Einfach, aber wirkungsvoll

Aachener Caritas-Projekt „Schwein gehabt“ hilft von Armut bedrohten Familien in Tansania zur Selbsthilfe

(c) Christian Heidrich/Caritasverband für das Bistum Aachen
Datum:
26. Nov. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 48/2019

„Schwein gehabt“ heißt das Spendenprojekt, mit dem die Caritas-Kinderhilfe Aachen seit 15 Jahren von Armut bedrohte  Familien im Bistum Moshi in Tansania unterstützt. Und „Schwein gehabt“ heißt es auch für die rund 1750 Menschen in der Kilimandscharo-Region, weil sie von diesem Projekt profitieren. Wie zum Beispiel Justus und seine sechsköpfige Familie.

Weihbischof Johannes Bündgens spricht mit vielen Menschen über ihre alltäglichen Sorgen und wie die Hilfe aus Aachen wirkt. (c) Christian Heidrich/Caritasverband für das Bistum Aachen
Weihbischof Johannes Bündgens spricht mit vielen Menschen über ihre alltäglichen Sorgen und wie die Hilfe aus Aachen wirkt.

Stolz zeigt der Familienvater dem Vorsitzenden des Caritasverbandes für das Bistum Aachen, Weihbischof Johannes Bündgens, sein neues Haus. Es ist aus Stein und ersetzt die alte aus Holz und Lehm gebaute Behausung. „Ohne das Schweine-Projekt hätte ich das nie geschafft“, sagt Justus. Und er führt den Besuch aus Aachen auf seinem Hof herum, zeigt den neuen, sauberen Schweinestall, den er sich auch leisten konnte. Er und die anderen Familien, die von der Hilfe aus dem Bistum Aachen profitieren, hoffen, dass die Spenden aus Deutschland weiter fließen werden. Weihbischof Bündgens ist fünf Tage lang im Bistum Moshi unterwegs. Mit der Caritas in der Diözese im Norden des Landes am Fuße des Kilimandscharo verbindet den Caritasverband für das Bistum Aachen seit den frühen 2000er Jahren eine Partnerschaft. Der Weihbischof möchte sehen, welche Fortschritte es gibt. Vor sechs Jahren war er zuletzt in der Region. 1,2 Millionen Menschen leben dort,
940 000 von ihnen sind Katholiken.

Aber die Hilfe aus Aachen, die die Caritas im Bistum Moshi an von Armut bedrohte Familien weiterleitet, macht nicht an Konfessionsgrenzen halt. Auch Muslime profitieren, allerdings halten sie keine Schweine, stattdessen Hühner oder Ziegen. „Unsere vorrangige Aufgabe ist es nicht, den Glauben zu predigen, sondern eine Entwicklung für alle armen Menschen in der Region anzuschieben. Aber das sagt viel über unseren Glauben und das Menschenbild aus, für das dieser Glaube steht“, sagt Father Daniel Amani, der Caritasdirektor des Bistums Moshi. Weihbischof Bündgens besucht unter anderem mehrere Standorte des Schweine-Projektes. Überall, wo Bündgens und Mark Brülls hinkommen, der beim Caritasverband für die Koordination der Auslandshilfe verantwortlich ist, werden sie freudig empfangen. 

„Schwein gehabt“ funktioniert im Schneeball-Prinzip. Mit Spendengeldern aus Aachen kauft die Caritas im Bistum Moshi männliche und weibliche Ferkel und gibt sie an Familien, die sich zu einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft zusammengeschlossen haben und in die Haltung der Schweine eingeführt werden. Die Familien ziehen die Tiere groß. Wenn diese geschlechtsreif sind und neue Ferkel geboren werden, verkauft die Gruppe die Jungtiere an weitere Familien, die auch von diesem Projekt profitieren sollen. Schlachtreife Tiere werden verkauft. Auch von dem Geld, das sie für das Fleisch bekommen, profitieren die Familien. Nahezu jede Familie, die Weihbischof Bündgens besucht, berichtet ihm sehr zufrieden, dass sie von den Erlösen der Schweinezucht den Schulbesuch der Kinder bezahlen kann. Einige gehen gar zur Secondary-School oder beginnen bereits ein Studium.

