„Es wird erzählt…“

14 Kindertageseinrichtungen des Bistums Aachen nahmen an der Erzählwerkstatt Bibel teil

Biblische Geschichten interessieren und faszinieren auch die Jüngsten, wenn sie packend erzählt werden. (c) Bistum Aachen
Biblische Geschichten interessieren und faszinieren auch die Jüngsten, wenn sie packend erzählt werden.
Datum:
7. Apr. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2021 | Thomas Hoffmeister-Höfener

Heute sind die Vorschulkinder der Kinder-tagesstätte (Kita) St. Rochus in Rath-Anhoven ins Pfarrzentrum gekommen. Die pädagogischen Fachkräfte Christina Holzapfel und Fiona Saville nehmen sie dort in Empfang. „Wisst ihr, warum ihr heute hier seid?“, fragen sie die Kinder, die im Halbkreis sitzen und erwartungsvoll schauen. „Nö“, rufen die Kinder wahrheitsgemäß. „Heute wollen wir euch eine ganz besondere Geschichte erzählen.“ Und dann holt Christina Holzapfel ein besonderes Buch hervor, die Bibel. Und dann geht sie auch schon los, die gemeinsame Reise in eine andere Zeit.

Die beiden pädagogischen Fachkräfte erzählen an diesem Morgen den Kindern die biblischen Geschichten völlig frei, mit ihren eigenen Worten, mit Mimik und Gestik, an bestimmten Stellen die Kinder einbeziehend, auf jeden Fall spannend und anschaulich. Denn sie haben es gelernt. Die beiden Fachkräfte sind Teilnehmerinnen der neuen Qualifizierung „Erzählwerkstatt Bibel“ des Katholischen Forums für Erwachsenen- und Familienbildung Mönchengladbach und Heinsberg sowie des Fachbereichs Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Aachen. Diese Fortbildung im Aufbausystem bot eine einzigartige Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und professionellen Erzählkünstlern des Theomobil e.V., eines Vereins für religions- und kulturpädagogische Projektarbeit.

An diesem Morgen ist der Erzähler und Theologe Thomas Hoffmeister-Höfener zu Gast in der Kita und begleitet die pädagogischen Fachkräfte bei der Durchführung der religionspädagogischen Einheit mit den Kindern. „Das Erzählen biblischer Geschichten für Kinder steht im Mittelpunkt der Erzählwerkstatt Bibel. Wie geht Erzählen? Worauf kommt es an, wenn ich für Kinder erzähle? Wie kann ich spannend und anschaulich erzählen? Also die praktischen Grundlagen des mündlichen Erzählens. Aber vor allem geht es auch darum, Sicherheit und Freude beim Erzählen biblischer Geschichten zu vermitteln.“ 


Mucksmäuschenstill oder ganz lebhaft 

Fiona Saville kann das nur bestätigen: „Man traut sich jetzt einfach mehr, auf die biblischen Geschichten selber zuzugreifen und nicht nur auf die, auf die man immer zurückgreift. Man denkt einfach mehr über diese Geschichten nach.“ Kurz zuvor gab sie den Kindern eine Schelle, und die wanderte von Hand zu Hand, ohne dabei ein einziges Geräusch zu machen. Mucksmäuschenstill war es plötzlich in der Runde. Kleine Erzählrituale wie diese, die den Kindern helfen sollen, zur Ruhe zu kommen und Konzentration herzustellen, sind ebenfalls Bestandteil der Fortbildung. 

In der katholischen Kita Liebfrauen in Krefeld dagegen geht es an diesem Morgen weniger besinnlich zu: Bevor die pädagogische Fachkraft Sandra Bergmann mit der Geschichte beginnt, die vor langer, langer Zeit in einer fernen Stadt geschah, reisen alle Kinder erst einmal mit dem Flugzeug nach Israel. Wie das gehen soll? Ganz einfach, die Arme werden zum Propeller und schlagen auf Tamburinen die Umdrehungen, natürlich nachdem sich alle angeschnallt haben. Schließlich fliegen alle mit ausgebreiteten Armen in die Welt von König David. Quietschende Vollbremsung, Landung, die Geschichte beginnt – und alle lauschen gebannt.

