Feuer im Dom zu Aachen

Gegen eine solche Katastrophe ist die Dombauhütte mit einem neuen Brandmeldekonzept jetzt gut gewappnet

Die Feuerprobe hat der Aachener Dom bestanden – im konkreten Fall wurden Grillanzünder in einer Pfanne angezündet. (c) Ralf Roeger
Die Feuerprobe hat der Aachener Dom bestanden – im konkreten Fall wurden Grillanzünder in einer Pfanne angezündet.
Datum:
11. Jan. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 02/2023 | Ruth Schlotterhose

Feuer im Aachener Dom – das ist ein Szenario, das sich niemand vorstellen möchte, am wenigsten Dombaumeister Helmut Maintz. Aber spätestens seit dem Großbrand 2019 in der Kathedrale Notre-Dame zu Paris ist er gezwungen, sich mit diesem Gedanken auseinandersetzen.

Nicht ohne Stolz präsentiert Sören Wittmann von der Bosch Sicherheitssysteme GmbH die Aviotec-Kamera, ein wahres Wunderwerk der Technik. (c) Ralf Roeger
Nicht ohne Stolz präsentiert Sören Wittmann von der Bosch Sicherheitssysteme GmbH die Aviotec-Kamera, ein wahres Wunderwerk der Technik.

„Oben in den Dachstühlen sind wir in Sachen Brandschutz sehr gut aufgestellt“, sagt Maintz. Aber ein Blick „nach unten“ offenbarte Handlungsbedarf. Es sind ja nicht nur Einrichtungsgegenstände, die in Flammen geraten könnten, sondern auch Paramente und elektrische Leitungen, erläuert der Dombaumeister. Letztere setzten bei einem Brand zudem chemische Stoffe frei, die die vorhandenen Kunstwerke und die Orgel zusätzlich schädigen könnten. Um das Schlimmste zu verhindern, wird in Zukunft auf Künstliche Intelligenz gesetzt.

„Aviotec-Kameras von Bosch mit Bilderkennungssoftware und Frühwarnsystem sollen künftig erkennen, wenn Flammen entstehen, Rauch aufsteigt oder ein Einbruchsversuch gestartet wird“, heißt es lapidar in einer Pressemitteilung des Domkapitels. Dipl.-Ing. Ralf Wolters vom Aachener Ingenieurbüro Plan-Ing als Konzeptentwickler geht da mehr ins Detail.

Es stelle schon eine Herausforderung für sich dar, das Brandschutzsystem zu sanieren, ohne den Dom schließen zu dürfen. Hinzu kam, dass Aspekte des Denkmalschutzes berücksichtigt werden mussten. Auch angesichts hoher Gewölbedecken und goldener Mosaike versprachen herkömmliche Brandschutzsysteme keine zufriedenstellende Lösung. Außerdem entsprach die Elektroinstallation nicht mehr dem derzeitigen Stand der Technik – die Brandursache „Elektrischer Funkenflug“ ist jedoch ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Summa summarum standen schließlich die Installierung einer neuen Elektroanlage, einer Brandschutzanlage und einer Alarmanlage auf dem Plan.

Angesichts der oben aufgezählten Herausforderungen wurde eine Sonderlösung für das Weltkulturerbe Aachener Dom benötigt. So entschied man sich für Videokameras der Elektronikfirma Bosch, die mit zusätzlicher Technik ausgerüstet wurden. Dazu wurde Tobias Frauenrath mit ins Boot geholt. Der Professor für Elektro- und Informationstechnik im noch jungen Aachener FH-Institut für Smart Building Engineering tüftelte gemeinsam mit Student Yannik Eiserfey und den Bosch-Experten an einer maßgeschneiderten Software-Lösung für das Wahrzeichen Aachens. Dombaumeister Helmut Maintz richtet an dieser Stelle ein großes Lob an alle beteiligten Firmen, seien es Handwerker oder Softwarespezialisten. „Die Zusammenarbeit war einfach Klasse“, schwärmt er.

Die Überwachungskamera überträgt ihr Bild auf einen Monitor: Ein rotes Viereck zeigt den Brandherd, gelb umrandet ist das sich bewegende Objekt, grün markiert der Weg, den es nimmt. (c) Bosch Energy and Building Solutions Deutschland
Die Überwachungskamera überträgt ihr Bild auf einen Monitor: Ein rotes Viereck zeigt den Brandherd, gelb umrandet ist das sich bewegende Objekt, grün markiert der Weg, den es nimmt.

Das Ergebnis der monatelangen Vorarbeiten kann sich aber auch sehen lassen – vielmehr sieht man eigentlich nichts. Das ist ganz im Sinne des Denkmalschutzes. Dessen Vorgaben zuliebe wurden die Kameras zum Beispiel mit einer schwarzen Außenhaut versehen, so dass sie selbst für ein scharfes Auge kaum im Kirchenraum zu entdecken sind. Insgesamt 50 Exemplare verteilen sich auf 16 Räume. „Was hier gebaut wurde, entspricht keiner DIN-Norm“, konstatiert Sören Wittmann, Produktmanager der Elektronikfirma Bosch, mit unverkennbarem Stolz.

Die kleinen Wunderwerke der Technik sind mit unzähligen Algorithmen gefüttert, so dass sie zum Beispiel gewöhnliches Kerzenlicht von einem flackernden Feuer unterscheiden können und in der Lage sind, innerhalb weniger Sekunden die Feuerwehr zu verständigen. Bislang dauere dies mehrere Minuten, erklärte Helmut Maintz. Die videobasierte Branderkennung erlaubt darüber hinaus eine situationsgerechte Einsatzplanung. Gleichzeitig dient das neue Konzept, das erstmals in einem historischen Gebäude installiert wurde, als Videoüberwachung gegen Einbruch oder Vandalismus. So wird die Polizei informiert, wenn die Kameras nachts Bewegungen im Dom ausmachen oder wenn sich Personen in einem elektronisch markierten Tabu-Bereich, etwa in der Nähe des Marienschreins, aufhalten. Im äußersten Notfall hält ein akkustisches Signal, das über Smartphones übertragen wird, die Domschweizer dazu an, den Dom zu evakuieren – und weckt gegebenenfalls den Dombaumeister aus dem Schlaf.

Die Sanierungsarbeiten in Höhe von rund einer Million Euro werden zu einem Viertel vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert. Den Hauptanteil übernimmt der Aachener Karlsverein/Dombauverein. Noch sind die Kosten nicht vollständig gedeckt – auch die Dombauhütte hat mit den explodierenden Preisen für Baumaterial zu kämpfen. 

Spenden zur weiteren Finanzierung des Projekts „Feuer & Flamme für den Dom“ nimmt der Dombauverein Aachen an unter IBAN DE52 3905 0000 0000 1285 61 bei der Sparkasse Aachen (BIC AACSDE33).