Eine neue Perspektive

„Ich habe Judas etwas liebgewonnen.“ Schauspieler Felix Frenken über seine Rolle als Verräter Jesu im Stück von Lot Vekemanns.

Keine leichte Rolle: Felix Frenken spielte Judas. (c) Gerd Felder
Keine leichte Rolle: Felix Frenken spielte Judas.
Datum:
11. Apr. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 15/2025 | Gerd Felder

In seiner Rolle als Judas im gleichnamigen Ein-Mann-Stück der niederländischen Autorin Lot Vekemanns hat Felix Frenken Furore gemacht. Wie kam er zu der Rolle, wie interpretiert er sie aus heutiger Sicht, und sind irgendwann weitere Aufführungen geplant? Darüber sprach der Schauspieler mit der Kirchenzeitung.

Herr Frenken, wie kamen Sie zu der Rolle des Judas?

Frenken: Die Rolle ist zu mir gekommen. Der Intendant des Grenzlandtheaters, Ingmar Otto, hat mich angerufen und gefragt, ob ich diese Rolle übernehmen möchte. Ich habe mich wahrhaftig nicht nach dieser Aufgabe gedrängt, sondern musste mir länger Gedanken machen, ob ich mich dafür entscheiden sollte, weil ich großen Respekt davor hatte.


War von Anfang an klar, dass das Stück nicht im Grenzlandtheater selbst, sondern in Kirchen gespielt wird?

Frenken: Ja, weil der Kirchenraum als Kulisse es ermöglicht, das Geschehen von einer ganz anderen Seite zu sehen. Außerdem wollten wir nah an den Zuschauern. Ich habe es tatsächlich einmal in einem Theater gespielt, als ich wegen der Erkrankung eines Kollegen im Herbst 2023 in Eupen eingesprungen bin.


Welche Bedeutung hat die Passion Jesu für Sie?

Frenken: Ich bin getauft und christlich aufgewachsen. Meine Mutter ging jeden Sonntag in die Kirche, aber unser Glaubensalltag konzentrierte sich auf Weihnachten. Die Passion kannte ich aus dem Religionsunterricht an der Gesamtschule Kaiserplatz in Krefeld und aus dem Konfirmandenunterricht. Für mich war und ist die Passion erst einmal eine schreckliche und traurige Geschichte.

(c) Gerd Felder

Judas gilt als Ikone des Verrats, als Antiheld. Entsprach das auch Ihrer Meinung?

Frenken: Ja, das entspricht dem Bild, das ich vorher hatte. Er war für mich alles andere als eine positive Figur. Diesen Eindruck haben auch Filme geschürt, in denen der Verrat dargestellt wird. Anscheinend brauchte man den Sündenbock.


Hat sich Ihr Judas-Bild verändert?

Frenken: Ich habe mich vorab mit einigen Pfarrern unterhalten und festgestellt, dass es viele Geschichten über Judas gibt. Wie es sich genau mit ihm verhalten hat, wissen wir heute nicht. Wir wollten ihn jedenfalls einmal aus anderer Sicht zeigen, und ich habe ihn dadurch sogar etwas liebgewonnen.


Sie haben sich mit Judas also sogar identifiziert?

Frenken: Wenn ich eine Rolle übernehme, muss ich auch der Anwalt der jeweiligen Figur sein, unabhängig davon, ob ich in allem mit ihr konform bin. Ich konnte vieles nachvollziehen und verstehen, was Judas gedacht und getan hat. So habe ich mich letztlich mit ihm identifiziert und versucht, ihm meine Anteile zu borgen. Für mich ist das nicht nur eine religiöse oder kirchliche Geschichte, sondern die eines normalen Menschen, bei der es um Reue, Vergebung und Liebe geht.

Welche Reaktionen hat es von Seiten des Publikums gegeben?

