In fast jedem zweiten Haushalt in Deutschland lebt mindestens ein Haustier. Das belegt der statistische Dienst „Statista“ für das Jahr 2023. Die Katze ist dabei das beliebteste Haustier, gefolgt vom Hund. Doch unsere Tierliebe kann mitunter auch seltsame Gestalt annehmen. Und warum teilen wir mit den einen Tieren buchstäblich Tisch und Bett, während wir bei anderen das Töten billigend in Kauf nehmen?
Eine Frage, mit der sich auch die christliche Tierethik befasst. Mit der Pastoralreferentin Helena Fothen hat das Bistum Aachen eine eigene Ansprechpartnerin. Helena Fothen ist Tierethikerin, bietet im Team der Seelsorge im Nationalpark Eifel und Vogelsang mehrmals im Jahr Veranstaltungen zum Thema an.
Die Frage, ob es gut und richtig ist, wie wir mit unseren tierischen Mitgeschöpfen umgehen, wird seit etwa 40 Jahren in der Gesellschaft diskutiert. Der christliche Glaube nimmt uns hier eigentlich besonders in die Verantwortung. Das bekannte Zitat aus Genesis: „Macht euch die Erde untertan“ werde bis heute falsch gedeutet, betont die Pastoralreferentin: „Der Mensch ist das Ebenbild Gottes und hat den Auftrag, für alle Lebewesen gut zu sorgen.“
Evolutionsgeschichtlich betrachtet beginnt die gemeinsame Geschichte von Mensch und Tier vor zwischen zehn- bis zwanzigtausend Jahren. Mit der Sesshaftwerdung und dem beginnenden Ackerbau war es auch vorteilhaft, nicht mehr den Wildtierherden zu
folgen, sondern diese am eigenen Haus zu züchten.
Und im Prinzip war jedes Tier ein Nutztier, denn auch Hunde und Katzen hatten Funktionen zu erfüllen, als Wach- und Hütehund oder als Ratten- und Mäusefänger. Es ist der erste Schritt in die zunehmende Verzweckung der Tiere, die in der Massentierhaltung ihren Höhepunkt erfährt. 1912 entsteht in Chicago der erste Massenschlachthof. Milchkühe bringen es heute auf 8000 Liter Milch pro Jahr. Die Leistung von Legehennen wurde von natürlichen 40 auf rund 300 Eier pro Jahr hochgezüchtet.
Und während in der Nutztierhaltung ethische Fragen wie artgerechte Haltung oder auch ein schonenderer Umgang bei Transport und Tötung diskutiert und erste Versuche in Gesetze umgesetzt werden, scheint die Frage, ob Tiere Rechte haben, noch nicht wirklich geklärt.
Bricht eine Beziehung entzwei, entbrennt bei den Partnern nicht selten neben dem Streit um Haus und Auto auch ein Streit um Bello oder Minka. „Im Familienrecht werden Haustiere als Sache behandelt“, erklärt Helena Fothen. Dabei weiß die Bibel im Alten Testamtent bereits von Tierrechten. Die fünf Bücher Mose gehen an vielen Stellen dezidiert auf die Mensch-Tier-Beziehung und die Rechte von Tieren ein. Beispielsweise das Recht auf Erholung (Ex 23,12) oder die Stelle im Buch Deuteronomium (25,4), die mit dem Hinweis, dass Ochsen bei der Arbeit nicht das Maul zugebunden werden dürfe, darauf verweist, dass auch Tieren ein Anteil an ihrer Arbeit zusteht, sie sich sattfressen dürfen.
Und auch bei den Haustieren ist nicht alles eitel Sonnenschein. Oft machen sich Menschen im Vorfeld zu wenige Gedanken darüber, welches Tier gut zu ihnen passt. Gerade während der Corona-Jahre hätten sich viele ein Haustier angeschafft, um die Isolation und die Einsamkeit zu kompensieren. Doch jetzt passe das oft nicht mehr. Die Last tragen dann die Tierheime, die die abgegebenen Tiere oft nicht mehr unterbringen oder versorgen können.
