Es soll blühen und grünen

In der Region Heinsberg werden vermehrt Felder für Insektenwiesen angelegt – zum Schutz der Schöpfung

In vielen Städten werden inzwischen insektenfreundliche Blühstreifen gesät. (c) Garnet Manecke
In vielen Städten werden inzwischen insektenfreundliche Blühstreifen gesät.
Datum:
17. Feb. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2021 | Garnet Manecke

Ohne Insekten ist ein Überleben des Menschen unmöglich. Dass die Gesamtmasse der Insekten  in den vergangenen drei Jahrzehnten um 75 Prozent zurückgegangen ist, alarmiert die Initiative „Heimat blüht auf“. Sie sucht Blühpaten für Wiesen im Kreis Heinsberg. Unterstützt wird sie von Netzwerka. 

Die katholische Initiative Netzwerka bringt Leute zusammen, die gemeinsam etwas bewegen wollen. Die Initiative „Heimat blüht auf“ will das Insektensterben im Kreis Heinsberg aufhalten und rührt auf der Suche nach Blühpaten fleißig die Werbetrommel. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass Michael Kock, Koordinator bei Netzwerka, auf die Blüh-Truppe aufmerksam wurde. „Das Anliegen wollen wir unbedingt unterstützen“, sagt Kock, der sich auch privat bei der Initiative „Heimat blüht auf“ engagiert.
Im Prinzip ist das Ziel der Initiative ganz einfach: Mit bunten Wiesen Lebensräume für Insekten zu schaffen. Denn ohne die kleinen Tiere, die manchmal lästig über Kaffeetafel und Terrasse fliegen und krabbeln, ist das Überleben für den Menschen nicht möglich. Das gilt nicht nur für die Bienen, die wegen ihres Bestäubungseifers und ihrem Talent für die Honigproduktion beliebt sind. Das gilt auch für Käfer, Raupen, Fliegen oder Mücken. Sie lockern Böden auf, zersetzen Bio-Abfälle oder dienen einfach nur als Nahrung für andere Tiere.

Sie alle sind wichtig, um das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten. „Das Ökosystem ist wie ein Kartenhaus“, sagt Sonja Schmalen von der Initiative „Heimat blüht auf“ bei der Vorstellung der Initiative während des Online-Tags der offenen Tür. „Wenn das Fundament wegbricht, ist es vom Einsturz bedroht.“ Im Klartext: Wenn bestäubende Insekten fehlen, gibt es weniger bis gar keine Ernten, also nichts auf dem Teller. Gleichzeitig nimmt die Artenvielfalt ab, weil viele Insekten die Nahrungsgrundlage für andere Tiere wie Vögel, Amphibien oder Igel sind. Der Rückgang der Gesamtmasse von Insekten um 75 Prozent in den vergangenen drei Jahrzehnten ist daher dramatisch. Für Michael Kock geht es bei der Rettung der Artenvielfalt um nichts Geringeres als die Bewahrung der Schöpfung.

„Wir alle sind verantwortlich dafür“, betont der Gemeindereferent der Pfarrei Christkönig. „Deshalb unterstützen wir das auch gerne.“ Um neuen Lebensraum für die Insekten zu schaffen, geht die Initiative parallel drei Wege: Paten für Blühstreifen anwerben, Beratung für die Gestaltung von insektenfreundlichen und naturnahen Gärten und Balkonen sowie ein spezielles Blühfeld für Kinder, an dem sie beobachten und lernen können. Dabei erfährt die Initiative gerade von den Landwirten im Kreis Heinsberg große Unterstützung: „An Feldern für die Blühwiesen mangelt es nicht“, sagt Sonja Schmalen. 40 000 Quadratmeter haben die Landwirte bisher dafür in Hückelhoven, Gerderath, Schwanenberg und Hetzerath zur Verfügung gestellt. „Davon sind 13680 Quadratmeter mit 155 Blühpatenschaften finanziert“, sagt Schmalen. Nun werden für die restlichen Flächen noch Menschen gesucht, die bereit sind, Patenschaften zu übernehmen.

Im November 2020 hat sich die Bürgerinitiative gegründet. „Ich habe seit 50 Jahren die Entwicklung in der Landwirtschaft mitgemacht“, berichtet Ideengeber Leo Schmitz. Der 72-Jährige ist Landwirt und hat seinen Betrieb vor zehn Jahren auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. „Wenn wir nur zwei Prozent der Fläche für die Insektenvielfalt nutzen, kann das schon was bewirken“, ist er überzeugt. Zusammen mit Hobby-Imker Heinz Kamp und Landwirt Gerd Schmalen hat Schmitz beschlossen, für die Insekten wieder mehr Lebensraum zu schaffen und dafür Mitstreiter zu suchen. Das Trio holte mit Schmalens Töchtern Sonja Schmalen und Nicole Krojer zwei Marketing- und Social-Media-Expertinnen ins Boot und begann, für seine Sache die Werbetrommel zu rühren. Mit Erfolg: Neben den 155 Blühpatenschaften schalteten sich beim ersten Online-Tag der offenen Tür auch gleich 82 Interessierte aus Aachen, Stolberg, Gerderath, Heinsberg, Schwanenberg, Golkrath, Erkelenz und Mönchengladbach zu.

„Wir wollen möglichst viele Menschen dafür begeistern, die wilde Schönheit der Natur zu schätzen und sich für den Artenschutz einzusetzen. Und damit das klappt, bringen wir die richtigen Leute zusammen“, beschreibt die Initiative ihre Mission. Ein erstes Ergebnis, das im Frühjahr sichtbar wird, ist die Kinderwiese in Hetzerath. Auf 4000 Quadratmetern soll es bald grünen und blühen, summen und brummen. Damit die Kinder besser beobachten können, was in ihrem Blühfeld los ist, entsteht hier auch ein Weg, der in die Wiese führt. Was hier angepflanzt wird, bestimmen die Kinder.

Das Wichtigste ist, das Bewusstsein für die Umwelt zu schärfen. Aber damit werden auch Fragen kommen, die es zu beantworten gilt. Denn ein Grund für viele Steingärten ist die Angst, dass die Pflege eines Gartens zu viel Zeit kostet. Fragen zur Gartengestaltung, zu Samen und Anbau können die Experten in der Initiative beantworten. „Es kommt uns zugute, dass wir hier Landwirte und Imker in unserem Team haben“, sagt Alice Mohren. 
Das Engagement nützt neben den Insekten auch dem Niederwild und Vögeln. Denn auch die sind mit dem Sterben der Artenvielfalt bedroht. „Inzwischen ist der Rebhuhnbestand um 90 Prozent reduziert“, sagt Sonja Schmalen beim Online-Tag. Auch der Gesang der Vögel wird immer weniger. Wer darauf nicht verzichten mag, sollte sich engagieren.