Eine besondere Freundschaft

Die älteste Organistin der Welt und ihr ehemaliger Schüler zeigen einen Film in Dülken

Früher Lehrerin und Schüler, heute Freunde – Montserrat Torrent besuchte den Viersener Kirchenmusiker nun an seiner Wirkungsstätte. (c) Ann-Katrin Roscheck
Früher Lehrerin und Schüler, heute Freunde – Montserrat Torrent besuchte den Viersener Kirchenmusiker nun an seiner Wirkungsstätte.
Datum:
22. Sep. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2021 | Ann-Katrin Roscheck

Schon als Kind lernen wir, dass Freundschaft nicht von Äußerlichkeiten abhängt, dass Freundschaft Sprache überwinden kann und Alter erst recht keine Rolle spielt. Viel wichtiger dagegen sind die Werte, die Interessen und die Erlebnisse, die zwei Freunde miteinander teilen. Erst diese machen eine Freundschaft am Ende so kostbar. 

Auch Giovanni Solinas und Montserrat Torrent Serra können von vielen gemeinsamen Erlebnissen miteinander erzählen – sie in ihrer Muttersprache Spanisch, er in seinem Heimatdialekt Italienisch. Denn auch wenn die beiden äußerlich grundverschieden sind, in einer anderen Sprachwelt groß wurden und sie mehr als 50 Lebensjahre trennt, verbindet die älteste Organistin der Welt und ihren ehemaligen Schüler doch eine ganz außergewöhnliche Freundschaft. Für ein gemeinsames Konzert in St. Cornelius Dülken und die Vorstellung der Filmdokumentation „Königin der Orgel“ besuchte die 95-jährige Montserrat Torrent den inzwischen aus Sardinien nach Viersen gezogenen Kirchenmusiker nun in seinem Wirkungskreis.

„Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich Giovanni das erste Mal an der Orgel erlebte“, lässt Montserrat Torrent eine Dolmetscherin ihre aufgeweckten Worte übersetzen. „Ich habe gleich gespürt, dass er eine besondere Begabung besitzt. So etwas merkt eine Lehrerin einfach. Das ist wie bei einem Arzt, der weiß doch auch, ob ein Patient krank ist.“

Mit 16 Jahren war der Italiener zum ersten Mal zu Besuch in Barcelona, um bei der renommierten Organistin einen Kurs zu nehmen. War die Gruppe zu groß, um sein Talent zu beurteilen, setzte sich Montserrat Torrent anschließend in ein Konzert des Jungorganisten. „Und dann entschied sie, mir Unterricht zu geben“, erinnert sich ihr ehemaliger Schüler. „Sie wollte mich einfach nur unterstützen. Ab da flog ich mehrmals im Jahr nach Barcelona.“

 

>> In der Musik sprechen wir dieselbe Sprache.<<

Monserrat Torrent

 

Über viele Jahre begleiten sie sich anschließend. Giovanni Solinas brachte ihr selbstgemachte Süßigkeiten seiner Mutter aus Italien nach Spanien mit und lud sie zu Konzerten nach Sardinien ein. Montserrat Torrent nahm sich des Jungschülers mit Leidenschaft an und führte ihn mit ihrer hohen Fachkompetenz durch komplizierte Kompositionen und brachte ihn spieltechnisch immer weiter nach vorne. „Inzwischen ist Giovanni besser als ich“, sagt sie bescheiden und lacht. „Ich kann gar nicht sagen, wie stolz das eine Lehrerin macht.“ Mit den Lebensjahren auf der Uhr wuchs auch die Beziehung der beiden. Giovanni beschreibt Montserrat Torrent Serra als Lehrerin fürs Leben: „Bei ihr habe ich gelernt, dass sich Schwierigkeit durch Einfachheit lösen lässt. Mit Ruhe und Willen kann ich nicht nur Orgelstücke erschließen, sondern auch schwere Phasen in meinem Leben lösen. Davon werde ich für immer profitieren.“ Und Montserrat Torrent sagt über ihren Schüler: „In der Musik sprechen wir dieselbe Sprache.“

Aus Dankbarkeit, aber auch aus Verbundenheit hat Giovanni Solinas, der seit fünf Jahren in Dülken lebt, nun einen Film über seine ehemalige Lehrerin und heutige Freundin gedreht. Er nutzte jede freie Minute, um die 95-Jährige in ihrer Heimat in Barcelona mit der Kamera zu besuchen. Gemeinsam gingen die Akteure geschichtsträchtige Orte wie die Basilika von La Mercè oder die Sagrada Familia ab und fühlten hier die besondere Biografie der ältesten Organistin der Welt nach. „Montserrat Torrent hat Krieg und Krankheit mit Musik verarbeitet“, erklärt Solinas. „Erst derjenige, der ihre Geschichte kennt, kann ihr Spiel vollständig erfassen.“ Natürlich ist die Musikerin auch selbst an der Orgel zu sehen.

Den Film hat Solinas nun im Rahmen eines Konzerts in seiner heutigen Heimatgemeinde St. Cornelius Viersen-Dülken präsentiert. In mehreren Sprachen wird es „Die Königin der Orgel“ außerdem über Solinas eigenen Verlag zu kaufen geben. „Für mich ist der Film so etwas wie eine Umkehrung“, sagt Montserrat Torrent und strahlt über das ganze Gesicht. „Ich bin so stolz darauf, dass Giovanni so etwas kann. Wenn ich daran denke, wie er sich entwickelt hat, möchte ich meine Arme in die Luft reißen.“

 Weitere Informationen zur DVD „Die Königin der Orgel“ sind auf der Internetseite https://motette.org abrufbar.

Szenen aus dem Film "Königin der Orgel"

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