„Wir gehen große Schritte in die richtige Richtung, haben aber noch einen weiten Weg vor uns“, findet Helena Fothen und verweist darauf, dass biblisch gesehen das Tier vor dem Menschen erschaffen wurde. Tiere seien auch nicht aus dem Paradies verwiesen worden. Tiere stünden in unmittelbarer Beziehung zu Gott, seien von Gott gelenkt. Sie sind Mitgeschöpfe, keine Beiwerke oder Sachen.
Doch die Herabsetzung von Tieren habe eine lange Tradition, gibt Helena Fothen zu bedenken. Um den Blick für andere Sichtweisen zu öffnen, bietet sie für Gruppen oder auch Schulklassen Wanderungen auf dem Schöpfungspfad in der Eifel an. Im gemeinsamen Erleben der Natur, auch mit tierischen Begleitern, lassen sich tierethische Fragen oft einfacher diskutieren.
Verschiedene Impulse regen zum Nachdenken an: Welche Bestimmung haben Tiere im Plan Gottes? Haben Tiere einen moralischen Status? Warum teilen wir Tiere in verschiedene Kategorien ein?
In dieser Betrachtung lohnt noch einmal ein Blick auf die Haustiere. Helena Fothen hat selbst zwei Hunde, die sie auch mitnimmt, wenn sie beispielsweise Alten- und Pflegeheime besucht. Denn Tiere erlauben Menschen, ihr Umfeld noch einmal anders wahrzunehmen, ist ihre Beobachtung.
Eine andere Beobachtung ist, dass sich auch die gesellschaftliche Situation vieler Menschen verändert hat. Zunehmend wählen ältere, aber auch jüngere Single-Haushalte anstelle eines Partners bewusst ein Haustier. „Tiere sind unmittelbar und unvoreingenommen“, erklärt Helena Fothen. „Sie freuen sich immer, wenn die Menschen nach Hause kommen, sie sind nicht nachtragend. Menschen sind viel anstrengender.“ Doch sei es falsch, von einem Haustier als Ersatz für menschliche Beziehung zu sprechen. Verstehe man Tiere im christlichen Sinn als Mitgeschöpfe, so sei es eine Beziehung zu einem anderen beseelten Lebewesen.
Dazu gehöre, auch die Bedürfnisse und die Grenzen eines Tieres anzuerkennen und ernst zu nehmen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Haustieres beträgt etwa zehn bis 15 Jahre. Es ist eine gemeinsame Lebenszeit, die für beide bereichernd sein kann, wenn sich Mensch und Tier auf Augenhöhe begegnen, im Miteinander „da-sein“ können.
So ähnlich hat es auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ formuliert, die vor zehn Jahren erschienen ist: „Das gibt Anlass zu der Überzeugung, dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art universale Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt.“
Helena Fothen bietet im Nationalpark Nordeifel über das Jahr 2025 mehrere Wanderungen unter tierethischen Gesichtspunkten an. Dabei stehen Fragen wie nach dem richtigen Umgang mit Tieren im Mittelpunkt.
„Mit dem Hund unterwegs“ ist eine etwa zehn Kilometer lange Wanderung, Termine sind am 30. März und 9. November, jeweils von 10 bis 17 Uhr, Start und Ziel auf Anfrage.
Wer um ein verstorbenes Haustier trauert, findet beim Seminar „Mein Tierfreund ist verstorben“ Unterstützung. Am 18. Mai und am 16. November, jeweils von 10 bis 17 Uhr, Start und Ziel auf Anfrage. Anmeldungen und weitere Informationen sind möglich über die Website der Seelsorge im Nationalparl Eifel und Vogelsang:
https://nationalparkseelsorge.de/aktuelles/veranstaltungen