Frenken: Viele Zuschauer haben sich auf diesen Ansatz, den Verrat einmal aus ganz anderer Perspektive zu betrachten, eingelassen, und das Stück so verstanden, dass dort ihre eigenen Themen verhandelt werden, nämlich wie ich mir selbst verzeihen kann und wie mir verziehen wird. Die Reaktionen waren sehr positiv, und ich werde bis heute auf die Rolle des Judas angesprochen.


Sie haben in Alltagskleidung gespielt. Warum?

Frenken: Regisseur Ingmar Otto und ich waren uns einig, dass Judas kein wollenes Gewand und Sandalen tragen sollte. Judas sollte so normal wie möglich wirken, und die Kleidung sollte den Gegenwartsbezug herstellen.


Judas hat laut Lot Vekemans von Jesus als Messias und Führer viel erwartet. In einer Schlüsselszene erheben Sie die Hände sogar flehend zum Kreuz und blicken ängstlich um sich. Welche Botschaft ist damit verbunden?

Frenken: Das zeigt, dass Judas von Jesus nicht weniger als die Erlösung erwartet hat. Nach seinem Suizid hat er ihn am Himmelstor erwartet, um ihn um Verzeihung zu bitten. Seit Jahrtausenden wartet er auf einen Austausch mit Jesus, ob er ihm vergeben kann, denn er wollte nicht seinen Tod, sondern hätte alles dafür getan, ihn zu beschützen. Er hatte fest angenommen, dass Jesus fliehen würde, so wie die Jünger vorher immer geflohen waren.

 

Judas hat nach Ansicht der Autorin Jesus offenbar bewundert, verehrt, geliebt, sich als seinen Freund betrachtet …

Frenken: Ja, genau, ich sehe im Sinne des Stückes eine klare Freundschaft zwischen beiden. Judas ist jemand, der sich selbst sucht, der falsche Wege geht und trotzdem zurück will. Er trifft in einer Situation, in der er nicht weiß, was er tun soll, auf jemanden, der ihn zutiefst beeindruckt und der ihm sagt: Wir gehen jetzt zusammen und können so viel mit Achtsamkeit schaffen. Judas hat zu Jesus aufgeschaut, ja sogar menschliche Liebe für ihn empfunden.


Judas ist, so wie Sie ihn spielen, lange Zeit nachdenklich und in sich gekehrt, aber dann kommt es zu einer Eruption der Gefühle, einem Wutanfall. Dass Jesus irgendwann angefangen hat, an seinen eigenen Mythos zu glauben und immer öfter von seinem Tod gesprochen hat, hält Judas bei Vekemans für „eine idiotische Idee“. Hat er da etwas missverstanden?

Frenken: Judas wollte als politischer Rebell mit Jesus weitermachen und gegen die Römer kämpfen. Er hatte sich sogar gewünscht, dass er Rom als Befreier erreicht. Seiner Meinung nach ist es eine idiotische Idee, die Prophezeiung von Tod und Auferstehung zu erfüllen. Er hat an die Gespräche und Wunder geglaubt, an alles, was er bewirkt hat.


War der Verrat des Judas nach notwendig, um den christlichen Heilsplan zu erfüllen?

Frenken: Tatsächlich ist der Verrat ein Eckpfeiler im Heilsplan. Ob die Kirche ohne ihn klein geblieben wäre, darüber können wir nur spekulieren. Jedenfalls kann Judas am Ende sagen: „Es brauchte mich“ – so tragisch die Geschichte auch ausgegangen ist.

Liederabend

Unter dem Titel „Friede, Freude, Öcherkuchen“ wird Felix Frenken am 19. und 26. Mai jeweils um 20 Uhr im Grenzlandtheater Aachen einen szenischen Liederabend zum Thema Pilgern anbieten. Er begibt sich mit Rucksack, Stock und Hut auf eine kleine Pilgerreise. Zwischen zeitlosen Liedern der 60er- und 70er-Jahre, die von Aufbruch, Sehnsucht und Hoffnung erzählen, erklingen Texte, die das Leben mal nachdenklich, mal augenzwinkernd betrachten.