Es ist gerade dieser Wechsel zwischen Interaktion und völliger Konzentration, der gelernt werden will. Das sieht auch Diana Stieger so. Sie ist pädagogische Fachkraft im katholischen Kindergarten St. Lambertus in Leuth und hat ebenfalls erfolgreich an der Qualifizierung teilgenommen.  „Schon beim Start hier in der Kita habe ich gesehen, wie der Erzähler das hinbekommt, die Kinder miteinzubeziehen, aber dann auch wieder weiter in Ruhe die Geschichte erzählte. Da habe ich gedacht, das merke ich mir.“ 


Bei jeder Wendung gehen die Kinder mit 

Beim Abschluss der gesamten Fortbildung ist sie selbst es, die den Kindern eine biblische Geschichte ganz frei und ohne Vorlage erzählt. Die Erzählkünstlerin Susanne Tiggemann vom Team der Erzählwerk- statt tauscht sich im Anschluss mit ihr über das Erlebte aus. „Uns ist es wichtig, dass die Fortbildung hier in der pädagogischen Praxis ankommt. Daher starten und enden wir auch ganz bewusst in den teilnehmenden Kitas,“ sagt sie über den Rahmen der Qualifizierung.

Dazwischen lagen insgesamt sechs Fortbildungstage mit ganz unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. Neben der Frage, wie man sich eine biblische Erzählung für Kinder erarbeitet, ging es dabei auch um die Einbettung des Erzählens in die religionspädagogische Arbeit und um verschiedene Formen und Methoden des Erzählens. „Wir haben viele tolle Methoden kennengelernt,“ erinnert sich Diana Stieger, „aber das Wichtigste, denke ich, ist doch, die Geschichte zu erzählen.“ 
Das denkt auch Gabi Nemeth. Aber sie sieht auch noch einen anderen Aspekt: „Ich fand sehr wichtig, dass die Fortbildung die Gelegenheit bot, sich mit anderen über die religionspädagogische Arbeit im Kindergarten auszutauschen. Wir sind hier in einer Situation der Verkündigung. Das ist mir ganz wichtig. Sonst hätte ich zu einem anderen Träger gehen können.“


Gabi Nemeth ist Standortleiterin der katholischen Kita 

St. Konrad Aachen. Zum Abschluss der Erzählwerkstatt Bibel empfängt sie die Kinder an diesem Nachmittag im Bewegungsraum der Kita. Sie hat Sitzplätze vorbereitet und alles bereitgelegt. Ausgewählt hat sie die Geschichte von der Heilung des Gelähmten. Ganz bewusst, wie sie den Kindern erzählt: „Ich war ja bis vor Kurzem selber noch ganz krank,“ sagt sie, „und das war gar nicht schön.“

Und dann erzählt sie den Kindern die dramatische Geschichte, wie ein paar Freunde einen Kranken zu Jesus bringen wollten, sich ihnen aber immer wieder Hindernisse in den Weg stellten. „Plötzlich standen sie vor einer Leiter“, erzählt sie und steht plötzlich selber vor der Sprossenwand des Bewegungsraumes und schaut nach oben. „Aber wie sollen wir da hinaufkommen?“ Man spürt sofort, wie die Kinder bei jeder dramatischen Wendung der Geschichte emotional mitgehen. „Die waren richtig mit dabei,“ freut sich die Erzählerin im anschließenden Auswertungsgespräch.

„Was, denkst du, ist bei den Kindern am Ende angekommen?“, wird sie gefragt. „Ich hoffe: Auch wenn sich einem immer wieder Hindernisse in den Weg stellen, gibt es doch immer Hoffnung, dass am Ende alles gut wird.“ Dass die Kinder dies verstanden haben, davon kann man getrost ausgehen. Denn als Gabi Nemeth erzählt hat, wie der Geheilte fröhlich pfeifend das Haus verlässt, da lachen und klatschen alle Kinder.


Im Herbst gibt es eine Neuauflage

„Ich finde eine solche aufbauende Fortbildung für unsere Arbeit sehr wertvoll,“ 
bilanziert Patrick Mevissen, Leiter der katholischen Kita St. Martinus Schlich. „Denn viele Impulse von einmaligen Fortbildungstagen gehen oft über kurz oder lang im Kita-Alltag wieder unter. Jetzt haben wir zwei völlig begeisterte Fachkräfte, die viel von dem, was sie gelernt haben, hier umsetzen wollen. Die nehmen das gesamte Team mit.“

Natürlich war die Fortsetzung der Qualifizierung durch die Coronapandemie erschwert, so musste beispielsweise das letzte Modul online stattfinden. Aber alle sind froh, dass die Qualifizierung doch fortgesetzt und abgeschlossen werden konnte. „Und das Schöne ist,“ sagt Ulrike Riemann-Marx vom Fachbereich Tageseinrichtungen für Kinder des Bistums Aachen, „das es ja kein Ende ist. Sondern eigentlich ein Anfang.“

Das gilt nicht nur für die vielen qualifizierten Teilnehmerinnen. Denn im Herbst wird die Erzählwerkstatt Bibel erneut gestartet – mit neuen Fachkräften aus dem Bistum Aachen.