Anstrengend war es. Schweißtreibend. Intensiv. Und trotzdem eine tolle Erfahrung. „Ich bin noch nie 40 Kilometer am Stück gegangen, aber es hat Spaß gemacht, es gab viele Unterhaltungen und mehr als einen schönen Ausblick“, schaute Pauline Ritz auf das Tagwerk zurück. Früh am Morgen ging es los, um 5 Uhr mit dem Reisesegen in der Niederzierer Kirche St. Cäcilia.
Auch wenn die Teilnahme an der Fußwallfahrt nach Heimbach in der Familie Tradition hat, war es für die 13-jährige Pauline eine Premiere. Umso schöner die Ankunft gegen 16 Uhr, als die Gruppe durch die engen Gassen der Altstadt kommend das Ziel vor Augen hatte: St. Clemens und Christus Salvator. Unter musikalischer Begleitung nahmen die Pilgerinnen und Pilger die letzten Höhenmeter in Form von Treppenstufen. In der Wallfahrtskirche wurde die Gruppe zur Andacht bereits erwartet: Seit 275 Jahren gibt es die Marienwallfahrt aus Niederzier, Oberzier und Huchem-Stammeln zum Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter Gottes.
Urkundlich belegt ist, dass sich im Jahr 1750 die ersten Pilger (damals ausschließlich Männer) auf den Weg von Niederzier zum Gnadenbild machten. Es gründete sich eine „Bruderschaft zu den sieben Schmerzen Mariens“, die Niederzierer Fußwallfahrt etablierte sich. Diese Tradition erhielt im Jahr 1964 einen kleinen Dämpfer, als es im Dürener Kreisverkehr zu einer Meinungsverschiedenheit mit der Polizei kam, die in der Chronik der Wallfahrt als „verkehrstechnische Probleme des Begleitfahrzeuges“ umschrieben wird. Es mag aufgefallen sein, dass damals der Traktor und der Planwagenanhänger schon einen Großteil der Arbeit übernommen hatten, die eigentlich für die Füße der Pilger vorgesehen war, sprich massiv überladen war. Fortan gab es statt der Fußwallfahrt bis 1975 eine eintägige Buswallfahrt.
„1975 war ein Jahr des Neustarts. Im Prinzip war die Ausgangslage nicht viel anders als heute“, erklärt Matthias Biergans, der sowohl 1975 als auch 2025 im Vorfeld mitgewirkt hatte. 1974 hatte er mit der katholischen Jugendarbeit in der Pfarrgemeinde begonnen. Damals wie heute mit im Boot: Eberhard Ludwig, Stephan Sievernich, Gertrud und Richard Vendt sowie seine Ehefrau Marita. 2025 gehörte auch Pfarrer Andreas Galbierz mit zum Vorbereitungsteam der Wallfahrt. „Es gab damals kaum Angebote für Jugendliche, da haben wir uns überlegt, was wir machen können“, blickt Marita Biergans aufs Jahr 1975 zurück.
Weil die Buswallfahrt nach Heimbach dringend eine Frischzellenkur vertragen konnte, stand damals schnell die Idee im Raum, die alte Tradition der Fußwallfahrt wiederzubeleben. Mit Erfolg, wie sich Eberhard Ludwig gerne erinnert: „Wir sind mit 30 Jugendlichen 1975 nach Heimbach gepilgert. Viel Unterstützung gab es auch von den Pfadfindern, und auch die älteren Heimbach-Pilger fühlten sich angesprochen.“ Die Buß- und Bittwallfahrt hatte wieder neuen Schwung. „Ich bin für eine gute Frau, gesunde Kinder und bescheidenen Wohlstand mitgegangen. Es hat alles hingehauen“, bilanziert Eberhard Ludwig augenzwinkernd. Und er fügt deutlich ernster hinzu: „Für mich als Christ ist die Wallfahrt jedes Jahr der Zeitpunkt, mich neu einzuordnen, auf mein Leben zu blicken.“
Auch das Gefühl der Gemeinschaft, der Austausch mit den anderen sei ein kräftiger Motor.
Und heute? „2025 ist wieder ein 1975“, sagt Matthias Biergans. Wo heute – anders als vor 50 Jahren – vielen Menschen, an denen die Pilgergruppe auf dem Weg nach Heimbach vorbeizieht, offensichtlich der Zugang zu dem fehlt, was die Pilgerinnen und Pilger machen.
