Im Rahmen einer Beitragsreihe zeigt die KirchenZeitung, wie Gemeinden neue Wege gehen, um mehr Menschen in die Kirche zu locken, wie Pfarreien mit der Schließung kämpfen, wie sie Umnutzungen gemeistert haben, und wie aufgegebene Kirchengebäude heute genutzt werden. Dieses Mal: St. Barbara.
Mindestens zwei Mal in der Woche lädt Priester Alexej Veselov zum Gottesdienst in die große Kirche mit außergewöhnlicher Architektur an die Wielandstraße ein: Vor rund drei Jahren wurde die ehemalige St.-Franziskus-Kirche als ursprünglich katholisches Gotteshaus von Erzbischof Tichon von Podolsk für die russisch-orthodoxe Liturgie neugeweiht und damit zur St.-Barbara-Kirche. Heute zieren diverse Statuen den hellen Raum, ein neuer Opfertisch ist eingezogen, und eine Ikonostase, eine dreiteilige Bilderwand, trennt die Sakristei von der Kirche. „Der Ikonenkult ist in unserem Glauben sehr wichtig“, erklärt Veselov. „Unsere Gemeinde trägt den Namen der heiligen Großmärtyrerin Barbara.“ Prägende Elemente des russisch-orthodoxen Glaubens zeichnen den Raum, der massive Marmoraltar erinnert aber auch an die Zeit, in der die römisch-katholischen Mitglieder der Franziskusgemeinde hier Gottesdienst gefeiert haben.
Während die Orgel nach Bekanntgabe der Schließung des Gotteshauses nach St. Peter Uerdingen umgezogen ist, wurde der Altar der russisch-orthodoxen Gemeinde überlassen. Bis zu 100 Menschen kommen jeden Sonntag in den Gottesdienst. Genaue Zahlen über die Anzahl der Religionszugehörigen in der Region gebe es nicht, denn anders als in der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland seien Meldungen über die Religionszugehörigkeit zur russisch-orthodoxen Gemeinde nicht in der Bürokratie verankert, schildert der Priester. An Hochfesten und Gedenktagen sind es aber sogar bis zu 500 Gläubige, die St. Barbara aufsuchen. „Es gibt nicht viele russisch-orthodoxe Gemeinden in der Nähe, deswegen fahren Gläubige aus Moers, Kamp-Lintfort oder Kleve ebenfalls nach Krefeld“, erzählt der Priester weiter. „Unsere Gemeinde ist weitläufig.“ Das Gemeindeleben spielt dabei eine große Rolle: Im zur Kirche gehörigen Pfarrhaus finden nicht nur Jugendarbeit oder Chortreffen statt, sondern nach dem Sonntagsgottesdienst wird gemeinsam zu Mittag gegessen und der Glaube im Bibelkreis reflektiert. Außerdem gibt es eine Sonntagsschule für Kinder ab vier Jahren. Zusätzlich engagieren sich viele der Gemeindemitglieder einmal in der Woche ehrenamtlich im Pfarrheim oder den Kirchräumen, die Hostien werden zum Beispiel von den Gläubigen selbst gebacken.
„Zusammenhalt und Engagement sind zwei wichtige Eigenschaften unseres Gemeindelebens“, sagt Veselov. Das sei auch ein Grund, warum Veselov das angrenzende Pfarrhaus der ehemaligen St.-Franziskus-Gemeinde besonders zu schätzen wisse. Hatten vor 2018 die Gottesdienste in einem Saal der katholischen Gemeinde Johannes XXIII. an der Hofstraße stattgefunden, herrscht durch das Gemeindehaus Leben und Aktion in St. Barbara. „Wir haben nie aktiv nach Räumen für unsere Kirche gesucht“, sagt Veselov. „Hier haben wir aber nun ein Zuhause gefunden.“
Früher. Im Jahr 1927 wurde an der Wielandstraße in Krefeld die erste katholische Notkirche St. Franziskus gebaut. Im Zweiten Weltkrieg zerstörte ein Fliegerangriff das Gotteshaus. Nach dem Neubau einer zweiten Kirche 1948 beschloss man zehn Jahre später, dass die Räumlichkeit für die wachsende Zahl der Gläubigen zu klein sei. Am 27. November 1960 wurde das heutige Kirchengebäude geweiht.
Heute. Im Rahmen des KIM-Prozesses beschloss die Gemeinschaft der Gemeinden Mitte, statt der Franziskuskirche für rund 10000 verbliebene Gemeindemitglieder die Kirchen St. Stephan und St. Elisabeth aufrecht zu erhalten. Im Mai 2016 wurde die St.-Franziskus-Kirche an die russisch-orthodoxe Gemeinde verkauft.
Besonderheit. Die Franziskuskirche galt als eine der modernsten katholischen Kirchen in Krefeld. Unter dem Entwurf des Architekten Stefan Leuer stellt das Kirchengebäude den Grundriss eines gleichseitigen Kreuzes dar, der wie ein Kleeblatt in vier verschnittenen Kreisen auseinandergeht. Zentralbauten in Kreuzform sind gerade im orthodoxen Glauben sehr häufig.