Eine Frage des Wertekodex

Stehen Glaube und Wissenschaft im Widerspruch? Ein Podiumsgespräch auf der Entdeckerbühne

Hochkarätig besetzt war das Podium zur Frage: Was weiß ich, was ich glaube? Dompropst Rolf-Peter Cremer (v. r.), Angela Reinders als Leiterin der Bischöflichen Akademie, Theologin Annett Giercke-Ungermann, Prorektorin der katho Barbara Schermaier-Stöckl und FH-Rektor Bernd Pietschmann im Gespräch mit Moderatorin Ines Kubat. (c) Andreas Schmitter
Hochkarätig besetzt war das Podium zur Frage: Was weiß ich, was ich glaube? Dompropst Rolf-Peter Cremer (v. r.), Angela Reinders als Leiterin der Bischöflichen Akademie, Theologin Annett Giercke-Ungermann, Prorektorin der katho Barbara Schermaier-Stöckl und FH-Rektor Bernd Pietschmann im Gespräch mit Moderatorin Ines Kubat.
Datum:
21. Juni 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2023 | Dorothée Schenk

Die Fragen hätten polarisieren können, die Moderatorin Ines Kubat ihren Talkgästen zu den vermeintlich widersprüchlichen Gegensätzen Glaube und Wissenschaft stellte. Tatsächlich war es eher ein Abend der Bekenntnisse, denn der Erkenntnisse. Die fünf Podiumsgäste auf der Entdeckerbühne waren sich ziemlich einig: Auf das „und“ kommt es an. Ein „oder“ steht nicht zur Debatte. 

FH-Rektor Bernd Pietschmann wollte ursprünglich einmal Priester werden. (c) Andreas Schmitter
FH-Rektor Bernd Pietschmann wollte ursprünglich einmal Priester werden.

Auf die provokante Frage „Darf ein ernstzunehmender Physiker abends zu Gott beten? Oder wünscht sich vielleicht manch ein Kirchenvertreter, dass Wissenschaftler den Gottesbeweis erbringen?“, mit der Ines Kubat Runde 1 eröffnete, gab es klare, aber versöhnliche Antworten.

Ein sichtlich in sich ruhender Wallfahrtsleiter und Dompropst Rolf-Peter Cremer sagte: „Ich meine, dass ich den Gottesbeweis jeden Tag erlebe.“ Dabei gehe es um die Auslegung des Wortes „Beweis“. Als Gläubiger erfahre er jeden Tag, dass es Gott gebe: in Begegnungen und natürlich besonders in der heiligen Messe. Das sei selbstverständlich kein Beweis nach wissenschaftlichen Standards.

 

An einen Gottesbeweis überhaupt zu denken, ist für Angela Reinders, Direktorin der Bischöflichen Akademie, undenkbar: Gott zu beweisen, „wäre das Ende“. „Wenn wir Gott beweisen könnten”, sagte auch FH-Rektor Bernd Pietschmann, „dann würde die Mystik dahinter wegfallen. Wenn wir genau wissen, wie alles funktioniert, dann fehlt etwas, an das wir glauben können.“

Für Barbara Schermaier-Stöckl, Prorektorin der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, sind Glaube und wissenschaftliche Erkenntnisse keine Gegensätze. Dass die Schöpfung nur Zufall sein soll, „dass kann ich mir nicht vorstellen“, sagt die Juristin. Für christliche Menschen sei klar: „Gott ist seit Ewigkeit da und wird in Ewigkeit da sein“, formulierte Theologin Annett Giercke-Ungermann. Für andere sei es unvorstellbar, dass es etwas geben solle, was ewig währt, vor dem man nur staunend stehen und letztlich vertrauen könne.

Keine Gegensätze

Für stimmungsvolle Zwischenspiele sorgte die Jazz-Combo der Fachhochschule Aachen. (c) Andreas Schmitter
Für stimmungsvolle Zwischenspiele sorgte die Jazz-Combo der Fachhochschule Aachen.

Dass so große Übereinstimmungen an diesem Abend zu hören waren, war den Podiumsgästen anders als dem Publikum wohl bereits vorab klar, denn, so Angela Reinders, Wissenschaft und Kirche seien ja – anders als in früheren, etwa Galileos Zeiten – keine Gegenspieler mehr. Dompropst Cremer sieht Glaube und Forschung als sich gegenseitig herausfordernde Pole an. Ausschließlichkeit als Option stellt sich nicht. FH-Rektor Pietschmann bestätigt: „Ich kann ein gläubiger Wissenschaftler sein“, was für ihn im besonderen Maße zutrifft. Schließlich erfuhr das Publikum nicht nur, dass ein Brevier auf seinem Nachttisch liegt, sondern auch, dass er seine Schulferien immer im Kloster verbracht habe und Priester geworden wäre, hätte er seine Frau nicht getroffen.

Die Fragen, die Moderatorin Ines Kubat auftischte, hatten es in sich: Urknall als wissenschaftliche Erkenntnis – ja! Aber wer zündete das Streichholz? Weil die Forschung schon so weit vorangeschritten ist und die Menschen sich in diesen Erkenntnisfragen nicht mehr an die Kirche wenden müssten: „Macht Wissenschaft Glaube überflüssig?“

Werden Forscher ein bisschen wie Gott, wenn sie – wie jüngst geschehen – Embryonen in Laboren „züchten“? Sichtlich bemühte sie sich, Kontroversen auszuloten, die widersprüchlichen Pole zu entdecken. Nach einigen sehr überlegten, aber auch das Thema eher verbindenden Antworten stellte Kubat schließlich die Frage: „Machen Sie es sich nicht ein bisschen einfach?“

Die große Basis, und auch das wurde sehr schnell deutlich, ist der Wertekodex, auf dem sowohl Glaube und Kirche als auch Wissenschaft und Forschung fußen müssen. Darum gehörten wohl auch die scheinbaren Widerparte zusammen. Forschung soll nicht alles dürfen, was sie könnte. „Den echten Forschenden können sie nicht bändigen“, weiß Wissenschaftler Pietschmann. Gerade darum brauche Wissenschaft Grenzen. Diese müssten, und das forderte der FH-Rektor mit großem Nachdruck, von der Politik auch in Gesetze gegossen werden.

Dompropst Cremer brachte den Ethikrat ins Spiel, aber natürlich sei auch die Kirche als moralische Instanz gefordert. Cremer legte Wert darauf, dass damit nicht nur „Amtsinhaber“ und „Amtskirche“, sondern auch die verbundenen Institutionen wie die „Katho“ gemeint seien. Er betonte die Bedeutung, im Dialog zu bleiben. „Wir brauchen den Schulterschluss“ auch mit der Politik, und das auf einem gemeinsamen Wertefundament. Theologin Annett Giercke-Ungermann ist überzeugt: „Wir als Gläubige brauchen Forschung und gesellschaftliche Konzepte für einen Diskurs mit nicht homogenen Gruppen.“ „Wir können die Klimakatastrophe nicht wegbeten“, formulierte Pietschmann etwas markig.

Wer auf einen Abend mit großen Diskursen gehofft hatte, auf Erkenntnisgewinn über den aktuellen Stand von Forschung, wurde enttäuscht. Wer glaubt, dass es darum kein unterhaltsamer Abend mit Denkanstößen auf dem Katschhof war, der täuscht sich ebenso. Kurzweilig war es, weil die fünf Podiumsgäste ihre Standpunkte so preisgaben, dass sie als ein Zeugnis für ihre Überzeugungen stehen können.