Man schreibt das Jahr 1847. In Aachen blüht die Tuchindustrie, Wissenschaft und Forschung entwickeln sich, die Gesellschaft beginnt, sich zu industrialisieren. Und der Aachener Dom? Anno 793 „aus ew’gem Stein erbauet“ (GL 478), bot er Mitte des 19. Jahrhunderts ein „Trauerbild unseres Verfalls“. Was war passiert?
„Vor allem der große Stadtbrand von 1656 hatte nachhaltige Schäden hinterlassen“, sagt Hubert Herpers, Vorsitzender des Karlsvereins-Dombauvereins. Die napoleonische Herrschaft tat dann ein Übriges: Es wurde geplündert, Kulturgüter wurden konfisziert und nach Frankreich überführt, sogar die Dacheindeckung aus Blei wurde abgetragen, so dass der Dom ungeschützt der Witterung ausgesetzt war. Ein wahrhaft trauriger Anblick also, der sich dem Vorstand des 1847 gegründeten „Karlsvereins zur Restauration des Aachener Münsters“ bot. In einer der ersten lokalen Bürgerinitiativen hatten sich Unternehmer, Juristen und Stadtrepräsentanten zusammengeschlossen, um „durch Darbringung von Geldbeträgen und in sonst jeder angemessenen Weise zum Schutze und zur Wiederherstellung des Münsters in unserer Vaterstadt tätig zu werden …“, So ist es noch heute im Statut vom 31. Oktober 1849 belegt. 97 Mitglieder konnte Advocat Franz Jungbluth, der erste Vorsitzende, um sich versammeln. 50 Jahre später zählte der Verein bereits 1500 Personen.
Zuletzt war der Aachener Dom im Zweiten Weltkrieg höchster Gefahr ausgesetzt. Nur dem beherzten Eingreifen der „Domwache“, einer Gruppe von Jugendlichen, die den Bau bei Bombenangriffen schützte, ist es zu verdanken, dass Kaiser Karls Pfalzkirche erhalten blieb. Und vielleicht hatte auch eine höhere Macht ihre Hand im Spiel: So wurde der Dom am
24. Dezember 1943 bei einem Luftangriff getroffen. Doch, o Wunder: Die Zeitzünderbombe wurde aus der Chorhalle geschleudert und detonierte erst einige Meter weiter in der Hartmannstraße.
Bis heute sind Brände die größte Gefahr, der der Aachener Dom ausgesetzt ist. Als mahnendes Beispiel gilt die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Wer erinnert sich nicht an deren verheerenden Brand im April 2019?
Der Karlsverein-Dombauverein hat sich deshalb im 175. Jahr seines Bestehens die Erneuerung des Brandschutzes im Aachener Dom auf die Fahnen geschrieben. Bis vor gut 50 Jahren wurden die Aufträge für Sanierungen am und im Dom noch vom Vereinsvorstand bestimmt und vergeben. Inzwischen trägt der Dombaumeister die Verantwortung. So war es auch keine Frage, dass sich der Vorstand den Wunsch von Dombaumeister Helmut Maintz zu eigen machte, der eine neue Feuermeldetechnik für das historische Gebäude zu seinem Herzensanliegen gemacht hat. Eine Maßnahme, die Maintz noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Ende Januar 2023 verwirklichen möchte. Dass der Karlsverein dieses Projekt mit der bis dato einmaligen Summe von 790 000 Euro unterstützt, lässt die Bedeutung des Themas erahnen. „Satzungsgemäß sehen wir uns dem Schutz des ersten deutschen Unesco-Welterbes von 1978 aufs Höchste verpflichtet“, erklärt Hubert Herpers, der seit 2015 dem Vorstand des Karlsverein-Dombauvereins vorsteht. „Als Verein engagieren wir uns dafür, dass im Zuge der geplanten neuen Innenbeleuchtung des Doms auch alle alten Kabel ausgetauscht werden, da diese nicht mehr den heutigen Brandschutzbestimmungen entsprechen. Das ist die Grundlage für ein zeitgemäßes Brandschutzkonzept.“
Dombaumeister Helmut Maintz
Tatsächlich seien die Dachstühle bereits durch eine Brandmelde- und Feuerlöschanlage gut geschützt, für die meisten Innenräume gelte dies jedoch nicht, sieht der Dombaumeister Gefahrenstellen. „Gerade Altäre, Gestühl, Orgeln und Schränke aus Holz, aber auch Paramente aus Stoff gehen schnell in Flammen auf“, zählt Helmut Maintz auf. Dringend benötigt werde daher eine Brandmeldetechnik, bei der spezielle Kameras Rauch und Flammen bereits in ihrer Entstehung erkennen könnten. Nur so könne die Feuerwehr frühzeitig alarmiert werden. Ein zusätzlicher Sicherheitsnutzen sei überdies die Raumüberwachung, die in einem geleistet werde. Zuvor gelte es jedoch, die Elektroanlage komplett zu erneuern: „Alle Kabel sind über 35 Jahre alt, spröde und brüchig“, befürchtet Maintz Schwelbrände, die sich aufgrund fehlender Abschottungen zwischen Gebäudeübergängen rasch verbreiten könnten.
Gemeinsam wollen Karlsverein und Dombaumeister Aachens Wahrzeichen möglichst noch im Jahr 2022 sicherer machen. Ambitioniert, aber nicht unmöglich, wie zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen. Erst 2016 war die Grundsanierung des Doms abgeschlossen worden. 30 Jahre lang wurden Statik, Mauerwerk, Dachstühle, Fenster, Mosaike und mehr restauriert. Insgesamt 37 Millionen Euro flossen in diese Arbeiten. In den zurückliegenden 25 Jahren stellte der Karlsverein-Dombauverein mehr als 8,5 Millionen Euro zur baulichen Erhaltung des Kulturdenkmals bereit. Die Finanzierung lastet dabei auf mehreren Schultern, wie Hubert Herpers erklärt: „Aus den moderaten Beiträgen unserer knapp 3000 Mitglieder kommen pro Jahr 60000 Euro zusammen. Bedeutsam sind daher vor allem Spenden. Zudem verfügt der Verein über zwei Stiftungen, von denen die Dr.-Hans-Müllejans-Stiftung mittlerweile über ein Kapital von 1,9 Millionen Euro verfügt.“ Geld, das nach wie vor benötigt wird. Neben akuten Maßnahmen ist es die wohl wichtigste Aufgabe der Dombauhütte, das Münster in seinem guten Zustand zu erhalten. Die „Pflegende Hand“, nennt Helmut Maintz diesen
Ansatz, bei dem er den im Entstehen begriffenen Schäden immer einen Schritt voraus sein möchte, um so viel Originalsubstanz wie möglich zu bewahren. Den Karlsverein-Dombauverein weiß er dabei als verlässlichen Partner an seiner Seite. Schließlich fasziniert die Kirche Karls des Großen die Menschen in ihrer Pracht und Einzigartigkeit bis heute. Deshalb kann auch jeder Aachens Welterbe unterstützen und Mitglied im Karlsverein-Dombauverein werden.
Weitere Informationen unter www.karlsverein.de.