„Es gibt eine Gütekraft, die wir entgegensetzen können“

Die Würde steht im Mittelpunkt einer Diskussion in der Aachener Citykirche

Die Würde stand im Mittelpunkt der Diskussion mit Moderator Oliver Kelmis (v.l.), Sedar Yüksel, Bischof Helmut Dieser und Jens-Peter Bentzin. (c) Bistum Aachen/Jari Wieschmann
Die Würde stand im Mittelpunkt der Diskussion mit Moderator Oliver Kelmis (v.l.), Sedar Yüksel, Bischof Helmut Dieser und Jens-Peter Bentzin.
Datum:
12. März 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 11/2024 | Jari Wieschmann

Es braucht ein gemeinsames Verständnis: Ansonsten kann die Würde nicht wirksam werden. Die Würde stand im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde in der Aachener Citykirche. Oliver Kelmis, ehemaliger Vizepräsident des Nordrhein-Westfälischen Landtages, moderierte die Runde und begrüßte neben Bischof Dr. Helmut Dieser den evangelischen Pfarrer Jens-Peter Bentzin und SPD-Landespolitiker Sedar Yüksel geladen. Unter dem Motto „Würde bedingt  - unbedingt?“ hatte die Kulturstiftung Würselen die Debatte auf die Beine gestellt. 

Anlass war die Ausstellung des syrischen Künstlers Delo Azad, die noch bis zum 14. März im Kulturzentrum Altes Rathaus in Würselen zu sehen ist. Ausgehend von Artikel eins des Grundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ – kritisierte Jens-Peter Bentzin, dass die Würde immer auch einen Preis habe. „Doch dieses Preisschild gehört nicht an die Menschenwürde.“ Und Bischof Dr. Helmut Dieser ergänzte, dass niemanden die Würde genommen werden könne: Im Guten wie im Schlechten. Dem entgegen stehe das Signal der Vergebung oder Gnade. Alle Diskutanten waren sich darüber einig, dass die Würde in einer alles andere als idealen Gesellschaft fortwährend betont werden müsse und die Gleichgültigkeit angesichts von weltweiten Krisen und Kriegen eine große Gefahr darstelle. „Doch solange ich den Schmerz noch spüre, bin ich nicht gleichgültig,“ unterstrich Bischof Dieser.

Dass auch in der Politik um Haltung und Würde gerungen wird, wusste Sedar Yüksel zu berichten. Im besten Fall sei die    Demokratie ein Wettstreit der Ideen. „Leider muss ich in letzter Zeit eine Entwürdigung des Parlamentarismus durch eine nicht namentlich genannte Partei feststellen, die inzwischen in vierzehn Landtagen sitzt“, sagte der Vorsitzende des Petitionsausschusses. Trotz dieser unschönen Situation gebe es aber eine Gütekraft, die wir entgegensetzen können. Der Sozialdemokrat veranschaulichte dies mit einer beeindruckenden – persönlichen – Geschichte. Im Jahr 2018 hatte ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion während einer Ausschusssitzung im Düsseldorfer Landtag einen Herzanfall erlitten. Als gelernter Krankenpfleger zögerte Sedar Yüksel keine Sekunde und leistete Erste Hilfe. Interviews geben oder aber für einen Orden vorgeschlagen werden, wollte der Bochumer aber nicht. „Wenn die Pflicht eines Menschen zur Heldentat wird, dann stimmt etwas in unserer Gesellschaft nicht.“ Stattdessen komme es darauf an, die eigene Haltung zu bewahren und auch dem Gegenüber, der anders denke, eine Würde zuzusprechen.