Es ist eine Lebensaufgabe

Das Diensthandy ist übergeben: Nach 22 Jahren heißt der Dombaumeister nicht mehr Helmut Maintz, sondern Jan Richarz

(c) Andreas Herrmann
Datum:
6. Feb. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 05/2023

Schon früh hatte Dombaumeister Helmut Maintz seinen Abschied angekündigt. Offizieller Abschied war nach knapp 37 Jahren „am Dom“ beim Karlsfest. Am 1. Februar war der erste „Rentenruhetag“, wie er schmunzelnd sagt. Mit seinem Nachfolger Jan Richarz, der seit Sommer letzten Jahres feststeht, hat er eine zweimonatige Übergangszeit gestaltet. Der gebürtige Dürener und Wahl-Stolberger Richarz hat eine enge Verbindung zu Aachen: Hier hat der Bauhistoriker studiert und auch über die Domstadt promoviert.

Hat Jan Richarz bei Ihnen mit seiner Aachen-Kenntnis als Nachfolger gepunktet?

Helmut Maintz: Ich habe die Bewerbungen zwar alle gesehen, aber ich wollte ganz bewusst nicht in die Berufungskommission, weil ich vielleicht den einen oder anderen gekannt hätte und ein bisschen befangen gewesen wäre.

 

Haben Sie sich vorstellen können, einmal „am Dom“ zu arbeiten??

Jan Richarz: Ich habe Baugeschichte studiert, vorher ein bisschen Bauingenieurwesen. Da ist der Dom immer ein Thema. Als junger Student träumt wahrscheinlich jeder mal davon: Da will ich einmal arbeiten. Ich hätte aber trotzdem nicht gedacht, dass das mal mein Job wird.

 

Dombaumeister klingt, als würde die Aufgabe vor allem mit Bauen zu tun haben. Können Sie Ihre Top-5-Projekte nennen?

Helmut Maintz: Ein Highlight war natürlich die Sanierung der Mosaiken und Marmorplatten und Fußböden im Zentralbau. Es war das erste Mal, dass die Leute nach jedem Abschnitt gesagt haben: „Guck mal, wie schön das wird.“ Wir haben es natürlich nicht gemacht, um „sauber“ zu machen. Es mussten zum Teil Mosaiksteine ersetzen, die Marmorplatten abschleifen, gegen Besucher und viel zu viel CO2 schützen. Der Erfolg war enorm. Das sieht man natürlich bei anderen Baustellen nicht immer so. Wenn wir draußen arbeiten, passiert das hinter oft einem Gerüst versteckt. Wenn es nach fünf Jahren wegkommt, sagen alle: „Das sieht ja genauso aus wie vorher“. Das ist für uns auch ein Kompliment. Weil man daran sieht, dass wir schonend gearbeitet haben. Es muss nicht neu aussehen oder strahlen. Wir kümmern uns um den Erhalt. Es soll ja so viel Originalsubstanz erhalten wie möglich.

Besonders war natürlich auch die Sanierung vom Turmkreuz inklusive dem ersten Schreck, als wir es sofort haben herunternehmen müssen, weil es sonst abgestürzt wäre, und es zum Karlsfest bei wunderschönstem Winterwetter mit dem goldenen Hahn oben wieder aufgesetzt haben. Die Chorhalle war natürlich auch etwas ganz Besonderes mit der Verglasung. Es gibt ganz, ganz viele tolle weitere Projekte, die alle schön waren, die aber auch alle viel Sorgen gemacht haben, wie der Transport des Karlsschreins oder des Marienschreins aus der Goldschmiedewerkstatt vom ersten Obergeschoss in den Dom – einen so wertvollen Kunstgegenstand.

 

Ganz schön viel zu tun für ein vier-köpfiges Team der Dombau-Hütte.

Maintz: Das ist das eigentliche Problem: Man kann Aufgaben nicht delegieren, man muss tatsächlich selber raus. Beispiel: Die technische Ausstattung wie es sie in der Schatzkammer gibt, muss gewartet werden. Wir haben natürlich mit der Domsingschule ein Objekt, in dem auch wieder Prüfungen stattfinden. Wir haben eine Klimaanlage in der Schatzkammer, die immer wieder geprüft werden muss Wir haben eine Feuerlöschanlage für die Dachstühle, die in Betrieb bleiben muss. Wir haben eine Brandmeldeanlage, die gewartet werden muss …

 

Es sind nicht immer nur Baustellen im Wortsinn, die im und um den Dom zu Aachen einen Dombaumeister beschäftigten – manchmal sind es auch wie 2008 archäologische Grabungen. (c) KiZ-Archiv/Thomas Kreft
Es sind nicht immer nur Baustellen im Wortsinn, die im und um den Dom zu Aachen einen Dombaumeister beschäftigten – manchmal sind es auch wie 2008 archäologische Grabungen.

