Einstimmen in Gottes Lob

Die sonntäglichen Vespern im Aachener Dom geben sowohl dem Gebet als auch geistlicher Musik Raum

Die Vesper am letzten Sonntag im Monat gestaltet der Mädchenchor am Aachener Dom. Singend zieht  er hier in die Bischofskirche ein, gefolgt von Domkantor Marco Fühner und Domkapitular Klaus Esser. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Die Vesper am letzten Sonntag im Monat gestaltet der Mädchenchor am Aachener Dom. Singend zieht er hier in die Bischofskirche ein, gefolgt von Domkantor Marco Fühner und Domkapitular Klaus Esser.
Datum:
6. Okt. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2021 | Ruth Schlotterhose

„‘s ist, als ob Engelein singen…“ Dieser Gedanke durchfährt den Besucher der sonntäglichen Vesper im Aachener Dom, wenn der Mädchenchor singend in das ehrwürdige Gotteshaus einzieht. Am letzten Sonntag im Monat bereichern die jungen Damen unter der Leitung von Kantor Marco Fühner das Tagzeitengebet um 18 Uhr. Dann macht der Aachener Dom seinem Namen als „klingende Kathedrale“ wieder alle Ehre.

Perfekt geeignet für den Wechselgesang: die Chorhalle des Aachener Doms. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Perfekt geeignet für den Wechselgesang: die Chorhalle des Aachener Doms.

„Möchten Sie zur Vesper?“, fragt der Domschweizer den Einlass heischenden Besucher. Touristen wird jetzt der Zutritt in den Dom verwehrt, denn gleich beginnt das Abendgebet. „Was?“ – Der Ordnungshüter erntet verständnislose Blicke. Dompropst Rolf-Peter Cremer bestätigt: „Manche Menschen wissen gar nicht, was eine Vesper ist.“ Deshalb möchte er – wenn die Corona-Pandemie denn endlich vorüber ist – das Angebot bekannter machen und noch niedrigschwelliger gestalten, als es jetzt schon ist.

Es begann mit dem Chorhallen-Jubiläum 

Rührt die Werbetrommel für die sonntäglichen Vespern: Dompropst Rolf-Peter Cremer. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Rührt die Werbetrommel für die sonntäglichen Vespern: Dompropst Rolf-Peter Cremer.

Während der Festwoche zum Chorhallen-Jubiläum im Jahr 2014 erhielt das „Glashaus von Aachen“ seine Identität als Gebetsraum wieder. Denn mit der Errichtung des Petrus-Altars im gleichen Jahr hatte die Chorhalle auch wieder eine gottesdienstliche Bedeutung erhalten. Und das barocke Chorgestühl unterstützt auf perfekte Weise den typischen Wechselgesang der Tagzeitengebete. Eine erstaunlich große Anzahl von Menschen nahm an den Gebetszeiten teil, sodass das Domkapitel sich entschloss, die Vesper zukünftig regelmäßig zusammen mit der Gemeinde in der Chorhalle zu feiern.

Liturgische Vorgaben zur Vesper gibt es im neuen Gotteslob. Ergänzend bemüht sich ein Gremium, besetzt mit unterschiedlichen Mitgliedern, die Vesper in der Domkirche beständig weiterzuentwickeln und angemessen darzustellen. Als Domkantor und Leiter des Mädchenchores am Aachener Dom gehört Marco Fühner regelmäßig dieser Arbeitsgruppe an.

 

>>Manche wissen gar nicht, was eine Vesper ist.<<

Dompropst Rolf-Peter Cremer

 

Es gibt vier Modelle für die Vespern, eigentlich fünf, erklärt er. Zum einen die „normale“ Vesper mit dem Kantor, der gleichzeitig Organist ist. Aber: „Die Stimme ist wichtiger als die Tasten“, betont Fühner. Dann gebe es die Vespern mit vokalem Schwerpunkt. Hier stehe das Psalmgebet im Mittelpunkt, aber auch Schätze aus der Musik für Solostimmen (Sopran oder Alt oder Jugendliche aus dem Mädchen- oder Domchor).

Als drittes zählt der Domkantor die Vesper mit instrumentalem Schwerpunkt auf und als viertes die Chorvesper. Sie findet regelmäßig am letzten Sonntag im Monat statt und wird vorwiegend vom Mädchenchor am Aachener Dom gestaltet. Schon der gesungene Ein- und Auszug übt eine beeindruckende Wirkung auf die Teilnehmer an der Vesper aus, die durch den mehrstimmigen Psalmgesang während der Gebetszeit noch verstärkt wird. Chor und Gemeinde treten hier als Dialogpartner auf.

In der Advents- und Fastenzeit wird auch immer noch die lateinische Vesper gesungen. Sie wird in der Regel vom Domchor gestaltet. Die Besucher bekommen dann Hefte mit den entsprechenden lateinischen Texten an die Hand, um beispielsweise die Antiphonen mitsingen zu können. Dass die Vespern zurzeit nicht in der Chorhalle, sondern im Zentralbau des Domes stattfinden, hält Marco Fühner aus musikalischer Sicht nicht für tragisch: „Der Aachener Dom klingt an allen Stellen gut“, bekräftigt er. Optimal, um chorisch zu singen, sei das Hochmünster.

Erst im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde das sogenannte „Stundengebet“ auch den Gläubigen in den Gemeinden ans Herz gelegt. In Aachen sei die sonntägliche Vesper mit rund 50 Teilnehmern in der Regel gut besucht, berichtet Dompropst Rolf-Peter Cremer. Zwei Änderungen hat das Domkapitel im Vergleich zu herkömmlichen Vespern vorgenommen.

Erstens wurde der Beginn der Vespern einheitlich auf 18 Uhr festgelegt. Nach einem ungeschriebenen Gesetz fanden die Vespern vorher quasi „seit Kaiser Karl“ sonntags immer um 15 Uhr statt. Jetzt ist das Abendgebet eine gute Gelegenheit für das Domkapitel, wenigstens einmal am Tag gottesdienstlich zusammenzukommen.

Zweitens werden die Sonntagsvespern nun in der Chorhalle des Doms gehalten. Vorher gestaltete sich die Vesper folgendermaßen, erzählt der Dompropst: Der Offiziant befand sich am Altar, das Domkapitel saß in der Chorhalle, die Gläubigen im Zentralbau, und der Chor stand an der Kremertür. Diese räumliche Trennung aller Beteiligten ließ selbstredend überhaupt kein Gemeinschaftsgefühl aufkommen. Das ist anders, seit die Vespern in der Chorhalle gefeiert werden.

Allerdings gibt es auch Menschen, denen die Chorhalle „zu intim“ ist. Diese Gläubigen fühlen sich derzeit wohler, sitzt man doch aktuell im Zentralbau in luftigem Abstand von 1,50 Metern zueinander.

Das Domkapitel achtet darauf, dass von vier sonntäglichen Vespern im Monat jeweils zwei eine besondere musikalische Note erhalten. Darüber hinaus gestalten Ordensleute einmal im Quartal das Abendgebet am Sonntag.

Nach der Pandemie soll die sonntägliche Vesper noch einmal weiterentwickelt werden, verspricht der Dompropst. Sie könne aber auch jetzt schon einen schönen Abschluss eines Sonntags bilden. Dem kann man, verzaubert vom Gesang der Engel, pardon, des Mädchenchors, und der besonderen Atmosphäre im Dom, nur zustimmen. 

Am 17. Oktober wirkt der Aachener Bachverein bei der Vesper um 18 Uhr im Dom mit.