Fotosammlung ermöglicht tiefen Blick in die Vergangenheit

Regionale Kulturförderung des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) fördert eine Inventarisierung, Restaurierung und Digitalisierung von Fotos der Aachener Domschatzkammer

Der Balkon befand sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Fenster des Nordjochs des Obergeschosses des Sechzehnecks. Er war die Verbindung für Materialtransporte. (c) Fotosammlung der Aachener Domschatzkammer
Der Balkon befand sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Fenster des Nordjochs des Obergeschosses des Sechzehnecks. Er war die Verbindung für Materialtransporte.
Datum:
10. Jan. 2024
Von:
Bistum Aachen

Die Domschatzkammer erhält in diesem Jahr 30000 Euro an Fördermitteln von der Regionalen Kulturförderung des Landschaftsverbands Rheinland (LVR).
Der Kommunalverband unterstützt damit ein Projekt zur Inventarisierung, Restaurierung und Digitalisierung von etwa 5000 historischen Fotoabzügen.  

Von links nach rechts:  Birgitta Falk, Leiterin der Aachener Domschatzkammer, die wissenschaftliche Hilfskraft Alexandra Birken und Doktorandin Katrin Heitmann. (c) Andreas Steindl
Von links nach rechts: Birgitta Falk, Leiterin der Aachener Domschatzkammer, die wissenschaftliche Hilfskraft Alexandra Birken und Doktorandin Katrin Heitmann.

Zuständig für die Umsetzung dieses Vorhabens wird Katrin Heitmann sein, die zurzeit im Fach Kunstgeschichte an der Universität Bonn promoviert. Bereits zuvor betreute sie im Auftrag des Museums verschiedene Projekte zur Erschließung von Beständen, die nicht systematisch aufgearbeitet worden waren. 
Eines dieser Projekte war die Aufarbeitung der historischen Glasplattennegative. Schon hierbei holte die freiberufliche Wissenschaftlerin Heitmann immer wieder fotografische Schätze zurück ans  Tageslicht. „Manche Aufnahmen sind hochspannend, weil sie bisherige wissenschaftliche Mutmaßungen bestätigen oder widerlegen. Andere Fotos lassen Rückschlüsse auf den veränderten Umgang mit Kunstgegenständen und deren Aufbewahrung zu.“ 

Die Pala d’oro mit altem Rahmen ist das Zentrum des Altares in der Ungarnkapelle, die seit 1881 Schatzkammer war. Erst 1902 wandert die goldene Tafel auf den Hauptaltar im Chor und tauscht den Platz mit dem Gnadenbild. (c) Fotosammlung der Aachener Domschatzkammer
Die Pala d’oro mit altem Rahmen ist das Zentrum des Altares in der Ungarnkapelle, die seit 1881 Schatzkammer war. Erst 1902 wandert die goldene Tafel auf den Hauptaltar im Chor und tauscht den Platz mit dem Gnadenbild.

Ein Beispiel: Bislang sei man davon ausgegangen, dass die als Meisterwerk der ottonischen Goldschmiedekunst geltende Pala d’oro mit dem von Kaiser Wilhelm 1874 finanzierten früheren Rahmen vor dem Ersten Weltkrieg auf dem Hochaltar in der Chorhalle stand.
Alte Fotoaufnahmen zeigen jedoch eindeutig, dass das goldene Altarbild bis 1902 in der Ungarnkapelle stand, in der damals die Schatzkammer untergebracht war.

Ein anderes Beispiel: Im Nordjoch des Sechzehnecks ist auf alten Bildern ein heute nicht mehr existierender Balkon zu erkennen, dessen Funktion unklar war. Nun ist sicher, dass der Balkon für Materialtransporte während der Erneuerung der Innenausstattung von 1900 bis 1913 genutzt wurde. 

„Das sind natürlich Spezialdetails, die nur wenige Dominsider interessieren“, schmunzelt die Doktorandin. „Aber sie bringen vielfach neue Erkenntnisse und zeigen, dass die liturgischen Ausstattungs- und Kunstgegenstände regelmäßig umgeräumt wurden. Altäre, das Gnadenbild und die Schreine sind immer wieder gewandert. Viele Menschen mögen es nicht, wenn im Dom etwas verändert wird.
Sie sind der Meinung, dass ‚das schon immer so gewesen‘ sei. Aber das stimmt nicht!“  Abzüge von Lieblingsbildern hat Katrin Heitmann an die Schranktüren der Fotosammlung gehängt. Darunter sind Aufnahmen von Ann Münchow. Die 1923 geborene Aachener Fotografin war oft am Dom im Einsatz, insbesondere dann, wenn es um Dokumentaraufnahmen des Kunstschatzes ging.