„Wir werden oft gefragt, woher wir kommen und was wir eigentlich machen“, berichtet Marita Biergans. Gerne erklären die Niederzierer, was es mit dem Pilgern auf sich hat, wohin sie der Weg führt – und dass es auch um Tradition und Gemeinschaft geht. Matthias Biergans und alle anderen Mitglieder des Vorbereitungskreises hoffen, dass es im Jahr 2025 erneut gelingt, jüngere Generationen anzusprechen und für eine kontinuierliche Teilnahme zu gewinnen, einen Grundstein für die kommenden Jahre zu legen. Gab es 1975 fast keine Angebote für Jugendliche in den Orten, sieht die Lage heute ganz anders aus. „Es ist schwierig, die jüngere Generation zu begeistern“, sagt Matthias Biergans. Unmöglich sei es aber nicht, das habe die Vorbereitung der Fußwallfahrt zum Jubiläum gezeigt, an der auch Messdiener und Firmlinge teilnahmen.
90 Personen hatten sich im Jubiläumsjahr auf den Weg gemacht, davon 40 Fußpilger. Dank der Unterstützung von Sponsoren wurde ein Begleitfahrzeug gemietet, mit dem bei schmerzenden Füßen ein Stück des Weges zurückgelegt werden konnte. Es gehört auch zur Tradition, dass helfende Hände in Düren kurz vor dem Burgauer Wald morgens Tische für ein gemeinsames Frühstück aufbauen. Präfekt Stephan Sievernich ehrte daher im Jubiläumsjahr mit Annegret Weinert und Marlene Erkens auch zwei Helferinnen, die seit über 25 Jahren diese Aufgabe mit übernehmen.
„Es ist eine schöne Sache, dass das Jubiläum ins Heilige Jahr fällt", findet Pfarrer Andreas Galbierz. Das Motto des Heiligen Jahres lautet „Pilger der Hoffnung“. Damals, im Jahr 1975, sei es gelungen, viele junge Leute für die Wallfahrt zu begeistern, die sich zum Teil bis heute noch auf den Weg nach Heimbach machen. Er ist überzeugt, dass auch vom Jahr 2025 ein neuer Impuls ausgeht. „Eine Wallfahrt bestärkt, man hat ein gemeinsames Ziel“, erklärt Brudermeister Robert Engelmann. Für Dirk und Katja Grunwald ist auch der Kontakt zu den anderen Menschen, die mitgehen und die man vorher womöglich nicht kannte, ein Gewinn. „Die Niederzierer Wallfahrt ist eine Geschichte der Treue. Sie hatte Höhen und Tiefen, aber Sie alle haben es durchgetragen“, brachte es Wallfahrtsseelsorgerin Alice Toporowsky während der Andacht auf den Punkt.
Seit über 500 Jahren pilgern Menschen zum Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter Gottes. Heinrich Fluitter kaufte 1460 in Köln eine Marienpieta, die er im Wald zwischen Heimbach und Gemünd aufstellte. Dem damaligen Heimbacher Pfarrer gelang es, Zisterzienser für die Betreuung der sich entwickelnden Wallfahrt zu gewinnen. 1487 wurde das Kloster Mariawald begründet. Als das Kloster 1795 aufgelöst wurde, kamen Schnitzaltar und Gnadenbild in die Heimbacher Pfarrkirche.
Wie haben Sie als Wallfahrtsseelsorgerin die diesjährige Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes von Heimbach empfunden?
Viele Traditionen leben weiter, viele Gruppen kommen seit Jahren. Gleichzeitig ist es jedes Mal auch neu, bewegend, mit Gänsehaut-Momenten, wenn die Pilgerinnen und Pilger unter Glockengeläut in die Kirche einziehen.
Hat das Heilige Jahr für ein Plus an Pilgern der Hoffnung gesorgt?
Ich weiß nicht, ob das mit dem Heiligen Jahr oder unseren Angeboten zu tun hat, aber in der Statistik sehen wir einen leichten Aufwärtstrend. Es kamen in der Oktav rund 3000 Menschen und 40 Gruppen, mehr als in den Jahren 2024 und 2023. Wir erhalten oft die Rückmeldung, dass sich die Menschen in Heimbach herzlich willkommen fühlen.
Welche Rolle spielt die Wallfahrt für Sie persönlich?
Sie ist mir wichtig und sie bewegt mich. Die Wallfahrt ist etwas unheimlich Positives. In anderen Bereichen von Kirche ist es mitunter mühsam, Besucherinnen und Besucher anzusprechen und zu begeistern. Wallfahrt ist da anders, die Leute kommen von selbst und die Teilnahme gibt ihnen etwas. Die Menschen kommen glücklich in Heimbach an und bringen so viel mit. Ich finde das toll. Wallfahrt spricht auch Menschen an, die nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen oder sich von anderen kirchlichen Angeboten angesprochen fühlen.