Einmal Klartext reden

110 Frauen und Männer trafen in Hückelhoven Bischof Dieser

Bischof Helmut Dieser spricht mit Franz-Josef Bücken (r.) über die Situation in Hückelhoven. (c) Garnet Manecke
Bischof Helmut Dieser spricht mit Franz-Josef Bücken (r.) über die Situation in Hückelhoven.
Datum:
20. Juni 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2018 | Garnet Manecke
Seine „Meet&Eat“-Tour führte Bischof Helmut Dieser nach Hückelhoven, wo ihn 110 Frauen und Männer aus der Region Heinsberg erwarteten.
Wo einst die Kumpel unter Tage einfuhren, wurde beim
Wo einst die Kumpel unter Tage einfuhren, wurde beim "meet&Eat" diskutiert und gegessen.

In der Halle von Schacht 3 der alten Zeche Sophia-Jacoba sprachen sie mit dem Bischof, Weihbischof Karl Borsch und Generalvikar Andreas Frick darüber, wie sich das Bistum entwickeln sollte.

Hermine Bücken hat sich vorbereitet. Sie weiß genau, worüber sie mit dem Bischof reden will. Seit der letzte Pfarrer von seinen Pflichten entbunden wurde, gibt es keinen Pfarrer mehr in Hückelhoven. Das ist ein Punkt. Wie soll es weitergehen? Ein anderes Thema, das Hermine Bücken mit dem Bischof besprechen will, ist die Einladung zum Barbarafest am 1. Dezember. Die hat der Knappenverein St. Barbara im April nach Aachen geschickt. „Bis heute haben wir keine Antwort“, sagt Hermine Bücken. „Auch keine Absage. "Das ist nicht in Ordnung.“ Deshalb hat sie noch mal eine Einladung mitgebracht.

110 Frauen und Männer haben sich in der Halle von Schacht 3 der Zeche Sophia-Jacoba an die Biertische gesetzt. Wo einst die Kumpel Kohle förderten, warten sie nun auf den Bischof, um mit ihm über die Zukunft des Bistums zu diskutieren. In allen Regionen des Bistums ist Bischof Helmut Dieser unterwegs, Hückelhoven ist seine sechste Station. Hier kommen die Menschen aus der Region Heinsberg zusammen, und viele von ihnen stehen in enger Verbindung mit der Kohle: In Hückelhoven gibt es viele ehemalige Kumpel, die selbst noch unter Tage eingefahren sind. Aus der Pfarrei Christkönig sind Menschen da, die wegen des Tagebaus Garzweiler II umgesiedelt wurden. Es ist noch Zeit, der Bischof ist noch nicht da. Hermine Bücken ist mit ihrem Mann Franz-Josef aus Hilfarth gekommen. Das Paar sitzt mit seinen Freunden, Renate und Willi Henschke, und deren Tochter Birgit an einem Tisch. Alle sind in ihren Gemeinden aktiv: Die Frauen im Pfarreirat und in der Frauengemeinschaft, die Männer im Knappenverein St. Barbara, der vergangenes Jahr sein 60-jähriges Bestehen feierte. Für das Treffen mit dem Bischof haben Franz-Josef Bücken und Willi Henschke ihre schwarzen Uniformen angezogen.

 

Dass es keinen leitenden Pfarrer gibt, ist für die GdG Hückelhoven schwer

Dass es zurzeit keinen leitenden Pfarrer gibt, ist für die Gemeinde schwer. „Seit unser Pfarrer Derichs weg ist, hatten wir schon acht Pfarrer und Diakone“, sagt Renate Henschke. „Keiner hat lang gehalten.“ Dabei hatten sie so gute in der Gemeinde: Jürgen Frisch zum Beispiel, der jedes Jahr mit ihnen die Wallfahrt nach Bamberg gemacht habe. „Einmal sagte er morgens kurz vor dem Start ab, weil er erkrankt war“, berichtet Renate Henschke. „Als wir abends in Bamberg ankamen, stand er dann da und begrüßte uns. Er hatte sich im Auto aufgemacht, als er sich besser fühlte.“ Auch von dem 1994 verstorbenen Josef Derichs erzählen sie, den alle in Hückelhoven „Don Camillo“ nannten. „Er hat uns Bergleuten immer zur Seite gestanden“, bekräftigt Franz-Josef Bücken. Solche Leute fehlten heute. Am Nebentisch steht gerade Bischof Helmut Dieser auf, um zum nächsten Tisch zu gehen. Auch Willi Henschke und Franz-Josef Bücken erheben sich, um den Bischof an ihren Tisch zu lotsen. Doch die bischöflichen Begleiter haben einen anderen Tisch für ihn vorgesehen. „Ich komme gleich zu Ihnen“, verspricht Dieser und geht auf die andere Seite der Halle.

