahen die Kinder in dem mörderischen Krieg in Vietnam und eine Dokumentation darüber, dass verletzte Kinder nach Deutschland geholt wurden, um sie hier zu heilen. Das wollten wir auch machen. In dem Zusammenhang sind wir auf die Aktion Friedensdorf in Oberhausen gestoßen und haben den Namen einfach übernommen.

Franziska Suffenplan-Göbels  Wenn man die Welt im Großen betrachtet, ist der Beitrag der Aktion Friedensdorf zwar sehr gering. Wenn man aber die einzelnen Schicksale betrachtet, ist unsere Hilfe unendlich viel wert. Für die Jugendlichen mit einer Körperbehinderung in Ghana etwa, die eine Ausbildung machen konnten, oder die Familien, die erstmalig Zugang zu medizinischer Versorgung haben.

Göbels  Eine Vokabel, die für mich in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist Gerechtigkeit. Bei den Verhandlungen der Regierung in Kolumbien mit den FARC-Rebellen ist das Ergebnis ja kein Friedensvertrag. Es muss Gerechtigkeit hergestellt werden. Höhere Bildung zum Beispiel ist dort für arme Menschen gar nicht erreichbar, weil die Schulen Geld kosten.

 

Welche Rolle spielen Kinder für den Friedensprozess?

Suffenplan-Göbels  Eine ganz wichtige, glaube ich. Kinder sind ja erstmal unvoreingenommen. Es ist wichtig, dass sie positive Erfahrungen machen. Wenn sie sich angenommen und wertgeschätzt fühlen, können sie das als Erwachsene weitergeben.

Göbels  Ich denke da an das Projekt „Samenkorn“ in Guatemala, das von einer Journalistin in den 80er Jahren gegründet wurde. Kinder und Jugendliche der Mayas bekommen über Stipendien eine Schulbildung, die für sie sonst nicht möglich wäre. Für Kinder und Jugendliche aus armen Familien steht es gar nicht zur Diskussion, dass sie weiterführende Schulen besuchen können. Mit diesem Projekt erhalten sie eine akademische Bildung. Die Stipendiaten verpflichten sich, in ihre Dörfer zu gehen und das, was sie gelernt haben, dort einzusetzen und weiterzugeben. Zielvorstellung ist, dass sie Hoffnungsträger für das Land werden, und die Jugendlichen nehmen das sehr ernst. Insofern leisten sie einen Beitrag zum Frieden, weil sie dafür sorgen, den sozialen Zusammenhalt in ihrem Dorf zu verbessern. 

Suffenplan-Göbels  Und Kinder haben ja oft noch Träume, was man so verbessern kann. Frieden hat auch was mit Visionen zu tun. Das Negativ-Beispiel sind Kindersoldaten. Wie sollen Erwachsene den Frieden sichern, wenn sie als Kinder so negative Erfahrungen machen? Es ist wichtig, dass sie positive Erfahrungen machen.

 

Welche Bedeutung hat Bildung für Frieden?

Suffenplan-Göbels  Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt. Der äußere Friede hat etwas mit dem inneren Frieden zu tun. Um zu wachsen und sich zu entfalten, muss man seine Talente entwickeln können. Ohne Bildung geht das nicht. Göbels  In den meisten Fällen werden durch Bildung das Selbstbewusstsein und die Zuversicht ermöglicht, dass es sich lohnt, sich einzusetzen.

 

Sie engagieren sich in Entwicklungsländern. Fängt dort der Friede an?

Suffenplan-Göbels  Das kann man so nicht sagen. Es muss auch gleichzeitig hier bei uns für Frieden gearbeitet werden. Es ist nur so, dass sich die wenigsten Menschen darum sorgen, was weit weg von ihnen passiert. Sie sehen nur ihr direktes Umfeld. Für mich hat es auch mit Gleichgewicht zu tun. Die Menschen in den armen Ländern haben viel an Kultur, mit dem sie unser Leben bereichern können. Das wird oft nicht gesehen. Göbels  Mich hat oft verblüfft, welchen Stellenwert es neben der materiellen Hilfe für die Menschen hat, dass wir zu ihnen gekommen sind und an ihrem Leben teilgenommen haben. Diese Erfahrung von Solidarität von Menschen, die weit entfernt leben, denen das Los und die Umstände, in denen Arme leben, nicht gleichgültig ist, gibt ihnen viel. 

 

Was ist für Frieden auf der Welt wichtig? 

Göbels  Die Fluchtursachen zu beseitigen. Das kann man auch als Klammer über unsere Projekte setzen.

Suffenplan-Göbels  Wir unterstützen ein Projekt in Chile, das in einem besonders von Gewalt geprägten Elendsviertel liegt. Ich finde erstaunlich, was der Projektleiter immer erzählt. Das Team hat es geschafft, die rivalisierenden Banden dazu zu bringen, dass sie an einem bestimmten Platz jeden Tag zwei Stunden komplett auf Gewalt verzichten. Die Kinder und Jugendlichen können da dann spielen und ihnen darf in dieser Zeit nichts passieren. Die Drogenbosse achten selbst darauf, dass diese Regeln eingehalten werden. Einmal im Jahr findet ein großes Straßenfest für alle statt – ohne dass etwas passiert. Dort wird mit den Kindern viel Bewusstseinsarbeit gemacht, aber auch politische Arbeit. Zum Beispiel um Kinderrechte gesetzlich festzuschreiben.

Göbels  Die Erfahrung, die man in der Nord-Süd-Arbeit macht, bringt ja auch für einen selbst eine immense Bereicherung. Die Abiturientinnen, die wir in den letzten Jahren zu einem freiwilligen sozialen Jahr nach Ghana vermittelt haben, verändern sich. Sie schätzen das Leben hier anders wert und haben gelernt, dass es sich lohnt, sich gesellschaftlich zu engagieren und sich für den Erhalt von Demokratie und Menschenrechten einzusetzen. 

 

Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in Europa und den USA: Gibt es einen Punkt, ab dem es Menschen zu gut geht und so der Friede gefährdet ist?

Göbels  Ich glaube, dass mit Friede leichtfertig umgegangen wird. Deshalb versuchen wir, mit unserer Arbeit die christliche Botschaft „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ zu leben und in die Welt zu tragen. 500 Jahre Kolonialismus hat so viel Ungerechtigkeit in die Welt gebracht, deren Folgen bis heute zu spüren sind. Es ist doch unvorstellbar, dass Menschen in Afrika gefangen wurden, um sie wie Vieh zu verkaufen, oder die Auslöschung der indigenen Bevölkerung. Mit unserer Geschichte haben wir von Deutschland aus allen Grund, ein solidarisches Verhalten in die Welt zu tragen.

Suffenplan-Göbels  Für Frieden ist es auch wichtig, dass man auf die Schwachen achtet. Dass alle zu ihrem Recht kommen. Die Kinder sind die Schwächsten, die sich gar nicht wehren können. Von Anfang an war die Aktion Friedensdorf ökumenisch aufgestellt. 1969 war das nicht selbstverständlich. Göbels  Ich habe schon einige Jahre die Action 365 von Pater Leppich unterstützt, auf die ich 1961 aufmerksam wurde. Er trat schon dafür ein, gemeinsam christlich zu wirken. Wenn man die christliche Botschaft in die Welt bringt, ist es doch überzeugender, das gemeinsam zu tun.

 

Das Gespräch führte Garnet Manecke.