Und doch trauen sich zu wenig Unternehmen, Flüchtlingen einen Ausbildungsplatz anzubieten. Aus Angst vor Abschiebung. Dabei würde die berufliche Qualifizierung beiden helfen. Das zeigt das Beispiel von Azubi Youssef Abojobbah und Unternehmer Thorsten Schmitz.
Noch eineinhalb Jahre dauert es bis zu seiner Abschlussprüfung. Dann ist Youssef Abojobbah Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Dreieinhalb Jahre Ausbildung hat der Palästinenser dann hinter sich. Die Ausbildung, die er im Würselener Unternehmen Elektro Ell macht, ist für ihn ein weiterer Schritt in eine bessere Zukunft. Dafür ist der 20-Jährige vor viereinhalb Jahren geflüchtet. Dass sein Auszubildender ein Flüchtling ist, war für Thorsten Schmitz, Inhaber von Elektro Ell, bei der Auswahl kein Kriterium – weder für noch gegen die Einstellung. „Seine Initiativbewerbung ist mir aufgefallen“, sagt der Unternehmer. Beim Durchlesen habe ihm imponiert, dass der Bewerber innerhalb von eineinhalb Jahren in Deutschland seinen Realschulabschluss gemacht hat. „Wenn der das in so kurzer Zeit geschafft hatte, wollte ich ihn kennenlernen“, erinnert sich Thorsten Schmitz. Abojobbah machte bei ihm ein Praktikum und überzeugte mit seinem Engagement nicht nur den Chef, sondern auch seine Kollegen.
Thorsten Schmitz ist mit seiner Entscheidung noch eine Ausnahme auf dem Ausbildungsmarkt. „Relativ vielen Betriebsleitern ist die Rechtslage nicht klar, deshalb scheuen sie sich, Flüchtlinge als Auszubildende zu nehmen“, weiß Markus Reissen von der Katholischen Hochschulgemeinde Aachen (KHG). Vor allem das Risiko einer drohenden Abschiebung führe bei vielen Unternehmen dazu, Flüchtlinge für eine Ausbildung gar nicht erst in Betracht zu ziehen. Dass ein Flüchtling während seiner Ausbildung nicht abgeschoben werden darf, wissen die Unternehmer meist nicht. Um Unternehmer zu ermutigen, auch Flüchtlingen als Auszubildenden eine Chance zu geben, hat die KHG zusammen mit dem Café Zuflucht Aachen und dem Caritasverband die Arbeitsgruppe „willkommen.voran“ gestartet. Mit ihrer Arbeit setzt sich die Gruppe auch dafür ein, dass Flüchtlinge flächendeckend Zugang zu Sprachkursen bekommen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer Bleibeperspektive. Denn Sprachkenntnisse sind die Basis für eine Chance auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt.
Dass ohne Sprachkenntnisse keine Ausbildung möglich ist, weiß Abojobbah sehr genau. Als er am 31. August 2014 am Aachener Hauptbahnhof ankam, war er ein 15-jähriger Junge in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht sprach. „Ich hatte Glück, dass ich schon nach zwei Wochen zur Schule ging und in eine betreute Wohngruppe mit deutschen Jugendlichen kam“, sagt er. „Dadurch habe ich die Sprache schnell gelernt.“ In der Ausbildung musste er dann eine zweite Sprache lernen: die Fachsprache der Elektroniker. „Das ist ziemlich schwierig gewesen“, bekennt er. Dass er eine Ausbildung machen will, war ihm schnell klar. „Ohne Ausbildung bist du hier nichts“, sagt er. Aber auch im Falle einer Abschiebung habe sich für ihn die Ausbildung gelohnt. „Dann habe ich ein ganz anderes Standing“, begründet er.
Sein Lehrherr Thorsten Schmitz hofft allerdings, seinen Azubi auch nach der Gesellenprüfung zu behalten. „Wir machen das ja nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern bilden in erster Linie aus, um Fachkräfte für unseren Betrieb zu haben“, sagt er ganz offen. Deshalb hofft der 39-Jährige, dass Abojobbah mit einem Arbeitsvertrag im Anschluss an die Ausbildung in Deutschland bleiben kann. Die Chancen stehen mit dem verbesserten Integrationsgesetz gut. „Sollten Auszubildende nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, erhalten sie eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre, die bei weiterhin bestehendem Arbeitsverhältnis auch verlängert wird“, erläutert Ali Ismailovski vom Café Zuflucht.
Vor allem in Berufen, in denen der Fachkräftemangel groß ist, stehen die Chancen gut, dass Flüchtlinge eine langfristige Aufenthaltserlaubnis bekommen. „Man kann nicht sagen, dass es gesichert ist, aber die Chancen sind höher“, sagt Reissen. Das gilt nicht nur für jene, die in Deutschland eine Ausbildung machen, sondern auch für diejenigen, die bereits Berufserfahrung besitzen. „Allerdings sind oft die Nachweise schwierig, da bei der Flucht Zeugnisse nicht als erstes eingepackt werden“, berichtet Reissen. Für Hochschulabschlüsse gibt es in solchen Fällen zum Beispiel die Feststellungsprüfung. „Wird die bestanden, gilt das als Zeugnis-Ersatz.“ Professionelle Hilfe ist dafür nötig. Denn die Auskunft in Behörden kann unterschiedlich ausfallen. Das zeigen die Erfahrungen, die Flüchtlingshelfer in verschiedenen Kommunen machen. „Die jungen Leute sollten sich auf jeden Fall professionelle Hilfe holen“, sagt auch Thorsten Schmitz.
Die finden sie bei unterschiedlichen Institutionen. In der Region Mönchengladbach etwa engagieren sich neben vielen Asylkreisen und Institutionen wie dem SKM und der Caritas auch der TÜV Nord und die Arbeitsagentur mit speziellen Angeboten. „Da hat sich viel getan“, sagt Thorsten Schmitz. Der Unternehmer freut sich über diese Entwicklung – und noch mehr freut er sich über den guten Azubi, der aus Palästina zu ihm gekommen ist.
Mönchengladbach Erste Infos gibt der Asylkreis Mönchengladbach im Netz www.asyl-in-moenchengladbach.de. Die Arbeitsagentur hat mit dem „Integration Point“ eine spezielle Vermittlung für Geflüchtete eingerichtet: Lürriper Straße 52, 41065 Mönchengladbach,
Tel. 02 1 61/9 48 80.
Aachen Im Café Zuflucht bekommen Flüchtlinge und Unternehmen Tipps: Tel. 02 41/51 18 11 oder im Internet www.cafe-zuflucht.de.