Er suchte den Bruder

.. und lernte dabei die Schattenseiten menschlichen Daseins kennen

(c) Suhrkamp Verlag
Datum:
29. Juni 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 26/2021 | Ruth Schlotterhose

Eigentlich wollte Ibrahima Balde seine Heimat gar nicht verlassen, nur die Suche nach seinem kleinen Bruder hat ihn veranlasst, von zu Hause fortzugehen. Selbst noch nicht erwachsen, muss er auf seiner Irrfahrt Unsägliches und vor allem Unmenschliches erleiden: Gewalt, Folter, Ausbeutung, Einsamkeit, Verzweiflung, Entwürdigung. Fast alle Schattenseiten menschlichen Daseins lernt er kennen. 

Im Jahr 2018 trifft Ibrahima den Bertsolari Amets Arzallus und erzählt ihm seine Geschichte. (Ein Bertsolari singt in Baskisch komponierte Lieder nach verschiedenen Melodien und Reimmustern.) „Kleiner Bruder“ – mit Ibrahimas Stimme und den Händen des baskischen Sängers geschrieben – ist außergewöhnliche Erzählkunst. Es überrascht, mit welch poetischen Worten die schrecklichen Erlebnisse niedergeschrieben wurden. Diese Worte berühren den Leser im Innersten und lassen ihn etwas von der Verzweiflung des Erzählers erahnen.

Dieses Buch ist eigentlich nichts für empfindsame Gemüter. Und doch sollte jeder diese berührende Geschichte einer Odyssee gelesen haben – besonders diejenigen, die dafür plädieren, übers Mittelmeer Geflüchtete gar nicht erst an europäischen Stränden landen zu lassen.

 

 Ibrahima Balde, Amets Arzallus: Kleiner Bruder.  Die Geschichte meiner Suche, 
139 S., Hardcover, Suhrkamp-Verlag, Berlin 2021, Preis: 14,00 Euro, E-Book: 11,99 Euro