Im Grunde ist der Dombaumeister so ein bisschen der Hausmeister vom Dom?

Jan Richarz (lacht): Wir sagen manchmal auch, wir machen Facility Management.

Maintz: Das geht soweit, dass man sich überlegen muss: Wie wird im Dom gereinigt? Auf keinen Fall zu feucht. Kann man auch Maschine nutzen? Ja! Aber nicht zu sehr. Wie ist das mit den Besuchern? Bringen Sie nicht zu viel Feuchtigkeit hinein.

Jan Richarz: Gerade bei dem Winterwetter ist das ein Problem. Es darf uns niemand Salz an die Wolfstür streuen? Da muss schon drauf geachtet werden.

Helmut Maintz: Unser großes Manko ist eigentlich, dass wir unheimlich viele Besucher haben. In der Spitze waren es über zwei Millionen Gäste. Nach Corona sind sie in diesem Jahr wieder auf einer Million gewachsen. Alle kommen umsonst in den Dom. Das ist so in der katholischen Kirche in Deutschland. Sie muss immer offen sein für Beter. Für uns ist das, wie soll ich sagen, ärgerlich. Wenn jede Besucherin oder jeder Besucher nur 5 Euro geben würde, was wenig ist im Vergleich zu italienischen Kirchen, würde es uns finanziell unheimlich helfen.

 

Woher wissen Sie, wie viele Menschen den Dom besuchen?

Helmut Maintz: Wir hatten schon immer eine Besucherzählung. Mit der neuen Kamera-Anlage haben wir eine professionelle Besucherzählung bekommen. Jetzt können wir den Domschweizern einen Hinweis geben: Es sind 500 Leute im Dom, wir müssen die Türen zu machen, damit die Luftfeuchtigkeit nicht so hoch wird. Die Luftfeuchte darf nicht zu hoch werden, sonst fängt es an zu schimmeln. Aber sie darf auch nicht zu tief liegen, sonst fangen die Malereien oder die Orgel an Schaden zu nehmen,. Sie merken schon, wie viel da reinspielt. Das gilt auch fürs Heizen: Seit dem Jahr 2000 heizen wir nur auf 14 Grad. Wer das kritisiert, dem sage ich: „Zieht Euch lange Unterwäsche.“

 

1992 hat es ein großes Erdbeben gegeben.

Maintz: Also eigentlich hat es mich gewundert, dass es so gut abgegangen ist. Bei den Mosaiken im Zentralbau sind alte Risse aus der Bauzeit um 800 wieder aufgegangen und einige Mosaiksteine herunter gefallen. Das heißt, wir wussten: Es kommt was auf uns zu in Zukunft. Die Chorhalle hat sich selber geholfen oder ihr wurde geholfen, so muss man sagen. Die sogenannte Pirletsche Konstruktion, die um 1850 einbaut wurde, ist wie eine Kralle, die die Chorhalle fest bindet. Sie hat eine unheimlich große Erdbebensicherheit.

 

Was werden Sie als erstes angehen?

Jan Richarz: Ich muss in die laufenden Projekte einsteigen, sie weiterbringen und zu einem guten Abschluss bringen. Das ist ja schon eine Herausforderung. Beispielsweise sind für die Beleuchtung noch Feinabstimmungen zu machen. Gleichzeitig habe ich das erste Projekt schon begonnen. Wir bauen gerade an der Chorhalle ein Gerüst auf, weil wir dort mit der Sanierung weitermachen müssen; ein Projekt im Bereich zwischen Bauen und Restaurierung.

Helmut Maintz: Das habe ich ihm aufgedrückt. Wir haben die Südseite vor zwei Jahren gemacht, letztes Jahr die Nordseite und jetzt ist halt die Ostseite dran. Mitten im Jahr ist die Heiligtumsfahrt, ein ungeschriebenes Gesetz lautet: Es steht zur Heiligtumsfahrt kein Gerüst am Dom.

Jan Richarz: Ich weiß, dass am 7. Juni das Gerüst weg sein muss. Und wenn es nicht weg sein sollte, muss ich mich schleunigst darum kümmern, dass es binnen eines Tages wegkommt. Außerdem muss ich schon Projekte für 2024 , -25, -26 vorplanen.

