Rund 120 Mal im Jahr werden die Notfallseelsorger in Krefeld von der Leitstelle der Feuerwehr in den Einsatz gerufen. Hinter dieser nüchternen Zahl stehen Tragödien: ein häuslicher Todesfall, ein Suizid, ein schwerer Verkehrs- oder tödlicher Arbeitsunfall.
Andere Unglücke, in denen die Ehrenamtlichen dringend gebraucht werden, sind Notfälle an Schulen, aber auch Katastropheneinsätze wie der Brand im Krefelder Zoo und zuletzt bei der Flutkatastrophe an der Ahr.
Sie helfen seit 25 Jahren und feiern diesen Geburtstag natürlich in der Hauptfeuer- und Rettungswache.
Auslöser für die Gründung des Hilfsdienstes war das bisher schwerste Zugunglück der Bundesrepublik mit 101 Toten und 105 Verletzten 1998 in Eschede. Bevor die Rettungskräfte eintrafen, versuchten Anlieger, den schreienden Menschen beizustehen. Sie sahen erschütternde Bilder, die sie nicht mehr aus dem Kopf bekamen.
Dies war die Initialzündung für die Notfallseelsorge in Krefeld.
„Erste Hilfe für die Seele“ ist ihr Leitsatz. „Das darf sich nicht wiederholen, dass die helfenden Menschen, die nicht zu den Rettungsdiensten gehören, nicht aufgefangen werden. Das war damals die wichtige Aussage“, berichtet Dietmar Krebbers, der die Notfallseelsorge in Krefeld koordiniert.
„Sie unterliegt der ökumenischen Trägerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen und der Region Krefeld im Bistum Aachen.“
Zur Geburtstagsfeier waren Superintendentin Barbara Schwahn und Regionalvikar Thorsten Obst geladen.
Die Notfallseelsorger bleiben vor Ort, wenn die offiziellen Helfer abgerückt und bis soziale Kontakte geknüpft sind. Der erste Satz der freiwillig tätigen Menschen lautet: „Ich bin jetzt für Sie da.“
Krebbers: „Kein Trauernder bleibt alleine. Ich lasse die Menschen dann erzählen, das Unaussprechliche aussprechen. Vielfach müssen wir auch das Schweigen aushalten.
Wenn dann Familien, Freunde oder Nachbarn – das wichtige soziale Umfeld – eintriffen oder bei einer gesundheitlichen Gefährdung der Arzt, ist unsere Arbeit vorbei.“
Fast immer spüre er deutlich die Erleichterung der Einsatzkräfte über seine Anwesenheit und seine „Dolmetschertätigkeit“. Jeder Einsatz sei eine eigene Welt: weinen, erzählen, schweigen, planen, klagen, Abschied nehmen, vielleicht eine Runde mit dem Hund gehen …
Eine Notfallseelsorgerin berichtet: „Ich wurde zu einem heftigen Einsatz gerufen. Der Vater von zwei kleinen Kindern war ganz plötzlich verstorben. Die Ehefrau hatte noch erfolglos versucht, ihn zu reanimieren. Unterwegs zum Einsatzort kamen mir Zweifel. Wie kann ich als Notfallseelsorgerin in dieser schlimmen Situation helfen und den Angehörigen beistehen? Beim Eintreffen am Einsatzort stellte ich mich vor, und sprach – während die Mutter und Ehefrau von der Kripo befragt wurde – mit den Kindern. Ich hörte zu, hielt eine Hand und war einfach da für die Kinder und später für die Ehefrau. Wir nahmen gemeinsam Abschied vom Vater und Ehemann, ich segnete den Verstorbenen. Nachdem der Bestatter den Leichnam abgeholt hatte, verabschiedete ich mich. Ich nahm die Ehefrau in den Arm, ließ unseren Flyer und für jeden eine kleine gehäkelte Maus für die Seele dort. Auf der Rückfahrt stelle ich mir den Einsatz ohne mich als Notfallseelsorgerin vor. Ich bin froh, dass es uns gibt. Das gibt mir die Motivation für den nächsten Einsatz.“
Heute versehen in Krefeld 30 Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger, das sind 26 Ehrenamtliche und vier Hauptamtliche, ihren Dienst im Schichtbetrieb an 24 Stunden und 365 Tagen im Jahr.
Zwei Drittel der Personen sind katholische Mitarbeiter. Ein Drittel ist evangelisch. Fortbildungen und Supervision gehören zum Standardprogramm eines jeden von ihnen. Denn auch für ihre eigene Seele müssen sie Sorge tragen. „Die Kosten teilen sich die Kirchen, die Kommune beteiligt sich – anders als beispielsweise in Viersen, wo gedrittelt wird – nicht. Wir hätten nichts gegen ihre Beteiligung in Krefeld, zumal die Kirchensteuermittel zurückgehen“, sagt Dietmar Krebbers.
„Darüber müssen wir für die Zukunft nachdenken, damit die Kernkompetenzen von Seelsorge nicht zu kurz kommen.“