Stattdessen gesellt sich Generalvikar Andreas Frick zu der Gruppe. Bei ihm ist Stefanie Sieger-Bücken vom Koordinationsbüro. Sie hat ein gold glitzerndes Notizbuch dabei, in das sie alle Anmerkungen, Vorschläge, Wünsche und Sorgen einträgt. „Wir möchten aber gerne mit dem Bischof sprechen“, sagt Renate Henschke zum Generalvikar. Der lässt sich nicht einschüchtern. Mit charmantem Lächeln versichert er , dass er ihr auch gerne zuhören möchte und setzt sich zwischen sie und Hermine Bücken. Die Einladung kommt zur Sprache. „Ich bin verärgert, dass wir keine Antwort bekommen haben“, sagt Hermine Bücken, und Frick ist erstaunt. „Die ist bei uns nicht angekommen“, sagt er, während er den Text liest. Ein Eintrag in das goldene Buch erfolgt, der Generalvikar verspricht, den Termin zu prüfen. Auch dass kein Geistlicher mehr in Hückelhoven sei und damit eine geistliche Führung und Unterstützung fehle, wird angesprochen. Dass Frick selbst Ostern in Hückelhoven war, reicht den Anwesenden nicht. „Wenn im Dom was ist: Wie viele Geistliche dann da sind. Und bei uns ist keiner“, meint Hermine Bücken. Dass in Hückelhoven zurzeit eine besondere Situation herrsche, tröstet sie nicht. Sie hat das Gefühl, dass die GdG seit Jahren in einer Sondersituation ist. Viele Anmerkungen und Kritikpunkte hört der Besuch aus Aachen heute mehrmals. Stefanie Sieger-Bücken schreibt sie trotzdem immer wieder in ihr Buch. „Wir tragen alles in eine Tabelle ein. So können wir sehen, was besonders viel Gewicht hat“, erklärt sie. Im Hintergrund ertönt Musik, das Zeichen, dass wieder ein Wechsel stattfinden soll. Der Generalvikar verabschiedet sich.

 

Die Strukturen in der Kirche müssten verändert werden, um Priester zu entlasten

„Das war’s, wir können jetzt gehen“, sagt Franz-Josef Bücken nach dem Essen. Aber die Damen widersprechen vehement. Sie haben noch nicht mit dem Bischof gesprochen. „Der kommt jetzt nicht mehr“, glaubt Bücken. Er irrt. Der Bischof hält Wort und nimmt wenige Minuten später am Tisch Platz. Während er zuhört, knabbert er einige Sonnenblumenkerne, die noch im Brotkorb liegen. Auch er hört die Geschichte von der Einladung, die ins Buch eingetragen wird. Eine spontane Zusage gibt es nicht, eine Absage aber auch nicht. „Ich sag mal nicht nein“, hält Dieser alle Optionen offen. Auch das Thema des Priestermangels kommt nochmals auf den Tisch. „Früher war ein Pastor ein angesehener Mann“, sagt Franz-Josef Bücken. „Heute sind die alle überfordert.“ Das meint auch Willi Henschke. Die Strukturen in der Kirche müssten verändert werden. „Das Geschäftliche muss jemand anderes machen, nicht der Pastor“, schlägt Henschke vor. „Damit der Pfarrer wieder Zeit für seine eigentlichen Aufgaben hat. Man hört ja kaum noch was vom Glauben in der Kirche.“ Mangelnde Unterstützung spürt auch Birgit Henschke. Die Tagesmutter wollte mit anderen Frauen eine Kochgruppe gründen, in der mit syrischen Frauen gekocht würde. „Aber von der Pfarrei kommt nichts“, sagt sie. „Ich muss nichts machen, ich kann meine Freizeit auch anders gestalten.“ Das alles haben sie dem Bischof mit auf den Weg gegeben.