Die Zuschauer hatten vorab die Möglichkeit, Fragen zu übermitteln, diese wurden von Pia Schneider und Jonte vorgetragen. Aber auch während der Veranstaltung nutzten die rund 60 Besucher die Möglichkeit, die Fragen zu stellen, die ihnen auf den Nägeln brannten. Von „Warum hast du diesen Beruf gewählt?“ bis hin zu „Was hältst du von Polygamie?“ war fast alles dabei. Die Fragen wurden von allen Beteiligten lebhaft und ernsthaft diskutiert. Der Abend lieferte nicht zuletzt auch einen Einblick, wie gerade jüngere Menschen die Kirche empfinden. Hier einige Auszüge:
„Kirche muss viel kritikfähiger werden und mehr für die Jugend tun“, meint Jan Scheunemann und zieht den Schluss: „Wenn ich mich gut aufgehoben fühle, ist Kirche relevant.“ Wenn die katholische Kirche es schaffe, im Heute anzukommen und auch andere Kulturen und Gesellschaften als wirkliche Weltkirche zu integrieren, dann könne sie relevant bleiben, glaubt Matthias Fritz. Auch die Rolle von Frauen müsse die Kirche neu denken: 50 Prozent der Gläubigen seien von Ämtern ausgeschlossen. Frauen machten derzeit die konkrete Caritasarbeit, engagierten sich in ihren Gemeinden in vielen Bereichen, vor allem auch in der Katechese, Männer machten die Organisation, das müsse man umstrukturieren. Ob die theokratische Organisation der katholischen Kirche nicht ein Widerspruch zur pluralistischen Demokratie sei? Die Frage sei, welche Form der Organisation man finden müsse, meint Matthias Fritz. Seit 1500 Jahren funktioniere die Organisation so, wie sie jetzt sei. Die Herausforderung sei, jetzt geeignete Antworten zu finden.
Beide Kirchen geraten oft in die Kritik, sei es, weil beide ein eigenes Kirchenrecht in Anspruch nehmen, zum Beispiel im Fall einer Beschäftigung bei einer bekennenden Einrichtung. Die katholische Kirche ist im Umgang mit den Missbrauchsfällen heftig kritisiert worden. Dieser Kritik müsse man sich stellen und auch damit umgehen, meinen beide.
Jan Scheunemann vergleicht die Kirche mit einem großen schwerfälligen Tanker. „Bis der eine Kurve macht, dauert es.“ Übertragen auf große Institutionen bedeute das, dass Veränderungen Zeit bräuchten. Er sei ein Instrument, ist die Meinung von Matthias Fritz. Der Zölibat erlaube einen anderen Blick. Die Frage „Ja oder Nein zum Zölibat?“ habe durchaus auch das Potenzial, die Kirche erneut zu spalten.
Beide Kirchen nehmen vor allem im karitativen Bereich wichtige gesellschaftliche Aufgaben wahr und sehen sich aus diesem Grund auch berechtigt, politische Entscheidungen zu kommentieren. Matthias Fritz sieht seine Aufgabe in der Begleitung der Frauen vor Ort und darin, den Einzelfall anzusehen. Mache es eine Kirche aber nicht unglaubwürdig, wenn man „die oben“ reden lasse und „unten“ einfach sein Ding mache? Diesen Widerspruch gebe es in Kirche und Gesellschaft bereits sehr lange, findet Fritz. Sollte man in diesem Fall von „Werbung“ sprechen? Der Begriff werde polemisch verwendet von Menschen, die das nicht beurteilen könnten, ist Jan Scheunemanns Meinung.
Beide Kirchen nehmen über den Ethikrat Einfluss auf politische Fragen, zum Beispiel mit Blick auf den Einsatz von Robotern in der Pflege oder einer generellen Impfpflicht für alle Menschen. Was die persönliche Haltung angehe, waren sich beide Priester einig, sei es wichtig, das politische Bewusstsein zu schärfen. Christen seien Teil der demokratischen Gesellschaft und sollten daran teilnehmen. Für eine bestimmte Partei Empfehlungen auszusprechen, schlossen beide aus.