Wenn ein schrecklicher Unfall geschieht und Polizei, Rettungswagen und Feuerwehr als Ersthelfer zum Unfallort ausrücken, folgen sie immer dem gleichen Muster. Sie
sichern die Unfallstelle ab, beugen möglichen weiteren Gefahren zum Beispiel durch austretendes Benzin vor und versorgen die Verletzten. Der Rettungstrupp handelt hochkonzentriert – jeder Handgriff muss sitzen.
Nur wenig Zeit bleibt im Krisenfall dabei für mögliche Unfallzeugen und Angehörige. Für ihre Betreuung ist nicht etwa die hauptamtliche Rettungstruppe vorgesehen, sondern ehrenamtliche Notfallseelsorger sind fest eingeplant. Seit Jahrzehnten sind die durch die beiden großen Kirchen ausgebildeten Männer und Frauen ein wichtiger Teil der Rettungskette. In einem Gottesdienst in der Krefelder Friedenskirche wurden nun sieben Krefelder und acht Viersener nach einjähriger Ausbildung als Notfallseelsorger beauftragt.
„Wir unterstützen an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden täglich den Rettungsapparat und sind angeschlossen an die Leitstellen der Feuerwehr“, erklärt der Krefelder Koordinator und Ausbilder Dietmar Krebbers. „Jeder Tag teilt sich dabei in unserem Einsatzplan in drei Schichten. In Krefeld stemmen wir das bisher mit rund 15 Leuten. Wir sind deswegen über jeden neuen Notfallseelsorger dankbar.“
Auch die 28-jährige Vera Kremers und der 60-jährige Peter Wiedenau haben sich für das besondere Ehrenamt entschieden. Die junge Frau ist beruflich aktuell im Kinder- und Jugendhospiz tätig und suchte für den Freizeitbereich nach einem sinnvollen Ehrenamt. Peter Wiedenau möchte seinen Vorruhestand nutzen, um sich bei der Notfallseelsorge zu engagieren. „Mir war es wichtig, dass ich ein Ehrenamt finde, dass einen Bezug zu meinem Glauben hat“, erklärt er. „Ich habe selbst erlebt, wie wichtig die Tätigkeit der Seelsorge ist, und möchte in der Form auch für andere Menschen da sein.“ Die Eltern des 60-Jährigen starben vor fast zwei Jahren in der ersten Welle der Pandemie. Damals waren die Stationen aufgrund des Virus für Gäste praktisch unzugänglich. Die Seelsorger des Krankenhauses fungierten als Schnittstelle zwischen Peter Wiedenau und seinen Eltern. „Meine Mutter und mein Vater waren beide sehr gläubige Menschen“, erklärt er. „Mir tat es gut zu wissen, dass neben dem medizinischen Personal da noch jemand ist, der auch über diese Themen mit ihnen spricht und für sie da ist. Das hat auch mir geholfen.“
Dabei erlebt auch die Notfallseelsorge, dass gerade im Angesicht des Todes auch bei Menschen, die sich bisher nicht dem Glauben zugehörig fühlten, elementare Themen wieder wichtig werden können. „Wir sind auf keinen Fall Missionare, und der Glaube muss nicht Teil unserer Gespräche sein“, schildert Krebbers nachdrücklich, „aber wir erleben doch, wenn den Angehörigen oder den Unfallzeugen auf einmal ihre Endlichkeit bewusst wird, dass der Glaube wieder zum Thema werden kann.“
Für alle 15 neuen Notfallseelsorger in Krefeld und dem Kreis Viersen ist der Glaube schon jetzt ein Thema. Sie alle haben vor rund einem Jahr ein Bewerbungsverfahren durchlaufen, in dem Krebbers und seine Viersener Kollegin mit ihnen auch über die eigene Spiritualität sprachen. „Wir erleben in der Notfallseelsorge Situationen, die uns an unsere Grenzen bringen können“, erklärt Vera Kremers. „Natürlich haben wir Supervision und können uns untereinander austauschen, aber der Glaube bildet doch immer das Fundament unserer Arbeit. Er gibt uns Halt und verbindet uns.“ Mit ihren wenigen 28 Jahren hat die zugezogene Krefelderin das schon häufig erlebt. Einige Zeit lebte sie im Ausland, unter anderem in Südafrika, und engagierte sich schon hier für Menschen in besonderen Situationen. Als integrative Heilpädagogin in ihrem Hauptberuf im Kinder- und Jugendhospiz begegnet sie darüber hinaus jeden Tag schweren Schicksalsgeschichten. „Mein eigener Glaube gibt mir Kraft, er treibt mich auch an“, sagt sie. „Zu ihm gehört, dass ich mich ehrenamtlich in der Notfallseelsorge engagieren möchte.“
Sowohl Vera Kremers als auch Peter Wiedenau sind jetzt beauftragte Seelsorger und können sich nach Belieben in den Schichtplan der Notfallseelsorge eintragen. Während ihrer einjährigen Ausbildung an Wochenenden und in den Abendstunden haben sie bereits bei Kollegen hospitiert, aber auch jetzt zu Beginn ihrer Tätigkeit achtet Dietmar Krebbers besonders auf sie. „Passiert zum Beispiel ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Suizid, bei dem etwa ein Kind das eigene Elternteil aufgefunden hat, ist es unsere Rolle, als Alt-Seelsorger zu unterstützen“, erklärt der Ausbilder. „Am Ende sind auch wir immer ein Team.“
Im Herbst werden dann Vera Kremers und Peter Wiedenau selbst nicht mehr „die Neuen“ sein. Dann nämlich beginnt in Krefeld und dem Kreis Viersen ein neuer Jahrgang seine Ausbildungszeit. „Als ich die Notfallseelsorge zum ersten Mal kennengelernt habe, kann ich mich noch gut daran erinnern, wie fasziniert ich davon war, was Ehrenamtliche mit der Unterstützung weniger Hauptamtlicher leisten können“, sagt Peter Wiedenau, der jetzt selbst dazugehört, und Dietmar Krebbers ergänzt: „Ich spreche im Namen von uns allen, wenn ich sage, dass wir immer Unterstützung gebrauchen können.“
Weitere Informationen zum Ehrenamt in der Notfallseelsorge gibt es online auf
www.notfallseelsorge-krefeld.de und auf www.bistum-aachen.de/Seelsorge/nfs-viersen