Erste Hilfe für die Seele

Die Region Heinsberg bietet Interessierten an der Notfallseelsorge eine Ausbildung an

Christian Heinze- Tydecks (l.) vom Kirchenkreis Jülich und Achim Kück vom Bistum Aachen zeigen die Ausrüstung eines Notfallseelsorgers. (c) Eva Weingärtner
Christian Heinze- Tydecks (l.) vom Kirchenkreis Jülich und Achim Kück vom Bistum Aachen zeigen die Ausrüstung eines Notfallseelsorgers.
Datum:
2. Mai 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2023 | Garnet Manecke

Bei Katastrophen sind neben Rettungskräften auch oft Notfallseelsorgerinnen und 
-seelsorger vor Ort, um Opfern, Angehörigen und Rettungskräften zur Seite zu stehen. Für diese Arbeit werden die Notfallseelsorger speziell ausgebildet. In der Region Heinsberg werden Interessierte für diesen ehrenamtlichen Dienst gesucht.

Das Gutenberg-Gymnasium ist fast jedem ein Begriff. Aber nicht ein ungewöhnliches pädagogisches Konzept hat den Namen der Schule in Erfurt über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht, sondern ein Amoklauf 2002, bei dem 16 Menschen starben und sich der Attentäter anschließend selbst erschoss. Auch die Stadt Haltern am See steht untrennbar mit einer Katastrophe in Verbindung, seit 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen des Gymnasiums 2015 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Der Co-Pilot hatte die Maschine gegen einen Felsen gesteuert. 150 Menschen verloren ihr Leben. Schon für diejenigen, die diese Nachrichten nur hören, sind sie schockierend. Für die Angehörigen bedeuten solche Ereignisse, dass ihr ganzes Leben aus den Fugen gerät. Notfallseelsorger leisten hier Beistand.

Der beginnt schon früh. In den vergangenen Monaten hat es an mehreren Schulen in Mönchengladbach und anderen Städten Deutschlands Amoklauf- und Bombendrohungen gegeben – mit allen Konsequenzen. Die Schulen wurden evakuiert oder die Schülerschaft musste stundenlang in Räumen ausharren, bis die Lage geklärt war.

Sondereinsatzkommandos der Polizei kamen zum Einsatz, Rettungswagen standen bereit. Für Eltern und Kinder sind das bange Stunden, deren Ausgang ungewiss ist. Für sie sind die Notfallseelsorger da: Sie beruhigen Angehörige und hören zu, wenn die Bedrohung akut ist. Nach der Entwarnung reden sie mit den Schülerinnen und Schülern, damit die das Geschehene verarbeiten können. Sowohl Gruppen- als auch Einzelgespräche werden dafür geführt.

Für diese wichtige Aufgabe sucht der Notfallseelsorgedienst in der Region Heinsberg nun neue Kräfte. Im September beginnt ein Ausbildungskurs, der die Frauen und Männer auf diese spezielle Aufgabe vorbereitet. Auch wenn es meist nicht um solche großen Katastrophen geht. Wer erfährt, dass ein Angehöriger bei einem Unfall gestorben ist, braucht genauso Beistand wie Menschen, die nach einem Hausbrand gerade mit ihrem Leben davon gekommen sind.

Über die Einsatzleitung wird der Einsatz der Notfallseelsorger koordiniert. (c) Garnet Manecke
Über die Einsatzleitung wird der Einsatz der Notfallseelsorger koordiniert.

„Wir wollen in der Zukunft gut aufgestellt sein, da wir viele ältere Ehrenamtler in unseren Teams haben und im Zuge der Coronapandemie auch einige weggefallen sind“, sagt Achim Kück, Gemeindereferent im Bistum Aachen sowie Ausbildungsreferent Notfallseelsorge. Derzeit befänden sich pro Kreis rund 40 Personen im Dienst. Die ökumenische Notfallseelsorge gebe es nun seit 23 Jahren. Gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen, Diakon Christian Heinze-Tydecks vom Kirchenkreis Jülich, wirbt Kück um Interessenten. Heinze-Tydecks ist Ausbildungsleiter Notfallseelsorge für den Kreis Heinsberg und Kreis Düren.

Neun Monate dauert die Ausbildung zum Notfallseelsorger. Ab September findet ein neuer Kurs statt, der 160 Unterrichtseinheiten umfasst. Zwei Hospitationen beim Rettungsdienst und bei der Polizei sowie eine Supervision sind enthalten. Mindestens 26 Jahre müssen die Interessenten alt sein. Bevor die Ausbildung beginnt, wird in einem intensiven Orientierungsgespräch geklärt, ob der Einsatz etwas für die Interessierten ist. Denn neben der Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche sind eine psychische und physische Stabilität sowie Belastbarkeit, Zeit und Reflexionsfähigkeit Voraussetzungen für den Dienst. Die Notfallseelsorge verstehe sich als „Erste Hilfe für die Seele“, sagt Kück.

 

Für Menschen, die den Verlust eines Angehörigen im häuslichen Bereich, einen Unfall miterleben oder eine andere Krise wie den Tod eines Kindes erleiden, geht sicher Geglaubtes verloren, Lebensentwürfe zerbrechen, Fragen nach Sinn und Schuld kommen auf. Die Notfallseelsorge sei da das Bindeglied in der Rettungsdienstkette, um psychisch traumatisierten Menschen erste Verarbeitungshilfen zu geben, sie in der Schocksituation zu stabilisieren und das Geschehene „mit auszuhalten“. Auch bei der Klärung erster Fragen unterstützt sie und zeigt die nötigen ersten Schritte auf. „Meist braucht es eine Weile, bis das soziale oder familiäre Netzwerk greift. Wir sind dann da, um den Trauernden zur Seite zu stehen, sofern dies gewünscht wird“, sagt Kück. Ein klassischer Einsatz dauere in etwa anderthalb bis zweieinhalb Stunden. 

Informationen und Anmeldungen bei Achim Kück unter Tel. 01 52/28 48 80 11 oder per E-Mail unter seelsorgeausbildung-juelich@ekir.de. Anmeldeschluss ist der 3. September.