Bei Fotos wie diesem muss Katrin Heitmann zwei Mal hinschauen, bis sie den Ort und den ungefähren Zeitpunkt der Aufnahme identifizieren kann. Hier ist das Portal des Drachenloch genannten Eingangs zur Domschatzkammer vor der Sanierung zu sehen. (c) Fotosammlung der Aachener Domschatzkammer
Bei Fotos wie diesem muss Katrin Heitmann zwei Mal hinschauen, bis sie den Ort und den ungefähren Zeitpunkt der Aufnahme identifizieren kann. Hier ist das Portal des Drachenloch genannten Eingangs zur Domschatzkammer vor der Sanierung zu sehen.

In einem früheren Projekt, das ebenfalls von der Museumsförderung des LVR bezuschusst wurde, hat Katrin Heitmann zusammen mit der als studentischer Hilfskraft tätigen Geschichtsstudentin Alexandra Birken an die 2000 Glasplatten von Münchow gesichtet und inventarisiert.
Die beiden Frauen legten ein umfangreiches Verzeichnis an, in dem jedes einzelne Bild eine Inventarnummer, Kurztitel, Beschreibung und Angaben zum Zustand erhielt. Das erleichtert in Zukunft die Suche nach bestimmten Motiven.
Über diese engagierte und sehr eigenständige Arbeit sowie die großzügige Unterstützung des Landschaftsverbands freut sich Birgitta Falk als Leiterin der Domschatzkammer: „Wir sind sehr dankbar, dass wir diesen für die Geschichte von Dom und Domschatz immens wichtigen Bestand professionell sichern und bewahren können. Der künftige Zugriff auf die Fotomotive wird die Forschung zum Domschatz ein großes Stück voranbringen.“

Parallel zu den Vorbereitungen und dem Schreiben des Abschlussberichts für die Museumsförderung des LVR plant Heitmann bereits die nächsten Schritte für das neue Projekt im Jahr 2024.
„Nach den Glasplatten bin ich jetzt gespannt auf die Abzüge, von denen die ältesten bereits aus den 1850er Jahren stammen.“ Bei der Durchsicht geht es nicht nur darum, das Motiv zuzuordnen und einem Fotografen zuzuschreiben, sondern auch, die zugrundeliegende Technik zu analysieren.
„Wir wissen beispielsweise, dass der Fotograf Jakob Wothly in den 1860er Jahren mit Uransalzen experimentiert hat. Diese Bilder müssen wir sichern, damit keine Gefährdung für die Nutzerinnen und Nutzer entsteht.“
Heitmann freut sich auf die Fortsetzung der Arbeit. „Ich finde das wirklich spannend. Manchmal stehe ich fragend vor einem Bild und kann das Motiv nicht sofort identifizieren oder zeitlich zuordnen. Es ist dann ein bisschen wie Detektivarbeit, bis das Rätsel gelöst ist!“

Wer hat Fotos von Ann Münchow?

Für eine geplante Ausstellung mit dem Titel „Der besondere Blick – Die Fotografin Ann Münchow und der Aachener Domschatz“ sucht Katrin Heitmann nach weiteren Bildern für eine befristete Überlassung.
Die 1923 als Anneliese Lepper geborene Künstlerin arbeitete von 1950 bis 1991 als selbstständige Fotografin in Aachen. Sie eröffnete bereits 1952 im Haus Nuellens ihr erstes Fotoatelier. Später zog sie mehrfach um und änderte durch Heirat ihren Namen: zuerst in Ann Bredol-Lepper, seit 1958 in Ann Münchow.
Die Domschatzkammer ist insbesondere an Porträtaufnahmen von Aachener Bürgerinnen und Bürgern interessiert.
Um Kontaktaufnahme wird per E-Mail gebeten: katrin.heitmann@ dom.bistum-aachen.de