Demokratie muss gelernt werden. Das beginnt schon im Kinderzimmer. Aber während man Geschwister gut kennt, sieht es ganz anders aus, wenn man auf fremde Personen trifft. Während der Osterferien können Kinder in der Kinderstadt in Mönchengladbach Demokratie im realen Alltag einüben. Der Diözesanverband der Katholischen Jungen Gemeinde lädt zu diesem Ferienerlebnis ein. Ein Blick auf die Vorbereitungen.
Normalerweise ist es sehr still in Schulen, wenn gerade Ferien sind. In diesem Jahr aber wird es in der Bischöflichen Marienschule in Mönchengladbach richtig wuselig. So jedenfalls wünscht es sich das Team der Katholischen jungen Gemeinde (KJG). Die jungen Frauen und Männer arbeiten gerade daran, eine ganze Stadt im Forum, der Turnhalle und den Klassenzimmern aufzubauen. Es wird ein Bürgermeisteramt geben und ein Parlament. Es soll eine Pizzeria geben, eine Eisdiele, eine Feuerwehr, ein Arbeitsamt, Restaurant, Fotostudio, Schreinerei, Zeitung und Radio – eben alles, was zu einer funktionierenden Stadt gehört. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass hier die Kinder das Sagen haben.
2003 gab es die erste Kinderstadt im Diözesanverband Aachen. Der KJG-Diözesanverband Köln hat das aufgegriffen und das Konzept seitdem stetig weiterentwickelt. „Sie haben uns auch sehr geholfen, unsere Kinderstadt jetzt zu organisieren“, sagt Veronica Rohn.
Die 23-Jährige gehört zum Organisationsteam. Im Hauptberuf studiert sie Betriebswirtschaftslehre. Kenntnisse, die sie in der Kinderstadt gut gebrauchen kann. Denn für eine Woche wird hier eine eigene Wirtschaft aufgebaut: mit eigener Währung, eigenem Wirtschaftskreislauf und eigenem politischen System. Aber auch wenn die Kinder in ihrer Stadt bestimmen, wo es lang geht, müssen einige Vorbereitungen getroffen werden. Zusammen mit zehn anderen Organisatoren stellt Rohn die Schilder her, die den Weg zu den verschiedenen Betrieben zeigen. „Das ist so ein cooles Projekt“, sagt Rohn. „Es ist so schön zu sehen, dass Kinder Demokratie können und das Verständnis dafür haben.“
Das sieht auch Robin Natus so. Der 25-Jährige studiert Latein und Chemie auf Lehramt für das Gymnasium. Wie seine anderen Teamkollegen ist er ein alter Hase bei der Betreuung von Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche. Er kennt die Schwierigkeiten, die auf das Team zukommen können: Heimweh zum Beispiel, aber auch die Notwendigkeit, Streitereien zu schlichten. Etwa wenn jedes Kind als Bürgermeister oder Bürgermeisterin bestimmen will. Oder wenn eines beleidigt ist, weil es die Wahl nicht gewinnt. „Im Idealfall muss man dann trösten und gut zusprechen“, sagt der 25-Jährige. Und natürlich Alternativen aufzeigen. Denn die gibt es in der Kinderstadt reichlich.
Im Grunde funktioniert eine Kinderstadt wie eine echte Stadt: Es gibt eine „kommunale Verwaltung“, verschiedene Betriebe, die Kinder verdienen „Geld“, zahlen Steuern und geben ihr Geld in der Freizeit aus. Dafür haben die Organisatoren Lohnzettel erstellt. Auf denen wird genau eingetragen, wo das jeweilige Kind gearbeitet hat, wie viele Stunden geleistet wurden, der Stundenlohn und das Gehalt. Die Abgaben an das Finanzamt werden direkt abgezogen. Mit einer Steuererklärung müssen sich die Kinder daher noch nicht befassen.
Für den angehenden Lehrer Natus ist die Kinderstadt ein großes Experimentierfeld. „Die Kinder können sich hier voll ausleben“, sagt er. „Sie erleben Demokratie-Aspekte und stellen fest, wie viel sie alleine hinbekommen.“ Das stärke das Selbstbewusstsein der Mädchen und Jungen. Etwa 60 Kinder werden in der Bischöflichen Marienschule erwartet. Es ist allerdings noch Platz für weitere Kinder. Die Anmeldung läuft noch.
Auch wenn sie viele Entscheidungen treffen, sind die Kinder in ihrer Stadt nicht sich selbst überlassen. Jedes Kind gehört zu einer festen Bezugsgruppe mit zehn Kindern. In dieser Gruppe beginnt und endet der Tag. Jede Gruppe schläft in einem der leerstehenden Klassenzimmer. „Wir achten darauf, dass die Kinder in den Bezugsgruppen möglichst im selben Alter sind“, sagt Paul Arns, Sprecher des KJG-Organisationsteams. Zudem werden die Gruppen geschlechtergetrennt eingeteilt. Jede Gruppe hat einen festen Bezugsbetreuer oder eine Betreuerin. Die Freizeit und die Mahlzeiten sowie die Übernachtungen finden in der Gruppe statt. Das Hygienekonzept ist mit dem Gesundheitsamt abgestimmt und sieht vor, dass Waschen und Zähneputzen zu eigens eingeteilten Zeiten stattfinden, in denen jede Gruppe die sanitären Räume für sich hat.
Seit zwei Jahren bereitet KJG-Referent Paul Arns mit seinem Team die Kinderstadt vor. „Ich gehe abends mit dem Thema schlafen und wache damit auf“, sagt er. Auch das Wochenende mit den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern hat er organisiert. „Wir freuen uns alle unglaublich darauf“, sagt er. Eigentlich sollte die Kinderstadt schon im vergangenen Jahr stattfinden, aber wegen der Pandemie musste sie verschoben werden. „Nun freuen sich sämtliche Helfer sehr darüber. Und auch die Kinder freuen sich darauf.“ Seine eigenen Kinder machen in ihren Freundeskreisen kräftig Werbung.
So wie die Organisatoren bei ihrem Vorbereitungswochenende festgestellt haben, dass eine Idee zur nächsten führt, stellt sich Arns das auch für die Kinderstadt vor. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass sich zum Beispiel aus der Schreinerei auch eine Maler-Abteilung entwickelt, wenn die Kinder das wollen. Eines aber sei sicher: „Das ganze Unternehmen wird sportlich“, sagt Arns. Die Anmeldezahlen ziehen nun mit den immer weiter nahenden Osterferien spürbar an. „Viele Eltern haben abgewartet, ob Ferienfreizeiten möglich sind“, beobachtet Arns. Bei den Vorbereitungen sind einige multifunktionale Requisiten entstanden. Ein großer schwarzer Karton zum Beispiel, der als Wahlkabine fungieren kann oder als Tresor in einer Bank. Auch ein „Geldautomat“ sei denkbar, wenn ein Kind darin sitzen und das Geld ausgeben möchte, sagt Arns.
Nicht nur Kinder, auch Helfer sind in der Kinderstadt sehr willkommen. Die sollten mindestens 16 Jahre alt sein und schon Erfahrung in der Betreuung von Kindern haben. Wichtig ist: Wer mitmachen möchte, muss eine Präventionsschulung absolvieren. „Die ist auf jeden Fall Pflicht für alle Betreuende. Die meisten haben auch eine Gruppenleiterschulung, die bei uns Voraussetzung ist, um Teamer sein zu dürfen“, sagt Veronica Rohn, ehrenamtliche KJG-Diözesanleiterin. Mit der Schulung sind die Teamer auf viele Eventualitäten in der Betreuung vorbereitet.