Europa – was nun?

Ein Standpunkt von Thomas Hohenschue

Thomas Hohenschue (c) privat
Thomas Hohenschue
Datum:
11. Mai 2016
Der Papst hat gesprochen. Mahnende Worte. Orientierende Sätze. Verweise auf Grundwerte. Einen Appell an unsere Humanität.

Und Europa? Schon wenige Tage nach dem feierlichen Akt im Vatikan beherrschen wieder Krisenzeichen den Alltag des Kontinents. Und die erstarkenden Rechtspopulisten aller Länder beraten über ein Zusammengehen, um Europa zu verändern. Mit einem Verständnis von Nationalstaat, das geschichtlich in die Zeit des 19. Jahrhunderts zurückreicht und das in die Katastrophe zweier Weltkriege führte. Und so stellt sich die Frage, wie nachhaltig die Worte des Papstes wirken werden. Wie will man mit Regierungen umgehen, die das Wertefundament der Europäischen Union schwächen? Das der neue Karlspreisträger gerade so eindringlich beschrieben hat?

Beim Asylrecht verlassen die Rechtspopulisten mit wehenden Fahnen das, was Europa aus dem Zweiten Weltkrieg zu lernen bereit war. Wenn man ihnen zuhört, ersteht das frühere Europa aus seinen Ruinen, das auf nationale Stärken und Egoismen setzte statt auf internationale Zusammenarbeit und Solidarität. Ist es das Europa, das wir wollen? Ist es das Europa, das sagt: Nie wieder? Nie wieder Krieg, nie wieder Verfolgung von Minderheiten, nie wieder staatlich organisierte Missachtung von Grundrechten? Der Papst hat sich positioniert – sein Europa ist es nicht. Diese ganze Diskussion ist nicht akademisch – sie betrifft unser aller Leben. Das Europa, wie wir es aus den letzten Jahrzehnten kennen, ist in Gefahr. Spätestens, wenn wieder überall die Schlagbäume runterfallen, spüren wir den Verlust.