„Die Regierung sagt, der Schulbesuch sei kostenfrei, verschweigt aber, dass die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten wie Essen oder Bücher von den Familien aufgebracht werden müssen“, beklagt Father Daniel. Das sei eben „afrikanische Dialektik“, sagt der Caritasdirektor. Die Fortschritte, die es im Projekt „Schwein gehabt“ gebe, zeigten, dass eine einfache Idee viel bewirken könne. Unter anderem schaffen es viele Produktionsgenossenschaften, eigene Banken zu errichten, von denen die beteiligten Familien Darlehen nehmen können, um sich Häuser zu bauen. Und die Caritas in Moshi beobachtet bei den Familien, die am Schweine-Projekt teilnehmen, noch etwas anderes. Alle betreiben eine kleine Landwirtschaft. Die Erträge des Feldes dienen in erster Linie der Selbstversorgung und auch der Futterproduktion für die Schweine. Den Schweinemist bringen die Familien regelmäßig auf ihre Felder aus, so dass sich deren Erträge verbessern.

Das sieht Weihbischof Bündgens bei den Treffen mit den Gruppen, die einen Tisch aufgebaut haben, auf dem sie präsentieren, welche Gemüse und Früchte sie ernten. Zucchini liegen neben Bananen, Avocados und Maiskolben, an einer Hauswand lehnen lange Stangen Zuckerrohr. Das, was sie jetzt über den Eigenbedarf hinaus ernten, verkaufen die Menschen. So ziehen die Frauen aus den kleinen Dörfern regelmäßig los, tragen auf den Köpfen große Bündel, gefüllt mit Bananen und Avocado, zum nächsten Markt. Bis zu 20 Kilogramm Last befördern sie so mitunter kilometerweit über die staubigen Straßen, um die Früchte zu verkaufen. Eine Bananenstaude bringt den Familien etwa 5000 Tansanische Schilling ein. Das sind umgerechnet etwa 1,90 Euro, die Hälfte des Betrages, den Menschen in Tansania im Monat zum Überleben brauchen, wenn sie nebenbei noch eine Landwirtschaft zur Selbstversorgung betreiben.

„Wir wollen, dass das Schweine-Projekt nachhaltig ist“, sagt Schwester Euphrasia. Sie gehört dem Orden Unserer Lieben Frau vom Kilimandscharo an. Die Ordensfrau, die aus einer Familie stammt, die sich immer sozial engagiert hat, betreut heute bei der Caritas im Bistum Moshi das „Schweine-Projekt“. Sie kennt alle Projekt-Standorte, sieht regelmäßig deren Fortschritte, kennt aber auch die Probleme, mit denen die Familien zu kämpfen haben. Das größte Risiko für die Schweinebestände ist nach ihren Angaben die sogenannte Afrikanische Schweinegrippe, eine für Schweine tödliche Virus-Erkrankung. Die Familien könnten ihre Tiere impfen lassen. Theoretisch. Nur praktisch fehlt ihnen dazu das Geld. Der Impfstoff und der Besuch des Tierarztes sind zu teuer. Die einzige alternative Möglichkeit, ihre Viehbestände vor dem Virus zu schützen, ist, die Schweineställe penibel sauber zu halten.

Trotz vieler Herausforderungen, die die Familien mit ihrer kleinen Schweinezucht zu bewältigen haben, beobachtet Schwester Euphrasia, dass einige Gruppen sehr erfolgreich wirtschaften, andere hingegen deutlich bessere Erlöse erzielen könnten. Sie möchte die Leitungen zusammenbringen. In Kilacha betreibt das Bistum Moshi ein College, an dem 500 Studierende in Landwirtschaft ausgebildet werden. Einige besuchen auch in der Nähe gelegene Schweine-Projekte und beraten die Familien bei Bedarf.  Als Weihbischof Bündgens das kleine Anwesen von Justus verlässt, drückt dieser dem Bischof fest die Hand. Er ist einfach nur dankbar für die Hilfe der Menschen aus dem Bistum Aachen. „Mir fehlen die Worte, aber Gott wird es euch lohnen“, sagt er.                                                                cba