„Mutig und stark“ ist die Überschrift der diesjährigen Anna-Oktav in Düren. Sie stellte
starke und mutige Frauen in Gottesdiensten und Predigten in den Mittelpunkt. Zum Abschluss der Wallfahrtswoche mit Schließung des Schreins an diesem Sonntag, 7. August, 18 Uhr, predigt in St. Anna Dompropst Rolf-Peter Cremer, der im Gespräch mit Dorothée Schenk einige der Aspekte seiner Predigt beleuchtet.
Warum ist die heilige Anna als Frau in der Kirche von Bedeutung?
In der Kirchengeschichte kommen Frauen oft nicht so prominent vor. Anna ist als Frau, die verehrt wird, ein Prototyp für die Frage der Beachtung der Frauen in der Kirche.
Die Oktav stellt eine Vielfalt an Frauenbildern unter besonderer Überschrift vor.
Mit den Adjektiven „mutig und stark“ geht es darum, Frauen ins Bewusstsein zu rufen. Wenn man nach mutigen und starken Heiligen fragt, wird wohl die Mehrzahl zuerst an Männer denken. Darum ist es gut und wichtig, bewusst den Blick auf die Frauen zu lenken. Die Anna-Oktav hat in dieser Woche auf Frauen geschaut, die – so unterschiedlich sie in ihrem Auftrag und Betätigungsfeld auch waren – gemeinsam haben, dass sie mutig und stark gewesen sind: die heilende Hildegard von Bingen, die gegen die Nazis auftretende Sophie Scholl, die intellektuelle Jüdin und zum katholischen Glauben gewechselte Schwester Edith Stein, die bekannte Sozial-Heilige Elisabeth von Thüringen, die Apostelin der Apostel Maria aus Magdala, die Kammillianerin Josefina Vannini, die Theologin Dorothee Sölle und nicht zuletzt Maria und natürlich ihre Mutter Anna.
Gibt es Unterschiede in der Frage der Stärke zwischen Mann und Frau?
Bei Männern ist es üblicher, dass sie ihre Stärke über die Kraft der Körperlichkeit zeigen. Sie demonstrieren sie eher. Ich möchte dabei jedoch auf einen anderen Aspekt hinweisen. In den letzten Jahren, in denen die Schuld von Klerikern an Minderjährigen und Schutzbefohlenen aufgedeckt und die Stärke und Macht der Kirche diskutiert wurde, kamen verstärkt Forderungen auf, Frauen den Zugang zu allen Ämtern und Funktionen in der katholischen Kirche zu ermöglichen. Diese Überlegungen sollten wir fortsetzen: nicht, um eine neue, eine andere Stärke zu zeigen, sondern um männliche Stärke und Macht zu relativieren.
Warum spielen Frauen als Orientierungsfiguren eine Rolle?
Es war ja lange so, dass Frauen hauptsächlich der Heimarbeit und Kindererziehung nachgegangen sind und sich beruflich anderweitig nicht profilieren konnten. Das ist heute anders. Paare teilen sich die Aufgaben, Männer gehen in Elternzeit. Es ist auch wichtig, dass man bewusst Gelegenheiten nutzt, starke und mutige Frauen auch aus der Vergangenheit vorzustellen – einerseits als Ermutigung, andererseits als Erinnerung, weil ihr Wirken oft in Vergessenheit geraten ist oder nicht reflektiert wurde.
Sie benennen in Ihrer Predigt Pippi Langstrumpf als Referenz für Frauenmut und Frauenstärke. Wie kamen Sie darauf?
Die ehrliche Antwort ist: Weil ich in Schweden im Urlaub war und dort innerlich an der Predigt gearbeitet habe. (lächelt) Astrid Lindgren hat bewusst einem Mädchen „männliche“ Eigenschaften zuge- sprochen. Darum ist sie beispielhaft, auch wenn es ein literarisches Vorbild ist. Es zeigt doch entgegen tradierten Rollenbildern ein Mädchen, das mit seiner gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrolle bricht und verwegen, ungehemmt, lustig, rebellisch und unbeeindruckt von Autoritäten eben mutig und stark ist.
„Mutig und stark“ vermittelt auch Aufbruchstimmung.
Es passt sehr gut zur Anna-Oktav und dem Wallfahrtsgedanken. Viele machen sich ja bewusst nach Düren auf. Wer pilgert, muss den Mut fassen aufzubrechen und kommt dann auch verändert zurück.