„Es tut ganz schön weh …!“

Zum zweiten Mal fällt der Karneval in den Kirchengemeinden wegen der Pandemie weitgehend aus

So wie 2018 will die Aachener Tropigarde hoffentlich im kommenden Jahr wieder ihr Publikum begeistern. 2022 verzichtet sie mit schweren Herzen. (c) Tropigarde
So wie 2018 will die Aachener Tropigarde hoffentlich im kommenden Jahr wieder ihr Publikum begeistern. 2022 verzichtet sie mit schweren Herzen.
Datum:
23. Feb. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 08/2022 | Andrea Thomas

Eigentlich haben wir gerade die „tollen Tage“… Doch auch in diesem Jahr verweist Virus Corona das Virus Karneval in die Schranken. Vernünftige Jecke verzichten auf Sitzung und Party und feiern allenfalls daheim. Drei im kirchlichen Karneval Aktive erzählen, was „schon wieder kein Fastelovend“ für sie bedeutet.

Die liebevoll gebastelten Orden für die Seniorensitzung kommen nun leider nicht zum Einsatz. (c) Karen Leuchter
Die liebevoll gebastelten Orden für die Seniorensitzung kommen nun leider nicht zum Einsatz.

Die Absage kam für die Aachener Tropigarde noch rechtzeitig vor Beginn des Kartenvorverkaufs, doch die Enttäuschung war bei allen groß, berichtet Generälin Sarah Siemons. Sie alle liebten es, auf der Bühne zu stehen, jecke Dinge zu tun und noch mehr liebten sie, ihre Shows gemeinsam vorzubereiten. „Die Treffen im Vorfeld, das Überlegen, Proben und Klönen – das Miteinander – fehlen schmerzlich.“ Zumal sie im vergangenen Sommer und Herbst Hoffnung geschöpft hätten: „Es hat sehr viel Kraft gekostet, eine Corona-Session mit alternativen Angeboten zu stemmen und dann in die Vorbereitungen mit Hygienekonzept, Kostenkalkulation und Plan B, C und D zu gehen“, beschreibt sie die Gefühlslage. „Es tut ganz schön weh, schon wieder auf Karneval verzichten zu müssen.“

Auch Karen Leuchter, Eschweilerin mit Karneval im Blut, ist wehmütig. Ihr macht Sorge, dass Traditionen wegbrechen, durch den erneuten Ausfall vieler karnevalistischer Aktivitäten wie der närrischen Seniorennachmittage. Für den in St. Peter und Paul hat sie liebevoll Orden gebastelt, die nun nicht zum Einsatz kommen können. „Senioren sind besonders gefährdet, deshalb wird es lange dauern, bis nochmal ein Treffen mit 30 bis 40 Senioren stattfinden kann. Und viele werden auch einfach aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dabei sein.“ Auch viele Ehrenamtliche würden sich neue Betätigungsfelder suchen und stünden nicht mehr zur Verfügung, wenn es wieder losgehe, so ihre Befürchtung. Kleine Vereine und Musikgruppen gäben mangels Auftritten und Einnahmen auf. Traurig findet sie es auch für die Kinder. Die Kleinsten, die in Eschweiler das Virus Karneval eigentlich mit der Muttermilch mitbekämen, wüssten gar nicht, was das ist. „Kindertanzgruppen, die seit zwei Jahren nur virtuell proben, werden sich auflösen, weil die Kinder mittlerweile andere Interessen haben.“ 

Frohsinn wird schmerzlich vermisst

Karen Leuchter holt den Fastelovend dieses Jahr ins heimische Wohnzimmer, mit vielen Clowns. (c) Karen Leuchter
Karen Leuchter holt den Fastelovend dieses Jahr ins heimische Wohnzimmer, mit vielen Clowns.

Pfarrer Ulrich Lühring, der in seiner Breiniger Gemeinde unter anderem mit die „Flüstersitzung“ ins Leben gerufen hat, vermisst (nicht nur) in diesen Tagen, was Karneval für ihn ausmacht: Gemeinschaft, Frohsinn und Zwänge und Sorgen für ein paar unbeschwerte Stunden hinter sich zu lassen. „Im Herbst war ich bei einem Konzert der Black Fööss und obwohl außerhalb der eigentlichen Karnevalszeit, hatte ich das Gefühl, als würde eine Decke von den Leuten gezogen: Wir können wieder, wir dürfen wieder.“

Weil Menschen all das nach zwei Jahren Corona-Pandemie so sehr vermissen, haben er und das ehrenamtliche Vorbereitungsteam der Flüstersitzung sich entschieden, diese in den Mai zu verlegen. „Für mich beginnt Karneval frühestens nach Silvester und endet mit Aschermittwoch, ist das Austoben vor der Fastenzeit.“ Hierbei gehe es mehr um Gesellschaftliches – und die Unterstützung der Künstler, die davon lebten. „Wie das dann sein wird, mitten im Frühling, das weiß ich auch noch nicht. Mal sehen.“
Aufs Frühjahr auszuweichen, für die Tropigarde komme das auf keinen Fall in Frage, wie Sarah Siemons erklärt. Als Teil der Pfarrei St. Josef und Fronleichnam wahrten sie den christlichen Kalender.

Sicher werde es Sommeraktionen geben, sie seien „nicht nur Karnevalisten, sondern eine starke Gemeinschaft“. Der Austausch habe schon sehr gelitten in den letzten beiden Jahren. „Richtig jeck werden wir dann aber erst zu nächsten Session wieder sein.“ 
Mit Karneval im Mai hat auch Karen Leuchter so ihre Probleme. Karneval sei, vor der Fastenzeit noch einmal richtig ausgelassen zu feiern. Karneval im Mai, wenn es für schwere Uniformen und Kostüme zu warm sei, würde wohl eher „brasilianisch“ mit viel nackter Haut und wenig Moral. „Ich sehe das eher als kommerzielle und weniger als traditionelle Veranstaltung.“

Ganz fällt der Karneval bei Leuchters auch dieses Jahr nicht aus. Sie schmückt die Wohnung „mit vielen Clowns“, und es gibt eine Familien-Karnevalsfeier, damit ihre zweijährige Enkelin das kennenlernt. „Altweiber planen wir einen Minitreck mit Akkordeon und ,Außenstationen‘ bei Freunden oder Nachbarn.“ Auch der Mundart-Gottesdienst ist eingeplant.

Bei der Tropigarde nutzten die meisten die Tage zum Auftanken. Auf eine interne Feier verzichteten sie bewusst, aus Soli-darität, sagt Sarah Siemons. „Denn so sehr wir den Fastelovend auch vermissen, auch das Überwinden der Pandemie schaffen wir nur gemeinsam!“