Frage der Perspektive

Veranstaltung zur Nutzung von Kirchen macht deutlich, wie komplex das Thema ist

Ein Klassiker, wenn es um die Umnutzung von Kirchen geht, die Umwandlung in eine Grabeskirche. Hier Mariä Heimsuchung in Alsdorf-Schaufenberg. (c) Andrea Thomas
Ein Klassiker, wenn es um die Umnutzung von Kirchen geht, die Umwandlung in eine Grabeskirche. Hier Mariä Heimsuchung in Alsdorf-Schaufenberg.
Datum:
7. März 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2023 | Andrea Thomas

Kirchen lösen etwas in Menschen aus, auch dann, wenn sie der Kirche als Glaubensgemeinschaft eher fern stehen. Kirchen prägen unsere Städte. Entfernt man sie aus der Stadtansicht, wird eine Stadt beliebig. Doch Kirchenraum wird zunehmend zu ungenutztem Raum. Der Verein „Aachen_fenster – Raum für Bauen und Kultur“ hatte zum Austausch und zur Diskussion über „Leere Kirchen und neue Nutzungen“ geladen. 

 Bistumsperspektive

„Der Baubestand der Nachkriegszeit steht nicht mehr im Einklang mit den heutigen Notwendigkeiten“, konstatierte Bernhard Stenmans, im Generalvikariat zuständig für den Bereich Bau und Denkmalpflege. Im Bistum Aachen gibt es rund 2800 kirchliche Gebäude, davon sind 574 Kirchen. Kirchen, die bei zurückgehenden Gläubigen- und Kirchenbesucherzahlen nicht mehr in dem Maße genutzt werden wie noch vor 50 bis 60 Jahren. Den pastoral genutzten Gebäudebestand zu erhalten, kostet 25 bis 30 Millionen Euro pro Jahr, wie aus den Zahlen hervorging, die Stenmans mitgebracht hatte. Enorme Summen und die finanziellen Rahmenbedingungen werden perspektivisch nicht besser werden. Gesucht sind neue Nutzungskonzepte.

Umnutzung sei nichts komplett Neues, die habe es zu allen Zeiten gegeben. Kirchen seien über die Jahrhunderte verändert, umgebaut und anders genutzt worden. „Gebäude, die ungenutzt sind, denen droht der Verfall“, macht der Fachmann deutlich. Wie aber sieht eine gute neue Nutzung aus? Bernhard Stenmans stellt Richtlinien vor, eine kulturelle oder karitative Nutzung ist denkbar, ebenso Wohnungen, Büros, ein Kolumbarium oder die Nutzung durch eine andere christliche Kirche. Eine Vergnügungsstätte, ein Rotlichtbetrieb oder die Darstellung von Gewalt sind ausgeschlossen und auch die Nutzung durch eine nicht-christliche Glaubensgemeinschaft ist eher schwer vorstellbar – für beide Seiten. 
Anhand von aktuellen Beispielen aus dem Bistum Aachen und anderen Bistümern stellt er vor, wo eine neue Nutzung gelungen ist, baulich wie inhaltlich. Auch in einer anderen Nutzung bleibt für Bernhard Stenmans eine Kirche immer eine Kirche und ihr Erhalt gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Denn die Bedeutung von Kirchengebäuden ist nicht nur eine spirituelle, sie ist auch eine architektonische, städtebauliche und kulturhistorische. 

 Gemeindeperspektive

St. Hubertus nach Entwürfen von Gottfried Böhm: Ideen zur Umnutzung gibt es einige, doch die Realisierung ist kompliziert. (c) Andrea Thomas
St. Hubertus nach Entwürfen von Gottfried Böhm: Ideen zur Umnutzung gibt es einige, doch die Realisierung ist kompliziert.

Es ist ein ziemliches Paket für Gemeinden, die sich konstruktiv mit ihrem (Kirchen-)Gebäudebestand auseinandersetzen. Weiter wie bisher funktioniert nicht mehr, doch eine neue und für die Gemeinde passende Nutzung für die Kirchen zu finden, die nicht mehr als Gottesdienstorte erhalten werden können, ist für einen ehrenamtlichen Kirchenvorstand keine leichte Aufgabe, wie Andreas Klinkenberg vom Kirchenvorstand St. Jakob schilderte.

Die Pfarrei hat drei Kirchen und ein Gemeindezentrum. Die Jakobskirche soll mit dem pfarrlichen Umfeld ins Stadtviertel hineinwirken und ein Ort für Kultur und Begegnung sein. Heilig Geist ist Familienkirche für Gottesdienste, aber auch Austausch, Begegnung und Beratung. Über diese Schwerpunkte sollen beide Kirchen zukunftsfähig bleiben. Für das Gemeindezentrum Maria im Tann ist eine Verpachtung und Nutzung als Wohnraum geplant. Größte Herausforderung ist die Kirche St. Hubertus. Studierende der FH und der RWTH haben  „St. Backenzahn“ im vergangenen Jahr mit einer Ausstellung gewürdigt und Ideen für eine Nutzung entwickelt. „Da sind tolle Ideen bei, aber in der Praxis schwer zu realisieren“ sagte Andreas Klinkenberg. Auf dem Gelände ist das Jugendzentrum untergebracht, was bei Planungen zu berücksichtigen ist. 

Perspektivwechsel

Im Austausch mit dem Publikum wurde deutlich, was wünschenswert wäre und wie die Praxis sich darstellt. Wünschenswert wäre, stärker auch den städtebaulichen Blick in die Überlegungen zu einer neuen Nutzung von Kirchen einzubeziehen. Vor allem dann, wenn sie wie St. Hubertus architektonisch besonders sind. Auch sollten Kirchengebäude weiterhin öffentlich zugänglich bleiben und nicht zu Büros oder Wohnraum umgestaltet werden, lautete ein Einwurf.

Für die Gemeinden, die das umsetzen sollen, ist das nicht einfach, fehle doch oft das Interesse von städtischer Seite, besonders, wenn eine Kirche am Stadtrand liegt, so die Erfahrung der anwesenden Gemeindevertreter. Auch vom Bistum, das die Pläne der Gemeinde genehmigen muss, fühlen sie sich nicht immer ausreichend unterstützt. Hier soll das Verfahren optimiert werden, damit nicht Zeit und Energie umsonst investiert würden, erläuterte Bernhard Stenmans. Andreas Klinkenberg betonte: „Als Gemeinde wollen und können wir keine Projektentwickler sein. Das ist nicht zu leisten.“ Fazit des Abends, den Blick zu weiten, Kirchen aus anderer Perspektive zu betrachten, könnte der Kirche und auch der Stadt helfen.