 

Mit einem Acht-Stunden-Tag kommt man wohl nicht aus?

Jan Richarz: Wenn ich eine Stelle wie die des Dombaumeisters annehme, ist klar, dass ich auch abends mal zu Hause etwas tue und auch am Wochenende. Es war für mich als Wissenschaftler an der Uni schon so, dass man die Themen mitnimmt und im Kopf wälzt. Dann hat man nachts die Idee, die einem morgens weiterhilft. Insofern beneide ich ihn etwas, wenn er jetzt in den Ruhestand eintritt (schmunzelt).

Helmut Maintz: Am 31. Januar bekommt Jan Richarz mein Diensthandy. Ob es um den Bau geht, eine Alarmanlage ausgelöst wird, irgendwo Wasser eindringt, die Telefonleitungen für einen Alarm- oder Brandmelder defekt sind – das alles kriegen Sie auf das Handy, egal ob Sie zu Hause oder im Urlaub sind. Dann muss man entscheiden: Ist es wichtig oder nicht – und wissen: Ich kann mich auf meine Mitarbeiter verlassen.

Jan Richarz: Ich bin seit langen Jahren im Technischen Hilfswerk aktiv, wenn auch in den letzten Jahren nicht mehr so sehr. Außerdem bin ich Bau-Fachberater. Ich bin schon so 20 Mal im Jahr rausgerufen worden und also auch ein bisschen daran gewöhnt. Das heißt, ich freue mich nicht, wenn mein Handy klingelt. Aber das gehört jetzt nun mal mit dazu.

 

Knapp zwei Monate hatten der scheidende Dombaumeister Helmut Maintz (l.) und der neue Dombaumeister Jan Richarz für die Amtsübergabe. (c) Domkapitel/Andreas Steindl
Knapp zwei Monate hatten der scheidende Dombaumeister Helmut Maintz (l.) und der neue Dombaumeister Jan Richarz für die Amtsübergabe.

Mit wieviel Respekt gehen Sie die neue Aufgabe an?

Jan Richarz: Das ist schon die Stelle, die ich mit dem meisten Respekt antrete. Respekt habe ich vor allen Dingen vor der Größe der Projekte. Beispielsweise der Kreuzgang: Dass man das vom Gedanken vorne richtig anfängt und am Ende auch das Richtige rauskommt. Dass man nicht allzu oft umsteuern muss, die Finanzierung sicher aufbaut, dass das auch klappt und man genug Geld hat, um das, was man sich vorstellt, verwirklichen zu können. Das wiederum traue ich mir sehr zu. Der Aachener Dom ist das älteste Welterbe nördlich der Alpen. Das hat schon so seine Bedeutung. Wir müssen immer gut aufpassen, dass wir diesen Welterbe-Status schützen. Wir müssen auch über die UNESCO Aachen mit seinem Dom auf internationalem Parkett vertreten. Da bin ich als Wissenschaftler an der RWTH natürlich schon ein bisschen geschult. Wir haben an solchen Veranstaltungen regelmäßig teilgenommen, bei denen man Reden halten und sein Objekt vorstellt muss – und seine Forschung. Das – zum Beispiel – gehört ja auch dazu: Forschung zu betreiben.

Helmut Maintz: Eine Aufgabe ist eben, eine gewisse Öffentlichkeit herzustellen. Wir müssen immer dafür Sorge tragen, was der Dom bei unseren Bürgern und Bürgerinnen im Gedächtnis bleibt. Wir sind auch auf Spenden angewiesen. Das Domkapitel hat eine riesengroße finanzielle Aufgabe. Wir haben natürlich einen Dombauverein, der uns gut unterstützt. Aber auch der Verein muss gepflegt und die Mitglieder mitgenommen werden. Deshalb war immer eine meiner Devisen: Wir müssen in den Baustellen auch immer eine Öffentlichkeit herstellen. Die Gerüste müssen so sein, dass auch Besucher da drauf gehen können.

 

Sie haben die Privatnummer von Herrn Maintz, falls es mal eine Nachfrage gibt?

Jan Richarz (lacht): Ich glaube, ich bin der Einzige, der privat noch anrufen darf. Helmut

Maintz (grinst): So ungefähr.

Jan Richarz: Es ist halt eine Lebensaufgabe. Ich weiß, was Herr Maintz alles verwirklicht hat, und das verlangt mir großen Respekt ab. Jetzt bin ich der Nächste, der versucht, diesen Dom über die Zeit zu retten und wieder an den Nächsten weiterzugeben.

 

Das Gespräch führte Dorothée Schenk.